Gewalt, Missbrauch, Verwahrlosung in Familien

Jugendamt muss immer häufiger eingreifen - Inobhutnahme für Kinder und Jugendliche am Limit

Noch nie war die Zahl der Kindeswohlgefährdungen so hoch wie momentan. Bis zu 60 Prozent mehr Anfragen bestätigen hessische Jugendämter und -hilfen 2022 im Vergleich zum Vorjahr. Bereits das Jahr zuvor hat sich die Zahl der Kinder, die nicht mehr in ihrem Elternhaus leben können oder wollen, erhöht. Sind das die Auswirkungen der Pandemie oder was läuft da schief in Deutschlands Familien? Antworten von Betreuern und Verantwortlichen gibt es im Video!

Überforderte Jugendhilfen: Wir können nicht alle Betroffenen aufnehmen und schützen

„500 Absagen hatten wir im letzten Jahr“, so Thomas Domnick, Vorstandsvorsitzender des Theresien Kinder- und Jugendhilfezentrums e.V. im Landkreis Offenbach. Das heißt, dreimal so häufig wie im Schnitt in den Jahren zuvor musste die Inobhutnahme sagen: Es tut uns leid, aber wir können dich/ Ihr Kind bei uns trotz aller Probleme im Elternhaus nicht aufnehmen. Immer mehr Kinder und Jugendliche mussten 2023 aus ihrer Familie genommen werden, in erster Linie geht es dabei immer um den Schutz des Kindeswohls. Die Anfragen sprengen die Kapazitäten der Inobhutnahmen der Jugendämter.

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Depressionen und Selbstmordgedanken bei Jugendlichen nehmen zu

Gewalt, Missbrauch und Misshandlungen sind laut Jugendhilfe schon immer große Themen in den Familien, die im Kreis Offenbach betreut werden. Doch zum Anstieg der Klientenzahl kommt die Veränderung der Probleme bei den Kindern und Jugendlichen: „Der Anteil der Jugendlichen hat zugenommen, die unter depressiven Episoden leiden. Suizidale Tendenzen, die sind unserer Erfahrung nach tendenziell gestiegen. In den Jahren davor war das auch schon vorhanden, aber nicht so in dieser Qualität, wie wir es jetzt gerade haben", stellt Gruppenleiter Gernot Haas im RTL-Interview fest.

ARCHIV - ILLUSTRATION - Ein kleines Mädchen sitzt weinend auf dem Fußboden in ihrem Zimmer, aufgenommen in Frankfurt (Oder) am 27.11.2010. Gegen den allgemeinen Trend in der Gesellschaft nimmt die Gewalt gegen Kinder in letzter Zeit wieder zu. Der «Kevin-Effekt» lässt nach. Für Fachleute ist eine Reform des Kinderschutzes überfällig. Foto: Patrick Pleul dpa (zu dpa 1559 vom 27.05.2011)  +++(c) dpa - Bildfunk+++
Verzweiflung im Kinderzimmer: Gewalt gegen Kinder und Depressionen bei Kindern nehmen alarmierend zu. (Symbolbild).
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Familie durch Pandemie völlig neben der Spur

„Wir kommen mit unseren Kind nicht mehr zurecht“ höre man immer häufiger von Eltern. Geschlossene Schulen, Kindergärten und Vereine während der Pandemie hätten zu den Problemen von Kindern und Jugendlichen erheblich beigetragen, so Sozialdezernent Carsten Müller. Die Kids seien dadurch aus ihrem Umfeld gerissen worden, kämen damit schlecht bis gar nicht klar. „Die Familien haben deswegen große Probleme in auch teilweise in beengten Wohnverhältnissen. Das sorgt dafür, dass wenig Ressourcen für die Kinder da sind – und das äußert sich in Vernachlässigung oder im schlimmsten Fall in Gewalt."

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Der Kreis Offenbach will in Zukunft deswegen versuchen, mehr Plätze oder gar neue Inobhutnahme-Stellen zu schaffen. Vor allem aber soll die Präventionsarbeit gestärkt werden, denn wenn das Jugendamt eingreifen muss, ist es eigentlich schon zu spät für die Kinder. (npa/gmö)

Hilfe bei Suizidgedanken

Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter http://www.telefonseelsorge.de.