Zehn Minuten zum Runterkommen
Zeitstrafe statt Gelb-Rote Karte - Hessens Amateurfußballer atmen jetzt erstmal tief durch
Bisher galt auch im Amateurfußball: Nach der zweiten gelben Karte innerhalb eines Spieles muss der Spieler den Platz verlassen. Der Hessische Fußball-Verbandes (HFV) verabschiedet sich vom Gelb-Rot-System und bringt statt des endgültigen Platzverweises nun eine zehnminütige Zeitstrafe (wieder) ins Spiel. Wie das in der Praxis beim TSV 1860 Hanau aussieht – im Video!
Anti-Gewalt-Maßnahme: Vorbild für alle deutschen Vereine?
Es gilt als bundesweites Modellprojekt: Zehn Minuten am Spielfeldrand und nach der Zwangspause mit heruntergefahrenen Emotionen wieder aktiv am Spiel teilnehmen – so die Idealvorstellung. Kann die „Pause zum Abkühlen“ nicht nur motivieren, sondern auch Gewalt verhindern? Viel zu oft scheinen Spieler in den Kreisligen unter anderem nach einem Platzverweis nicht Herr ihrer Emotionen zu sein – viel zu oft gibt es Meldungen von tätlichen Angriffen auf den Schiedsrichter.
"Bereits jetzt nach wenigen Spieltagen haben wir 109 Vorfälle von Gewalt und Diskriminierung auf den Berliner Plätzen zu verzeichnen", hieß es zum Beispiel zum Saisonstart 2019/20 vom Schiedsrichterausschuss des Berliner Fußball-Verbandes (BFV). 53 Mal wurden Schiedsrichter damals in der laufenden Saison konkret bedroht oder angegriffen – verbal und auch körperlich. Um auf diese Missstände aufmerksam zu machen, streikten die Berliner Schiedsrichter im Amatuerfußball im Oktober 2019 an einem Spielwochenende.
Gute Erfahrungen aus der Vergangenheit
„Beim Fußball geht’s ab und zu mal hitzig zu“, bestätigt Torsten Becker, Vizepräsident des Hessischen Fußballverbandes im RTL-Interview. „Wenn jemand in der dritten Minute seinen Gegenspieler schlägt, kommt natürlich nach wie vor nur Rot infrage“, betont Becker. Doch bei kleineren Vergehen sei zunächst die zehnminütige Pause das mildere Mittel einer Bestrafung im Vergleich zu einem vollständigen Platzverweis, das habe sich laut Becker bereits 1978 bis 1991 in den Kreisligen bewährt. Die Erfahrungen mit der damaligen Zehn-Minuten-Pause seien „durchaus positiv“, daher besinne man sich jetzt zurück und probiere eine Zeitlang aus, ob die Änderung den Verbänden auch in der Gegenwart zugute kommt.

Verspäteter Start durch Corona-Pandemie
„Die Diskussion über die Wiedereinführung der Zeitstrafe statt der Ampelkarte läuft schon lange“, berichtet Torsten Becker. Der DFB hatte dem Antrag des HFV von September 2019 stattgegeben, nach der langen Corona-Pause ist das Modellprojekt zum Saisonbeginn in den hessischen Verbänden gestartet. Durch das neue Regelwerk erhofft sich der Fußballverband auch ein verstärktes Interesse am Amateurfußball nach der Pandemie-Zwangspause.
Auch der Südwestdeutsche Fußballverband habe die Regel der Zeitstrafe wiedereingeführt, andere Verbände seien sehr interessiert an den Ergebnissen des zweijährigen Pilotprojektes in Hessen. (gmö)