Wirbel um Schulaufgabe in DuisburgSchüler sollen das Märchen "Hänsel und Gretel" auf "Kanakisch" bearbeiten

"Murat und Aische gehen dursch Wald, auf Suche nach korrekte Feuerholz": So beginnt der Text einer Schulaufgabe, die am Duisburger Krupp-Gymnasium für Wirbel sorgt. Sie war Neuntklässlern Mitte März mit Aufgaben zur Bearbeitung vorgelegt worden. "Wähle ein Märchen, das Dir gut gefällt, und formuliere es ins Kanakische um", heißt es dabei unter anderem. Türkischstämmige Schüler und Eltern kritisieren die aus ihrer Sicht klischeehafte und herabsetzende Aufgabe.

Duisburger Schüler fühlten sich ausgegrenzt

Mehrere Schüler hätten sich ausgegrenzt gefühlt und sich an ihn gewandt, sagte der Frankfurter Rechtsanwalt Fatih Zingal, der den Text auf seinem Facebook-Account veröffentlicht hatte. Der schon etwa 20 Jahre alte Text stamme aus einem Schulbuch und sei offiziell als Unterrichtsmaterial behandelt worden. Das mache die Verwendung zum Problem, auch wenn es sich ursprünglich um eine Parodie handele, sagte Zingal.

Krupp-Gymnasium Duisburg: "Kanakisch" ist Teil des Sprachwandels

Die Duisburger Schule weist auf den Zusammenhang hin, in dem der Text verwendet wurde: Es sei um Sprachwandel gegangen und damit auch um das sogenannte Kanakisch, das Eingang in die Jugendsprache gefunden habe. "Die Lehrkraft und die Schulleitung bedauern, dass der Text Unmut und Irritationen ausgelöst hat sowie als diskriminierend empfunden wurde", heißt es in einem Statement.

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"Erkan und Stefan" als Vorbilder für "Hänsel und Gretel"-Schulaufgabe

Viele Menschen können nicht nachvollziehen, dass "Kiezdeutsch", wie die Sprache auch genannt wird, verletzend oder gar rassistisch sein könnte. Sie haben zum Beispiel die Comedians "Erkan und Stefan" vor Augen, die in den 90er-Jahren großen Erfolg damit hatten – kaum jemand nahm Anstoß daran.

Der damals 17-jährige Schüler Oliver Wunder ließ sich im Jahr 2000 von dem Comedy-Duo inspirieren: Er schrieb jene Parodie auf das Märchen "Hänsel und Gretel", die dann als Aufgabe Einzug in den Deutschunterricht hielt. "Für uns war das damals Ausdruck von Jugendsprache. So haben viele Leute im Umfeld einfach geredet", sagt er.

Märchen auf "Kanakisch" wird aus Deutschbuch gestrichen

Dass trotz der Hintergründe im Internet pauschale Rassismusvorwürfe gegen die Schule auftauchen, ist für Sprachwissenschaftler eine Fehlentwicklung unserer Diskussionskultur. "Sprache geht alle an. Jeder spricht sie. Jeder hat seine eigenen Wörter gelernt", sagt Holger Klatte vom Verein deutscher Sprache e.V. "Wenn solche Fälle wie jetzt in Duisburg passieren, sollte man nicht gleich beleidigende Vorwürfe machen. Das ist der falsche Weg."

Um Missverständnisse künftig zu vermeiden, soll die "Kanakisch"-Version von "Hänsel und Gretel" in weiteren Auflagen des Deutschbuches nicht mehr auftauchen. (bst)