Komplett gelähmt bei wachem Verstand und klarem Geist

Gefangen im eigenen Körper: ALS-Patient kommuniziert durch Gedankenübertragung

Brain implant concept.
Wieder gelang es einem ALS-Patienten mithilfe eines Hirnimplantats zu kommunizieren. (Foto: Symbolbild)
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Stellen Sie sich vor, sie sind bei wachem Verstand und klarem Geist - können aber nicht mehr sprechen. Genau diesen Horror erleben manche Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS) im Endstadium ihrer Krankheit - das deswegen auch als "Completely Locked-in", auf Deutsch "Komplett-eingeschlossen-Stadium" bezeichnet wird. Doch auch hier macht die Medizin immer mehr Fortschritte. Jetzt gelang es Forschern erneut, einen ALS-Patienten mit der Kraft seiner Gedanken kommunizieren zu lassen, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtet.

Computerprogramm entschlüsselt Buchstaben

Ein gelähmter ALS-Patient hat durch die Hilfe von im Hirn implantierten Elektroden eine simple Art der Kommunikationsfähigkeit zurückbekommen. Ein Computerprogramm entschlüsselt dabei Buchstaben aus den Hirnsignalen des Patienten. Das berichten Forscher und Forscherinnen im Fachblatt "Nature Communications". Der Mann, heute 37 Jahre alt, verlor durch die unheilbare Nervenerkrankung amyotropher Lateralsklerose, kurz ALS, seine Sprache. Kurzum: Er ist bei klarem Verstand in seinem gelähmten Körper gefangen.

IM VIDEO: Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) - eine rätselhafte Krankheit

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Er fragte seinen Sohn: „Willst du mit mir den Disneyfilm ‘Robin Hood’ schauen?“

Bei Patienten in diesem Stadium versagt auch die Kontrolle mehr über die Augenmuskulatur. Bis dahin besteht die Möglichkeit, die Augenbewegungen aufzeichnen und sie dann in Sprache zu übersetzen. Berühmtes Beispiel dafür war der Astrophysiker Stephen Hawking. Ein internationales Forschungsteam unter Co-Leitung von Jonas Zimmermann vom „Wyss Center of Bio‐ and Neuroengineering“ in Genf hat nun erreicht, dass der 37-jährige Patient mit einer sogenannten Hirn-Computer-Schnittstelle – kurz BCI – auf Satzebene sprechen gelernt hat.

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BCIs sind kleine, im Gehirn chirurgisch implantierte Geräte, die mittels Elektroden Hirnströme aufzeichnen und in Steuersignale umwandeln. Die Wissenschaftler schreiben in der Studie, dass ihr Patient nach etwa hundert Tagen Bedürfnisse äußern konnte. An Tag 251 fragte er seinen Sohn: Willst du mit mir den Disneyfilm „Robin Hood“ schauen?

Elektroden-Implantate müssen komplett einwachsen können

Damit sei der Beweis erbracht, dass willentliche Kommunikation selbst für völlig in ihrem Geiste isolierte Menschen möglich sei, jubeln die Forscher und Forscherinnen. Co-Studienleiter Zimmermann dämpft aber zu große Erwartungen: "Es handelt sich um einen Konzeptbeweis mit einem einzigen Patienten", sagte er der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Ziel sei, eine klinische Studie mit mehr Patienten durchzuführen, wofür man derzeit neue Elektroden-Implantate entwickle, die komplett einwachsen würden.

Australischer ALS-Patient twittert bereits durch Chip

Bereits im Dezember des vergangenen Jahres erstaunte ein Tweet des damals 62 Jahre alten Australiers Philip O’Keefe. Der ALS-Patient hatte sich zu einem mutigen Schritt entschlossen, ließ sich einen Gehirnchip der Firma Synchron einbauen.

„Als ich das erste Mal von dieser Technologie hörte, wusste ich, wie viel Unabhängigkeit ich dadurch zurückbekommen würde“, zitierte ein Pressestatement des Start-ups den Patienten. Für seinen Tweet musste der Mann allerdings lange trainieren: Zwei Jahre lebte er bereits mit dem implantierten Chip. Aber so gelang es ihm Stück für Stück seine verlorene Sprechfähigkeit zurückzugewinnen. (ija)