Was macht das mit den Kindern? Expertin klärt auf Für diese Kinder gibt's kein Nein! Mutter kassiert Shitstorm für Erziehungsmethode

Mutter Biba Tanya mit ihren zwei Töchtern.
Tabitha (7) and Lola (4), die Töchter von Influencerin Biba Tanya, bekommen nie ein „Nein“ zu hören.
Privat

Mac'n'Cheese zum Frühstück, All-you-can-YouTube den ganzen Tag und ins Bett geht’s um 23 Uhr – das klingt für ein Kind nach einem Traumtag. Für die Töchter der Britin Biba Tanya ist das Real Life. Auf ihren Social Media-Channels zeigt die 40-Jährige öffentlich, wie ihre Töchter Tabitha (7) und Lola (4) keine Regeln befolgen müssen. Ein „Nein“ bekommen die Mädchen dabei nie zu hören. Ihre Erziehungsmethoden werden von Usern stark kritisiert, von anderen jedoch gefeiert.
Wenn Kinder machen, was sie wollen – wir wirkt sich das auf sie aus? Was passiert, wenn man den Kindern keine klaren Grenzen aufweist? Das erklärt Diplom-Psychologin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Sabine E. Werner-Kopsch.

Feste Regeln wie Schlafenszeiten? Fehlanzeige!

Seit 2020 lebt die Lebensberaterin und Autorin Biba Tanya mit ihren zwei Mädchen an der portugiesischen Algarve. Der Vater der Kinder lebt in Großbritannien. Auf Instagram und Facebook zeigt sie ihr Familienleben. Beim Betrachten der Feeds wird schnell klar: Die Mädchen machen, was sie möchten. Offenbar gibt es keine Regeln und Grenzen. Ihre Töchter gehen auch nicht zur Schule, sondern sollen durchs Leben lernen.

"Ich sage nie Nein zu meinen Kindern", sagt Biba im Interview mit der britischen SUN. Feste Regeln wie Schlafenszeiten? Fehlanzeige! "Tabitha und Lola haben keine Schlafenszeiten, dürfen aufwachen, wann sie wollen und bestimmen, was sie den ganzen Tag tun, einschließlich, was sie essen.“ Dann gebe es auch mal Kekse und Mac'n'Cheese zum Frühstück. Für viele User fahrlässig und ein direkter Weg in die Fettleibigkeit. Biba kontert, dass die Kinder auf ihre Körper hören würden. Auch würden die Mädchen fühlen, ob das Gegessene ihnen zugutekommt.

Diplom-Psychologin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Sabine E. Werner-Kopsch aus Berlin-Charlottenburg zeigt sich im RTL-Interview kritisch: „Eine sehr groß und langzeitig angelegte englische Studie hat z.B. herausgefunden, dass Kinder mit einem festen Schlaf-Rhythmus (der eher früher beginnt) eine bessere persönliche Entwicklung vollziehen konnten.“

Sollten Kinder unbegrenzt fernsehen dürfen?

Auch beim Thema Medienkonsum hält es Biba locker: „Meine Vierjährige hat einmal darum gebeten, den ganzen Tag YouTube zu schauen. Ich sagte: 'Natürlich.' Aber sie kam zwei Stunden später weinend zurück und sagte, ihr Kopf fühle sich komisch an und sie mochte den Bildschirm nicht.“ So übertrage sie den Mädchen Verantwortung, erklärt die Mutter.

Für Diplom-Psychologin Werner-Kopsch ein No Go: „Medienkonsum sorgt z.B. für Dopamin-Ausschüttungen im Gehirn, womit ein Suchverhalten entstehen kann.“ Die Gefahr drohe, dass sich die Abhängigkeit immer weiter ausbreite. „Wir erleben immer mehr Jugendliche, die aufgrund mangelnder Erfahrung ausgewogener Lebensinhalte nicht mehr in der Lage sind, sich ihren Tag sinnvoll einzuteilen.“

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Expertin: Dieser Erziehungsstil nimmt Kindern die Kindheit

Biba Tanya hat ihre Kinder nicht immer machen lassen, was sie wollten. Die Erziehung ihres ersten Sohnes Sebastian, 17, sei viel strukturierter gewesen. „Ich war viel zu streng mit Sebastian“, bereut sie im SUN-Interview. Er sei im Alter von einem Jahr in einen Kindergarten gegangen, in dem es klare Zeiten für Essen und Schlaf gegeben habe.

Biba Tanyas Rat an andere Eltern: „Wenn mehr Mütter meinem Beispiel folgen würden, hätten sie gesündere, glücklichere Kinder, mit weniger Wutanfällen, weniger Stress und weniger psychischen Problemen.“ Die Expertin sieht das anders: Der Laissez-faire-Erziehungsstil nehme den Kindern die Kindheit. „Ich halte es für einen Trugschluss, wenn Eltern glauben, ihrem Kind damit etwas Gutes zu tun. Wenn es Regeln und Rahmen gibt, können Kinder ihr Kind-Sein leben und damit Zugang zu ihren wichtigsten individuellen Ressourcen entwickeln“, erklärt Werner-Kopsch.

Sie plädiert deshalb immer für einen festen Rahmen: „Eine eingeschränkte Medienzeit, eine ausgewogene Ernährung, altersentsprechende Schlafhygiene (z.B. ohne Smartphone am Bett) und aktive Auseinandersetzung mit den Bezugspersonen zur persönlichen Reflexion des Verhaltens.“ Nur so lasse sich eine verantwortungsbewusste und selbstbewusste Persönlichkeit entwickeln. Eine Persönlichkeit, die im weiteren Leben auch seelisch in der Lage sei, Lebenskrisen ohne eine anhaltende Beeinträchtigung durchzustehen.

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Gibt es DEN einen Erziehungsstil für alle Kinder?

Grundsätzlich ließe sich nicht sagen, dass ein bestimmter Erziehungsstil für alle Kinder passt, so die Psychologin. Das ureigene Temperament eines Kindes benötige immer den dazu passenden Erziehungsstil. „Viele Kinder brauchen mehr Regeln, einige Kinder brauchen weniger Regeln, doch alle Kinder benötigen den sicheren Rahmen“, sagt sie. „In diesem Rahmen fühlen sich die Kinder dann geborgen und können sich entwickeln, sich ihrer Selbst bewusst werden und sein.“

Es sei nachvollziehbar, dass es Eltern oft zu anstrengend sei, sich mit den eigenen Kindern auseinandersetzen zu müssen. „Doch gerade diese Auseinandersetzung ist elementar. Nur in der Auseinandersetzung bildet sich eine echte vertrauensvolle Beziehung aus. Diese Beziehung basiert auch auf der Erfahrung, dass die Erziehungsberechtigten Verantwortung übernehmen und wissen, was für das Kind besonders wichtig ist“, so Werner-Kopsch.

"Eltern, die keinen Rahmen setzen, sind eine Belastung für andere Eltern"

„Auch die Umwelt ist darauf angewiesen, dass Eltern ihrer Erziehungsaufgabe nachkommen, um gruppen- und gemeinschaftsfähige Kinder zu erziehen“, so die Expertin. Sie spricht der Akzeptanz von Rahmen und Regeln eine wichtige Rolle zu. So könnten die Kinder sich in Gruppen altersgerecht eingliedern.

Eltern, die keinen Rahmen setzen, seien eine Belastung für andere Eltern, so Werner-Kopsch. Die anderen Eltern „haben dann die besondere Aufgabe, diesen Laissez-faire-erzogenen Kindern den Bezug zu Rahmen und Regeln zu vermitteln und müssen in besondere Weise kompensieren, was an anderer Stelle nicht vermittelt wurde.“