Helmut Marko im Exklusiv-InterviewBullen-Machtkampf: „Max ist der Schnellere und der Konstantere"

von Felix Görner und Emmanuel Schneider

Sergio Perez darf Formel-1-Weltmeister werden, aber … Red-Bull-Berater Helmut Marko erklärt im RTL/ntv-Interview, wieso es bei den „Bullen“ zwar keine klare Teamorder gebe, Max Verstappen im Vergleich zum aufstrebenden Teamkollegen Sergio Perez aber klar vorne liege. Der Weltmeister sei der „Schnellere“ und der „Konstantere“ der beiden Red-Bull-Piloten, sagt Marko.

Marko: Perez darf Weltmeister werden

Die ersten Diskussionen entbrannten schon nach dem Große Preis von Spanien, als Red Bull dem in Führung liegenden Sergio Perez anwies, Max Verstappen doch bitte schnellstmöglich vorbeiziehen zu lassen. So kam es dann auch und der Niederländer staubte in Barcelona den Sieg ab. Der Prestige-Coup von Perez in Monaco vor anderthalb Wochen aber befeuerte die Debatte um das Machtgefüge im Rennstall erneut. Darf Sergio Perez bei Red Bull eigentlich Weltmeister werden?

Oder hat er als vermeintlicher Verstappen-Wingman, als Helfer und Wasserträger, von Teamseite gar nicht die Erlaubnis dazu? Immerhin: Nur 15 Zähler trennen WM-Leader Verstappen von dem Mexikaner.

RB-Berater Helmut Marko gibt im RTL/ntv-Interview die Linie des Rennstalls vor. Klar dürfe Perez Weltmeister werden. Die Wahrheit liegt aber eben auf der Strecke. Und hier sei klar, wer dominiert, so Marko. „Er kann Weltmeister werden. Aber dann muss er den Speed haben und Max deutlich auf der Strecke schlagen“, sagt die RB-Eminenz.

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Die Resultate sprechen für Verstappen

„Wir haben generell keine Teamorder oder Nummer-1-Politik. Wenn man die Resultate vergleicht, sind es vier Siege für Max, ein Sieg für Perez. Er (Verstappen, d. Red.) ist der Konstantere. Vom absoluten Speed ist Max derjenige, der hier dominiert“, sagt der 79-Jährige. „Jetzt schauen wir, wie es sich entwickelt.“

Die Stallorder in Spanien erklärte Marko mit den unterschiedlichen Reifen-Strategien, auf denen Verstappen und Perez unterwegs waren. Die Drei-Stopp-Strategie, auf die Verstappen nach seinen Problemen zu Beginn wechseln musste, habe sich als deutlich schneller erwiesen. Perez hätte „vom Speed her keine Chance“ gehabt, dagegenzuhalten. Seiner Meinung nach sei dies keine Stallorder im eigentlichen Sinne gewesen, findet der Österreicher, man habe Perez gesagt: „Lass ihn so schnell wie möglich vorbei, er hat die Siegchance. Ihr seid auf zwei völlig unterschiedlichen Reifenstrategien, die von Max funktioniert besser. Es geht um den Sieg und die Teampunkte.“

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Handling des Wagens schmeckt Verstappen noch nicht

Generell hat sich für Marko die Situation nach dem Perez-Sieg in Monte Carlo nicht verändert. Denn Verstappen sei nach wie vor „der Schnellere“. Es sei nun in Monaco das erste Mal vorgekommen, „dass er über alle vier Trainingssitzungen Probleme in nur einer Kurve hatte, das hat ihn hinter Perez zurückgeworfen.“ Marko gibt zu, dass Verstappen noch nicht hundertprozentig zufrieden mit dem RB18 ist. „Das Handling ist vielleicht noch nicht ganz nach seinem Geschmack. Er will ein Auto, das auf der Vorderachse absolut griffig ist.“ Daran werde nun weitergearbeitet.

Sein Team habe da einige Ideen, was man am Renner verändern könne. Vor allem die Abstimmung und das anhaltende Übergewicht stehe im Fokus, genauer wird Marko nicht. Mit einem großen Update-Paket ist aktuell indes nicht zu rechnen. Der Kostendeckel und der Faktor Zeit schränkten das Team hierbei deutlich ein, so der Teamberater.

Doch auch ohne kostspielige Upgrades ist die Lage für Red Bull vielversprechend. Dank des starken Perez ist Red Bull auf Kurs, erstmals seit 2013 (damals noch mit Sebastian Vettel) wieder in Fahrer- und Konstrukteurs-WM zu triumphieren. „Die Chancen stehen gut, da wir zwei starke Fahrer haben“, sagt Marko. „Perez hat sich gesteigert und durch die technische Umstellung kommt er mit dem Auto deutlich besser zurecht. Wir müssen noch an der Zuverlässigkeit arbeiten. Drei Ausfälle sind zu viel. Vom Speed her und Konstanz sind wir in der Lage, ein ernstes Wort um die Konstrukteurs-WM mitzusprechen.“

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Leclerc als größter Rivale - oder kommt noch Mercedes?

Den größten Widersacher für Verstappen um die WM-Krone der Fahrer sieht Marko weiter in Charles Leclerc. Der Ferrari-Mann führte bis zum Spanien-GP, wo er mit einer Motor-Panne ausschied, die Gesamtwertung an, liegt nun zwischen Verstappen und Perez.

„Derzeit sehe ich in Leclerc den stärksten Konkurrenten“, analysiert Marko, der aber auch einen Dreikampf an der Spitze nicht ausschließt. Mercedes habe er weiter auf dem Zettel. Zwischenzeitlich hätten sowohl George Russell als auch Lewis Hamilton „sensationelle Rundenzeiten“ abgespult. Zwar nicht kontinuierlich oder im Qualifying, aber „sie sind da“. Wenn es Mercedes gelänge, diese Zeiten auf eine Renndistanz auszunutzen, dann „sehe ich sie mit drin“ im WM-Fight.

Der Vorsprung von Verstappen auf Russell beträgt zwar 41 Punkte. Doch zuletzt bewies der Weltmeister selbst, wie schnell das manchmal geht mit der Aufholjagd. Nach seinen Ausfällen in Bahrain und Australien kämpfte er sich durch drei Siege in Serie zurück an die Spitzenposition.

Auf die Strecke beim kommenden Rennen in Baku dürfte sich insbesondere Perez freuen. Im Vorjahr schnappte sich der 32-Jährige dort den ersten Sieg für Red Bull. Verstappen hingegen schaffte es dort noch nie aufs Podium. Nicht ausgeschlossen also, dass am Wochenende plötzlich Perez die WM anführt.