Ferrari zwingt "Bullen" zum Abspecken
Updates trotz wenig Training: Red Bull und Verstappen gehen schon in Imola volles Risiko
von Felix Görner und Martin Armbruster
Volles Risiko, volle Attacke, lautet bei Red Bull die Devise, um Ferrari das Formel-1-Heimspiel in Imola (Sonntag, ab 14 Uhr, LIVE bei RTL) zu vermiesen. Das Team bringe beim Grand Prix der Emilia Romagna „kleinere Updates ans Auto“, kündigte „Bullen“-Eminenz Helmut Marko im RTL/ntv-Interview an – und das, obwohl in Imola wegen des Sprintrennens am Samstag nur ein Freitagstraining auf dem Programm steht, somit weniger Zeit als üblich da ist, die neuen Teile zu testen.
Red Bull "massiv" auf Diät
„Es ist ganz klar: Ferrari hat ein derart komplexes, aber einfach abzustimmendes Paket, da muss alles stimmen, dass wir dagegenhalten können. Genau darum gehen wir dieses Risiko, mit nur einem Training neue Teile zu bringen. Wir wollen voll attackieren und sehen darin unsere Chance, anstatt einfach nur abzuwarten. Dazu sind Ferrari und Leclerc zu stark“, betonte Marko.
Ferrari-Teamchef Mattia Binotto hatte vor dem Heimspiel der Roten dagegen angekündigt, die Scuderia werde wegen des veränderten Zeitplans auf Upgrades verzichten und lieber auf das bewährte, siegfähige Paket setzen.
Ein Luxus, den sich Red Bull und Titelverteidiger Max Verstappen angesichts von 46 Punkten Rückstand auf Charles Leclerc nicht leisten können. Vor allem, weil Verstappens Renner noch zu viel Speck auf den Karbon-Rippen hat.
Der Osterhase habe die „Bullen“ seit Australien „massiv“ auf Diät gesetzt, sagte Marko schmunzelnd. Man sei „der guten Hoffnung“, dass die Imola-Änderungen „gewichtsmäßig etwas Ersparnis“ brächten. Abnehmen sei in der Formel 1 aber „wie beim Menschen. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern ist ein langwieriger Prozess, da wir einiges an Übergewicht haben, jedenfalls deutlich mehr als Ferrari. Wenn wir bis Barcelona (20.-22. Mai, d.Red.) annähernd auf Ferrari-Niveau kommen, sind wir eigentlich schon zufrieden.“
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Marko erinnert an Vettels WM-Wende
Was die WM-Wertungen angeht, ist Red Bull trotz des happigen Rückstands (noch) nicht bang ums Racer-Herz. Es seien noch 20 Rennen zu fahren und mehr als 500 Punkte zu erreichen, sagte Marko und erinnerte an 2010. „Damals hatten wir mit Vettel zur Sommerpause 44 Punkte Rückstand, auch gegen Ferrari und Alonso und konnten das trotzdem noch drehen.“ Sebastian Vettel fing den Führenden Fernando Alonso im letzten Rennen in Abu Dhabi sensationell noch ab, gewann seine erste Weltmeisterschaft.
Was die „Bullen“ zwölf Jahre später positiv stimmt: Das Paket sei „wettbewerbsfähig“, der RB18 aus der Feder von Design-Guru Adrian Newey „in der richtigen Konfiguration absolut siegfähig“, so Marko.
Allerdings sei der Red Bull „von der Abstimmung her schwieriger ins richtige Temperaturfenster zu bekommen“, erläuterte der Teamberater. Ferrari fahre dagegen aus der Garage und sei bei allen Temperaturen sofort schnell. „In den ersten beiden Rennen waren wir mit Ferrari auf Augenhöhe, in Australien in den Trainings auch. Im Rennen sind wir dann durch nicht-optimale Setup-Änderungen und durch den Temperaturanstieg am Sonntag aus dem richtigen Temperaturfenster gefallen, hatten früh Graining und waren gegen Leclerc letztlich chancenlos“, resümierte Marko das Red-Bull-Desaster Down Under. Die Strecke in Melbourne sei aber ein „atypischer Straßenkurs“ und daher nicht repräsentativ für das Kräfteverhältnis.
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"Müssen an der Zuverlässigkeit arbeiten"
Verstappen war Leclerc beim Australien-GP erst hoffnungslos hinterher gefahren, ehe der 24-Jährige mit Qualm im Heck ausrollte – seine zweite Nullnummer im dritten Rennen. Grund für das Aus sei eine geborstene Titanleitung gewesen, durch die Benzin auslief, erklärte Marko. „Ein kleiner Haarriss genügt bei diesen Hochdruckleitungen schon.“ Der Defekt sei zum ersten Mal aufgetreten, die Ursache kenne man „im Detail noch nicht“. Womöglich habe das Bouncing auf den Geraden eine Rolle gespielt.
„Wir müssen an der Zuverlässigkeit arbeiten“, mahnte Marko. Die drei Ausfälle von Verstappen und Sergio Perez seien „nicht akzeptabel“. Der Österreicher nahm seine Mannschaft aber auch in Schutz. Red Bull habe in der Vorsaison im WM-Kampf gegen Mercedes „bis zum letzten Rennen“ entwickeln müssen. Das Auto für 2022 sei dadurch sehr spät fertig geworden. Womöglich ein Grund für die Zuverlässigkeitsprobleme, so Marko.
Stichwort Mercedes: Die Silberpfeile hat der 78-Jährige trotz Schwächephase noch nicht abgeschrieben. Dass Mercedes mit einem Auto, „das sicher nicht unter den drei schnellsten ist, in der Tabelle vor uns ist zeigt, wie solide dieses Paket ist. Irgendwann wird sich der Knoten dort lösen, die Aerodynamik wird funktionieren“, prophezeite Marko. „Derzeit sind sie in der Qualifikation eine, im Rennen eine halbe Sekunde zurück und kein direkter Gegner für uns. Aber das kann sich relativ rasch ändern. In der WM werden sie sicher noch ein Wörtchen mitreden.“