Regelhüter verhunzen Verstappens Titel-Moment

Einer Weltmeisterschaft unwürdig

Ein Hochrisiko-Überholmanöver und totale Dominanz im Regen: Max Verstappen liefert in Japan bei seiner Krönung zum zweimaligen Formel-1-Weltmeister mal wieder großen Sport. Ganz im Gegenteil zu den Regelhütern der Motorsport-Königsklasse. Denn was die Paragraphen-Dreher des Automobil-Weltverbandes FIA in Suzuka anstellten – dafür fehlen einem eigentlich die Worte.

Leclerc verschafft sich Nachteil - und wird bestraft

Charles Leclerc ist höflich. Manchmal vielleicht zu höflich. „Schon richtig“ sei die 5-Sekunden-Strafe der Rennleitung gegen ihn gewesen, sagte der Ferrari-Pilot auf der PK nach dem turbulenten Japan-GP. Vielleicht wollte Leclerc Verstappens WM-Feier nicht stören. Vielleicht kümmerte es ihn auch einfach einen Cazzo.

Der Monegasse hatte sich kurz vor der Zielflagge in der letzten Schikane verbremst, war geradeaus gefahren und so mit Ach und Krach vor dem heranrauschenden Sergio Perez im Red Bull geblieben. Die Strecke verlassen und sich einen Vorteil verschafft, urteilten die Rennkommissare und stuften Leclerc auf Rang 3 zurück.

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Kein "fairer Prozess" für Leclerc - Binotto sauer

Ferrari-Teamchef Mattia Binotto wurde deutlich: "Charles hatte keinen Vorteil dadurch, dass er die Schikane abgekürzt hat", befand der Italiener. Mit Recht. Durch das Zurückkehren auf die Strecke verlor Leclerc in der Tat an Schwung, hatte bei der Anfahrt auf die Zielgerade also einen Nachteil. Hätte er die Schikane getroffen – es wäre gar nichts passiert mit Perez.

Was Binotto aber noch mehr auf die Palme brachte, war das schnelle Handeln der FIA. Noch während die Siegerinterviews liefen, flatterte die Strafe in den Parc fermé. Vor einer Woche in Singapur hatten die Stewards noch drei Stunden gebraucht, um zwei (sichtbare) Verstöße von Red-Bull-Mann Perez gegen das Safety-Car-Protokoll zu ahnden. Der Mexikaner wurde damals vorgeladen, durfte seinen Sieg letztlich behalten. Leclerc hatte dieses Recht auf einen „fairen Prozess“ in Suzuka nicht.

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Maximale Verwirrung wegen Punktevergabe

Überhaupt drängte sich der Eindruck auf, als habe Leclerc die Strafe nur im Sinne der „F1-Regie“ kassiert, um Verstappen und Red-Bull beim Heimspiel des (de-facto-)Motorenpartners Honda auf die WM-Throne (die Bullen stehen auch als Konstrukteurs-Weltmeister fest) zu heben. Denn: Bei einem zweiten Platz Leclercs hätte Verstappen frühestens in Austin seinen zweiten Titel eintüten können.

Das war aber noch nicht alles aus dem Kasperle-Kabinett der FIA. Auch die Punkteverteilung für den Chaos-GP peilte in Japan keiner. Eigentlich, so dachten nach Zieldurchfahrt alle, hätte Verstappen für den Sieg nicht die volle Punktezahl von 25, sondern anteilig nur 19 Zähler bekommen müssen, da nur etwas mehr als die Hälfte der Renndistanz von 53 Runden absolviert war. In diesem Fall hätte Verstappen auch bei einem dritten Platz Leclercs (12 Punkte) ein Pünktchen zur WM gefehlt.

Die Regelhüter beriefen sich dann aber auf Artikel 6.5 des sportlichen Regelwerks. Weil das Rennen nach der Roten Flagge wiederaufgenommen und regulär beendet worden sei, gelte die Sache mit den reduzierten Punkten gar nicht. Diese Interpretation kannte außer den Herren der Paragraphen offenbar niemand. Auch Red Bull und Verstappen wussten nicht, ob sie den Titel nun schon feiern oder nicht feiern durften. Maximale Verwirrung.

Unumstrittener Titel, umstrittene Regelhüter

Zur Erklärung: Mit der in Suzuka angewandten Regel hätten Verstappen auch mickrige zwei Runden gereicht, um die vollen Punkte zu kassieren. Die absolvierte Distanz? Völlig irrelevant! Wird ein Grand Prix stattdessen mit Rot abgebrochen, gibt es laut Reglement die volle Punktzahl erst, wenn 75 Prozent der Renndistanz gefahren sind. Logik? Fehlanzeige!

Und wieder drängt sich der Eindruck einer Regie-Anweisung auf - als habe die FIA Verstappen unbedingt in Japan zum Weltmeister machen wollen. Durch ihre desaströse Kommunikation (mit den Teams wie den Journalisten und Zuschauern) sowie der peinlich-unverständlichen Regelauslegung saugte die Rennleitung am Ende allerdings jegliche Emotion aus dem WM-Moment. Ein Desaster.

Sportlich ist Max Verstappens zweiter Formel-1-Titel im Gegensatz zum Vorjahr völlig unumstritten. Der Red-Bull-Pilot hat diese Saison dominiert wie in den vergangenen 20 Jahren nur Michael Schumacher, Sebastian Vettel und Lewis Hamilton. Und doch bleibt nach dem Japan-GP ein „Gschmäckle“ im Regendunst Suzukas hängen. Schade.