Nach Ferrari-Bestzeit im Training
Endlich Heimvorteil? Leclerc in Monaco plötzlich Geheimfavorit

Nur einer hat beim Monaco-GP ein echtes Formel-1-Heimspiel: Der Monegasse Charles Leclerc. Bislang hatte er eine schwierige Beziehung zu „seiner“ Rennstrecke - doch an diesem Wochenende könnte Ferrari im Fürstentum zur großen Überraschung werden.
Leclerc in Monaco bisher noch nicht mal in Q3
Charles Leclerc kennt sich aus in Monaco. Nicht bloß die Rennstrecke ist ihm vertraut, Leclerc kennt dieses Straßengewirr auch nackt, ohne Leitplanken also, wenn Autos, Lastwagen, Radfahrer und Fußgänger sich durch die Häuserschluchten quetschen. Als kleiner Junge schlenderte er gemütlich durch seine Heimatstadt, als Jugendlicher schwamm er im weltberühmten Swimming-Pool an der Hafenschikane.
"Ich bin hier geboren und aufgewachsen, ich liebe diese Strecke", sagt Leclerc, und eigentlich könnte es eine romantische Geschichte über den Hochtalentierten und sein Heimspiel sein - "aber leider ist es bisher nicht gut gelaufen für mich. Ich hatte schwere Zeiten hier."
Denn Leclerc hat in Monaco noch nie die Zielflagge gesehen, weder in der Formel 2 noch in der Formel 1. Auch ins entscheidende Q3 des Qualifyings schaffte er es noch nie: "Du musst hier immer auf den Punkt da sein, sonst bezahlst du sofort den Preis dafür."
Ferraris Monaco-Speed "unverfälscht"
Doch vielleicht ändert sich an diesem Wochenende alles. Völlig überraschend raste der 23-Jährige am Donnerstag zur Bestzeit im 2. Freien Training, obwohl der Ferrari auch in diesem Jahr nicht zu den Siegerautos zählt. Das Trainingsergebnis darf nicht überbewertet werden, doch zumindest scheint es kein Zufall zu sein: Zweitschnellster war sein Teamkollege Carlos Sainz, erst mit recht deutlichem Abstand folgten die echten Favoriten. Weltmeister Lewis Hamilton im Mercedes vor Herausforderer Max Verstappen im Red Bull.
Das Fahrerlager schaute daher genau hin - und war sich beinahe einig, dass der Kreis der Sieganwärter für das Rennen am Sonntag (15 Uhr im RTL-Live-Ticker) erweitert werden muss. "Ferrari ist hier sehr stark", sagte Hamilton, "das hat mich überrascht. Aber das ist toll, es bedeutet mehr Wettbewerb." Andrew Shovlin, Chef-Ingenieur bei Mercedes, hat sich die Daten genauer angeschaut und kommt zu einem Schluss: "Man sieht, dass ihre Geschwindigkeit unverfälscht ist. Sie könnten hier ein echter Mitfavorit sein."
Leclerc tritt Euphoriebremse
Denn Ferrari war auch auf "normalen" Rennstrecken im Qualifying zuletzt schon recht nah dran an der Spitze, der Einbruch folgte meist erst im Rennen. Möglicherweise liegt die einzigartige Charakteristik des Stadtkurses der Scuderia nun so gut, dass es im Qualifying am Samstag (15 Uhr im RTL-Live-Ticker) für die erste Startreihe reicht. Und wer auf dem engen Kurs in Monaco vorne startet, der hat beste Chancen, auch vorne anzukommen - selbst wenn die Konkurrenz dahinter schneller ist.
"Wir sollten nicht zu euphorisch sein", sagt Leclerc, "unsere Konkurrenten haben sicher noch etwas in der Hinterhand." Aber ein bisschen träumen ist erlaubt: "Zuhause zu gewinnen, wäre unglaublich. Meine Familie, meine Freunde, meine Lehrer von früher sind hier. Ich würde es genießen." (sid/mar)