Wie Red Bull in Frankreich triumphierte

Die Schlüssel zum Verstappen-Sieg

LE CASTELLET, FRANCE - JUNE 20: Race winner Max Verstappen of Netherlands and Red Bull Racing celebrates on the podium during the F1 Grand Prix of France at Circuit Paul Ricard on June 20, 2021 in Le Castellet, France. (Photo by Mark Thompson/Getty Images)
Max Verstappen und sein Siegerlächeln.
AJB / AJB, Getty Images, Bongarts

Von Emmanuel Schneider
Von wegen Frankreich ist eine Mercedes-Strecke. Formel-1-Herausforderer Max Verstappen versetzt den Silberpfeilen und Weltmeister Lewis Hamilton den nächsten schweren WM-Schlag in die Magengrube. Der Niederländer schnappt sich in Le Castellet den dritten Saisonsieg und baut seine Führung auf zwölf Punkte aus – dank Können, neuer Gelassenheit und genialer Taktik.

Probier's mal mit Gelassenheit, mit Ruhe und Gelassenheit ...

LE CASTELLET, FRANCE - JUNE 20: Race winner Max Verstappen of Netherlands and Red Bull Racing celebrates in parc ferme during the F1 Grand Prix of France at Circuit Paul Ricard on June 20, 2021 in Le Castellet, France. (Photo by Nicolas Tucat - Pool/Getty Images)
Verstappen feiert den dritten Saisonsieg auf seinem RB16B.
LB / AJB, Getty Images, Bongarts

Dass der Red-Bull-Pilot nach dem Rennen oben auf dem Podium stehen würde, das schien nach dem Start schon wieder fraglich. In der zweiten Kurve verlor der 23-Jährige kurz die Kontrolle über das Heck und seinen Wagen, musste einen Umweg durch die Auslaufzone nehmen und die Führungsposition an Hamilton abgeben. „Er wurde etwas vom Wind erwischt“, erklärte RB-Teamchef Christian Horner.

Und Verstappen? Der blieb abgeklärt und konzentriert. Kein großes Fluchen, kein Overpacen und vor allem: keine Fehler: Wir erinnern uns: Schon mehrmals in der Saison kosteten Verstappen (siehe Bahrain oder Portimao) minimale Fehler Punkte.

Der Red-Bull-Pilot behielt in Frankreich die Nerven, auch als der Rückstand auf mehr als zwei Sekunden anschwoll. Der Niederländer wirkt gerade in diesen Zeiten deutlich abgeklärter als früher, vorbei die Zeiten als wilder Überflieger, der auch mal den Abflug macht.

Die sensationelle In und Out Lap beim ersten Stopp

Die vielleicht entscheidenden Szenen ereigneten sich zwischen der 18. und 19. Runde und legten den Grundstein für den erfolgreichen Undercut der Roten Bullen. Auf seiner In Lap, also der Runde hin zum Boxenstopp, fegte Verstappen in Fabel-Pace über den Paul-Ricard-Kurs und nahm Hamilton ganze zwei Sekunden auf dessen In Lap im folgenden Umlauf ab.

Die Belohnung: Als Hamilton nach seinem Stopp kurz darauf aus der Boxengasse Richtung Strecke bog, donnerte Verstappen hauchdünn an ihm vorbei, denn auch die Oranje-Pace auf der Out Lap war „phänomenal“, wie es Team-Boss Horner beschrieb.

Führung zurückgeholt. Mercedes rätselte am Funk: „Wir wissen nicht, wie das passieren konnte.“ Fast schon ungläubig war man auch am Boxenstand nebenan. "Wir hätten vor dem Rennen nicht gedacht, dass der Undercut so mächtig sein würde", frohlockte Horner. Statt freier Fahrt und „clean air“ für Hamilton fuhr dieser nun dem Konkurrenten hinterher und blickte in dessen Bremslichter.

Eine wichtige Rolle spielte auch Teamkollege Sergio Perez, denn nach den Stopps der beiden Top-Fahrer lag der Mexikaner in Führung. Das erschwerte einen vorzeitigen zweiten Stopp von Hamilton immens.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Hier zieht Verstappen an Hamilton vorbei

Die goldrichtige Strategie gefunden

Verstappen knapp vor Hamilton: Eine Konstellation, die an den Großen Preis von Spanien im Mai erinnerte. Damals kassierte Red Bull eine schallende Strategie-Schelle von Mercedes. Auch in Barcelona hatte Verstappen zur Mitte des Rennens vor seinem Widersacher gelegen. Teamchef Toto Wolff und Co. überraschten die „Bullen“ mit einem unerwarteten zweiten Stopp. Als Verstappen diesen nicht sofort „coverte“, war er in der Ein-Stopp-Strategie gefangen, wurde kurz vor GP-Ende von Hamilton geschluckt.

Bei Red Bull hatten sie genau hingeguckt und ihre Schlüsse gezogen. Noch einmal sollte das nicht passieren. Während des Rennens fiel dann die Entscheidung am Kommandostand: Wir gehen in Le Castellet auf den zweiten Stopp für ein frisches Reifen-Set. Wie sich herausstellte: die goldrichtige Strategie.

Verstappen beißt zu

LE CASTELLET, FRANCE - JUNE 20: Max Verstappen of the Netherlands driving the (33) Red Bull Racing RB16B Honda makes a pitstop during the F1 Grand Prix of France at Circuit Paul Ricard on June 20, 2021 in Le Castellet, France. (Photo by Mark Thompson/Getty Images)
Red Bulls Undercut ging voll auf.
AJB / AJB, Getty Images, Bongarts

Während also Verstappen in Runde 32 neue Medium-Reifen aufzog, rockten Hamilton und Valtteri Bottas ihre Reifen, die ohnehin schon gelitten hatten, weiter runter. Verstappen fiel zunächst auf Rang vier zurück und musste 20 Sekunden gutmachen.

Die Mission Aufholjagd begann und die Red-Bull-Rechnung ging auch deswegen auf, weil die „Bullen“ das Wochenende über die beste Pace hatten: Mit den Medium-Pneus schnappte sich der Niederländer erst Teamkollege Sergio Perez, dann nach einem Fehler von Bottas in Runde 44 auch den Finnen. Der Mercedes-Pilot vergeigte die Schikane, kam auf die schmutzige Linie, leichtes Spiel für Verstappen. Der Weg zur Führung war geebnet.

Nur noch wenige Sekunden fehlten zu Hamilton, der mit abbauenden Reifen ächzte. Der Red-Bull-Mann legte sich Hamilton zurecht und saugte sich heran. In Runde 52 war es soweit: Vor der Schikane bremste er sich am Weltmeister vorbei – die Entscheidung und die Kirsche auf die Strategie-Sahnetorte von Red Bull an diesem Sonntag. Eine wahre Meisterleistung. Vielleicht ja eine Weltmeister-Leistung.