Forscher wagen Experiment im Klassenraum
Kann eine vorgegebene Sitzordnung die Schulnoten verbessern?

Schon Kinder befreunden sich gerne mit Kindern, die gleiche Interessen und Vorlieben haben –gleich und gleich gesellt sich eben gerne. Auch Herkunft und Milieu spielen dabei eine große Rolle. Lehrer können aber Freundschaften zwischen bestimmten Schülerinnen und Schülern bewusst fördern, indem sie die Kinder nebeneinandersetzen. Das ist jedenfalls das Ergebnis einer Studie unter Beteiligung der Universität Leipzig, die in der Fachzeitschrift "Plos One" veröffentlicht wurde. Können durch eine bestimmte Sitzordnung dann auch die Noten von schwächeren Schülern verbessert werden?
Feldstudie mit rund 3.000 Schülern der 3. bis 8. Klassen
Kommt Ruhe in die Klasse, wenn der lärmende Block rechts in der Mitte der Klasse durch eine neue, vom Lehrer bestimmte Sitzordnung aufgelöst wird? Werden die Noten eines bestimmten Schülers besser, wenn er neben einem Schüler mit starken Noten sitzt? Werden Vorurteile durch eine bewusst herbeigeführte Tischnachbarschaft abgebaut? Das alles wollten Forscher aus Deutschland, den USA und Ungarn herausfinden.
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Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Leipzig, der University of Wisconsin-Madison (USA) und des Center for Social Sciences in Budapest haben dafür eine Feldstudie mit rund 3.000 Schülern der 3. bis 8. Klassen in Ungarn durchgeführt. Die Kinder und Jugendlichen wurden ein halbes Jahr lang in einer zufällig ausgewählten Ordnung nebeneinander platziert. Am Ende des Halbjahres gaben sie an, wer ihre besten Freundinnen oder Freunde sind.
Ergebnis macht Mut für das Modell
Das Ergebnis: Tatsächlich freundeten sich Schülerinnen und Schüler häufiger miteinander an, wenn sie nebeneinander saßen. Die Wahrscheinlichkeit stieg von 15 auf 22 Prozent. Das galt auch für Schüler, die eher unterschiedlich waren - wenn auch seltener.
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Saßen etwa Mädchen und Jungen nebeneinander, verdoppelte sich die Wahrscheinlichkeit einer Freundschaft, allerdings auf sehr niedrigem Niveau von zwei auf knapp vier Prozent. Größer war der Effekt bei Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Schulnoten. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich anfreundeten, stieg bei einer festgelegten Sitzordnung um sechs Prozentpunkte auf 17 Prozent.
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Bessere Schulnoten bei den Lernschwächeren?
Erstautorin Julia Rohrer von der Uni Leipzig wertet vor allem diese Intervention bei Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Schulleistungen als Erfolg. Allerdings: Aktuell lässt sich noch nicht sagen, ob das auch zu besseren Schulnoten bei den Lernschwächeren führte. „Das wollen meine Kollegen anhand der Daten noch erforschen“, sagt Rohrer. Sie hofft allerdings, dass vielfältige Freundschaften gerade Kinder mit Lernschwierigkeiten helfen können oder zum Abbau von Vorurteilen führen – etwa gegenüber dem anderen Geschlecht.
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Die Studie sei dennoch ermutigend: „Lehrer können in Schulklassen auf simple Art und Weise eingreifen und so ein diverseres Freundschaftsnetzwerk schaffen, von dem gerade benachteiligte Schüler profitieren könnten.“
Chef des Lehrerverbands plädiert für regelmäßiges Rotieren
Doch wie realistisch ist es, Klassen nach bestimmten Kriterien umzusetzen? Heinz-Peter Meidinger, Chef des Lehrerverbands, hat seine Zweifel. „In deutschen Klassenzimmern herrscht ein großer Freiheitsbetrieb“, sagt der Gymnasiallehrer. Die Schüler seien es gewohnt, dass sie ihre Sitzplätze weitgehend selbst aussuchen könnten. „Wenn ein Lehrer die Ordnung komplett selbst aufgrund sozialer Kriterien bestimmen würde, gäbe es einen Aufstand.“
Meidinger plädiert aber für regelmäßiges Rotieren, sonst gebe es immer „Gewinner und Verlierer“. So hätten die Schüler Chancen, sich gegenseitig kennenzulernen und ein besseres Gruppengefühl zu entwickeln. Auch Außenseiter-Positionen würden seltener.
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Es gibt Schüler, die wirken wie die absoluten Überflieger. Gute Noten prasseln scheinbar einfach nur so auf sie ein, Lehrer überschütten sie mit Lob und sie halten Referate wie ein Showmaster. Beneidenswert! Aber sind diese Schüler einfach super schlau oder machen sie vielleicht nur ein paar Dinge anders? (dpa/ija)