"Er konnte zuckersüß sein, um im nächsten Moment zuzuschlagen"

"Mit dem Rücken zur Wand"

Sara ist alleinerziehende Mutter zweier Kleinkinder - und landet vor Gericht. Die Anklage gegen sie lautet: versuchter Mord an ihrem Vater. In ihrem neuen Roman nach einer wahren Geschichte erzählt Hera Lind (64) Saras Geschichte, die es als Erwachsene wieder mit ihrem gewalttätigen Vater zu tun bekommt. "Ich habe mich intensiv mit Sara und ihrer Geschichte beschäftigt. Anfangs habe ich sie abgelehnt. Wie kann man Gewalt mit Gewalt beantworten?", erklärt die Schriftstellerin im Interview mit spot on news. Dann habe sie aber etwas begriffen...

Hera Lind: Sara ist kein Opfertyp. Sie ist eine taffe, starke, selbstbewusste Frau. Dass sie dennoch keine andere Möglichkeit gesehen hat, als mit Gegenwehr zu handeln und schließlich selbst als Angeklagte vor Gericht stand, und das als alleinerziehende Mutter zweier Kleinkinder, das hat mich schockiert und bewegt. Und wie sie dann vor Gericht ihre Geschichte erzählt hat, das hat mir die Tränen in die Augen getrieben.

Hera Lind: Ich habe mich intensiv mit Sara und ihrer Geschichte beschäftigt. Anfangs habe ich sie abgelehnt. Wie kann man Gewalt mit Gewalt beantworten? Bis ich begriff: Sie hatte wirklich keine Chance, jemals Hilfe zu bekommen! Da wusste ich, ich möchte Opfern häuslicher Gewalt eine Stimme geben. Das ist sogar meine Verantwortung und Pflicht.

Hera Lind: Ja, nämlich, dass alle davon wussten, wie Sara und schon davor ihre Mutter von ihrem Vater misshandelt wurden, und dass niemand, weder Freunde noch Nachbarn noch die Behörden oder die Polizei eingeschritten sind. Sara wusste sich nicht anders zu helfen, schon zum Schutz ihrer eigenen kleinen Kinder, als selbst jemanden anzuheuern. Da stimmt doch etwas nicht mit dem System!

Hera Lind: Ich habe lange mit der Freundin des Vaters telefoniert. Auch bei ihr hatte ich anfangs eine innere Ablehnung: Wie kann eine gestandene Frau sich das gefallen lassen? Aber dann schilderte sie mir, wie narzisstisch und gespalten seine Persönlichkeit war. Er konnte zuckersüß und großzügig sein, liebenswert und lustig, um im nächsten Moment aus heiterem Himmel zuzuschlagen.

Hera Lind: Es kann nicht angehen, dass "erst wirklich etwas passieren muss", bevor die Behörden, die Polizei und auch das private Umfeld reagieren. Schaut hin, hört zu, nehmt Schwingungen wahr, die Hilferufe der Opfer sind oft ganz verdeckt, aus Angst, der Täter könnte ihnen aus Rache erst recht etwas antun.

Hera Lind: Wenn ich an einer Geschichte arbeite, tauche ich voll und ganz in das Thema ein, oft über Wochen und Monate. Ich krieche förmlich in die Protagonistin hinein und schreibe auch immer in der Ich-Form. Ich spüre ihre Emotionen selbst auch seelisch und körperlich, sonst könnte ich nicht so authentisch und glaubhaft schreiben.

Hera Lind: Durch seine 40-jährige Tätigkeit als Hotelmanager besitzt er unglaubliche Menschenkenntnis. Er hört sich immer geduldig meine Geschichten an; es werden mir ja täglich mehrere Stoffe zugesendet mit der Bitte, daraus einen Tatsachenroman zu machen. Und er spürt ganz genau, welche Geschichte das Zeug zum Bestseller hat. Ich höre auf ihn. Er ist mein Mentor. Oft haut er sogar spontan den Titel raus, und der ist es dann!

Hera Lind: Dass die Menschen wieder zusammenrücken können und dürfen, dass persönlicher Austausch, Herzlichkeit und Nähe wieder möglich sein werden.

Hera Lind: Wie immer mit der ganzen Familie! Dabei ist uns die gemeinsame Zeit kostbar, Geschenke sind nicht so wichtig. Für die Kleinen gibt es natürlich schon Geschenke, aber wir Erwachsenen schenken einander tiefe Gespräche, Lachen, Zuhören und Wertschätzung.

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