Reynhard Sinaga missbrauchte fast 200 Männer
Serienvergewaltigung in England: Viele erfuhren erst von der Polizei, dass sie Opfer wurden
Er gilt als der schlimmste Serienvergewaltiger in der Geschichte Großbritanniens: Reynhard Sinaga hat fast 200 Männer in Nachtclubs oder auf der Straße angesprochen, unter Drogen gesetzt und vergewaltigt. Dutzende Opfer konnten sich nach den Übergriffen nicht daran erinnern – und mussten erst von der Polizei erfahren, was ihnen angetan wurde. RTL hat mit der Frau gesprochen, die fast 100 Männern von ihrer Vergewaltigung erzählen musste. Warum die Aufarbeitung der Taten für die Opfer deshalb so schwierig ist und wie sie die Männer erlebt hat, erklärt sie im Video.

200-facher Vergewaltiger wurde nur durch einen Zufall überführt
Fast 200 Vergewaltigungen auf Video, aber keine Namen oder Hinweise auf die Identitäten der Opfer: Die Polizei stand bei der Aufarbeitung der Serien-Übergriffe vor einer Mammut-Aufgabe. Weil sich fast keins der Opfer an die Taten erinnern konnte, erfuhren die Behörden nur durch einen Zufall davon: Ein einziger junger Mann brachte die Ermittlungen ins Rollen – weil er nach der Tat zufällig das Handy des Täters mitnahm statt sein eigenes.
Sinaga mischte Männern K.O.-Tropfen ins Getränk
Im Interview mit „Good Morning Britain“ schildert der junge Mann die Ereignisse aus der Nacht, die die Polizei erst auf die Spur des Serienvergewaltigers bringen. „Ich war mit vier Freunden in einem Club feiern. Im Verlauf des Abends habe ich sie dann nach und nach verloren. Ich ging aus dem Club raus, um sie anzurufen, als mich plötzlich ein anderer Typ ansprach und anbot, zum Aufwärmen in seine Wohnung zu kommen“, erzählt der Mann, der im Interview unerkannt bleiben möchte. Er habe sich nichts bei dem Angebot gedacht, meint er. „Ich dachte einfach, er ist ein anderer Student, der sich um mich kümmern möchte.“ Zu diesem Zeitpunkt ahnt der damals erst 18-jährige Student noch nicht, dass er in die Fänge des Serienvergewaltigers geraten ist.

Opfer von Sinaga greift sich Handy des Täters
In der Wohnung angekommen, bietet Sinaga ihm zwei Shots an. „Der erste war in Ordnung. Nach dem zweiten wurde mir plötzlich schwindelig“, erzählt der Student im Gespräch mit der Fernsehsendung. Um sechs Uhr morgens wacht er plötzlich auf. „Zu diesem Zeitpunkt war Sinaga quasi auf mir“, erzählt er. Der 18-Jährige fängt an, auf seinen Peiniger einzuschlagen, kann kurz darauf fliehen. Doch statt seines eigenen Handys greift er sich in der Eile das von Reynhard Sinaga – und was er darauf sieht, überführt schlussendlich einen der schlimmsten Verbrecher, die es in Großbritannien je gab.
Nicht alle Opfer von Sinaga können identifiziert werden
Die Polizei findet auf Sinagas Handy Hunderte Videos von Übergriffen und Vergewaltigungen an fast 200 Männern. Nachweisen kann ihm die Polizei allerdings nur 159 Vergewaltigungen – viele der Männer auf den Videos lassen sich einfach nicht identifizieren. Und da sie sich wahrscheinlich nicht einmal an die Tat erinnern, können sie auch nicht selbst zur Polizei gehen.
Viele Opfer können sich nicht an Tat erinnern
Die Männer, die die Polizei identifizieren kann, reagieren sehr unterschiedlich auf die schrecklichen Nachrichten. „Manche haben sehr wütend reagiert, waren sehr aggressiv. Andere konnten es gar nicht fassen, was ihnen da passiert ist und waren sehr emotionslos, als wir es ihnen erzählt haben“, erklärt Lisa Waters vom „St. Marys Sexual Assault Referral Center“, die sich seit 30 Jahren um Opfer von sexueller Gewalt kümmert.
„Opfern von sexueller Gewalt wird bei solchen Übergriffen die Kontrolle über ihren Körper genommen. Wenn sie sich entscheiden, den Übergriff bei der Polizei anzuzeigen, gewinnen sie ein Stück dieser Kontrolle über das Geschehen zurück. In diesem Fall musste die Polizei aber auf die Opfer zugehen und erzählen, was ihnen zugestoßen ist. Das hat ein Trauma ausgelöst, weil sie es von anderen hören mussten, anstatt selbst die Kontrolle zurückzuerlangen“, erklärt sie. Darum sei es für einige besonders schwer, das Geschehene zu verarbeiten.

Sinaga wird mindestens 40 Jahre im Gefängnis sitzen
Im Februar 2020 wird Sinaga nach insgesamt vier Prozessen zu einer Haftstrafe von mindestens 30 Jahren verurteilt. Knapp ein Jahr später wurde diese Strafe noch einmal angehoben – auf mindestens 40 Jahre. Während der Prozesse offenbart sich, dass Sinaga immer wieder dieselbe Masche einsetzte. Er sprach bereits betrunkene Männer an und bat ihnen einen Schlafplatz oder Getränke in seiner Wohnung an – nur um ihnen dann K.O.-Tropfen zu verabreichen und sie ohne deren Wissen zu vergewaltigen. „Er hat mein Leben zerstört“, sagt eines der Opfer nach dem Prozess. Ein anderer Mann erzählt, dass er an manchen Tagen nicht mehr aufstehen kann, weil ihn die Tat so belastet.

Opfer: "Es ist nicht unsere Schuld, es ist seine“
Der junge Mann, der Sinaga hat auffliegen lassen, sagt, dass er froh ist, dass der Vergewaltiger keine weiteren Taten begehen kann. Er wünscht sich, dass generell mehr Vergewaltigungsopfer zur Polizei gehen und ihre Peiniger zur Rechenschaft ziehen. „Wir müssen es rauslassen und erkennen, dass das nichts Schandhaftes ist. Es ist nicht unsere Schuld, es ist seine.“