Ad-hoc-Stichprobe nach Vorwürfen von niedersächsischem Impfzentren-Leiter

Ist die Impfkampagne in Gefahr, weil Spritzen fehlen?

Der Leiter zweier Impfzentren in Niedersachsen beklagt, dass nicht nur Impfstoff fehle, sondern auch spezielle Spritzen, mit denen man aus einer Biontech-Ampulle sieben Dosen statt der üblichen sechs gewinnen kann. Mit den Feindosierungsspritzen könnte man also mehr Menschen mit dem vorhandenen Impfstoff impfen als mit herkömmlichen Spritzen. Im Interview mit Nachtjournal-Moderatorin Ilka Eßmüller erklärt der Betreiber Dr. Jörn Jepsen, dass er zurzeit keine Chance habe, an diese feinen Spritzen heranzukommen: „Sie werden nicht vom Land geliefert, sie werden nicht vom Bund geliefert. Sie sind ausverkauft.“ Kommt nach dem Impfstoffmangel jetzt der Spritzen-Engpass, mit dem die Impfkampagne ins Wanken gerät? Hier die Ergebnisse einer Ad-hoc-Stichprobe.
Im Video: Jörn Jepsen im Interview mit RTL-Nachtjournalmoderatorin Ilka Eßmüller. Zuvor hatte der „Spiegel“ über Jepsens Kritik berichtet.

Kanülen sind eine Mangelressource

RTL fragt strichprobenartig bei Impfzentren in NRW, Bayern, Berlin und Sachsen nach: Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in Sachsen, das die 13 Impfzentren im Freistaat betreibt, bestätigt, Lieferverzögerungen von mehreren 100.000 Spritzen. „Kanülen sind eine Mangelressource“, sagt ein Sprecher. Der Ablauf der Impfungen sei aber nicht gefährdet. Man habe einen „Puffer“ angelegt. Auch andere Impfzentren berichten von angespannten Kapazitäten beim Impfmaterial. Allerdings lässt sich damit offenbar gut kalkulieren: keines der abgefragten Zentren berichtet von einem akuten Engpass.

Im Video: Der Kölner Impfarzt Dr. Jürgen Zastrow erklärt, wieso man mit den Feindosierungsspritzen mehr Menschen impfen kann, als mit herkömmlichen Spritzen.

Hersteller: Verteilungsprobleme, keine Mengenprobleme

Die Hersteller betonen, es gäbe aktuell keine Produktionsengpässe. Die Spritzenproduktion laufe auf Hochtouren und wenn die internationalen Lieferketten stabil blieben und die Verteilung durch die Länder intelligent gesteuert werde, werde es auch künftig nicht zu Engpässen kommen. „Bei einzeln auftretenden Engpässen handelt es sich aktuell also nicht um Mengen-, sondern um Verteilungsprobleme“, sagt Manfred Beeres, Sprecher des Bundesverbands Medizintechnologie e.V. (BVMed).

Das Hauptproblem der Impfkampagne seien nicht die lokal fehlenden Feindosierungsspritzen, sondern der fehlende Impfstoff, sagt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach im RTL-Interview: „Es trägt ein bisschen dazu bei, dass wir nicht so schnell impfen können, wie wir wollen, aber der mit großem Abstand dominierende Grund ist der, dass wir nicht genug Impfstoff haben: Die Europäische Union hat Impfstoff eingekauft, hat aber zu wenig dafür getan, dass mehr Impfstoff frühzeitig produziert wird.“ (nla)