Ungewollte "Battle of Britain" im Check

Fury vs. Chsiora III: Fortsetzung programmiert

29.11.2022, Großbritannien, London: Boxen: Weltmeisterschaft, Schwergewicht, WBC, Fury (Großbritannien) - Chisora (Großbritannien). Tyson Fury (r), WBC-Schwergewichtsweltmeister aus Großbritannien, steht vor seinem Herausforderer Derek Chisora aus Großbritannien vor einem Training in den BT Sport-Studios im QEII Olympic Park. Fury wird am 3. Dezember 2022 im Stadion von Tottenham Hotspur gegen Chisora kämpfen, um seinen WBC-Titel im Schwergewicht zu verteidigen. Foto: Ian Walton/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Derek Chisora versucht sich am Samstag zum dritten Mal gegen Tyson Fury - dieses Mal geht es um die WBC-WM.
AG sbr pat, dpa, Ian Walton
von Martin Armbruster

Nachdem der heiß ersehnte Briten-Blockbuster zwischen Tyson Fury und Anthony Joshua geplatzt ist, kommt es am Samstag zu einer „Battle of Britain“, auf die eigentlich keiner gewartet hat. Fury verteidigt seinen WBC-Titel im Schwergewicht in London gegen Derek Chisora, den er in seiner Karriere schon zweimal deutlich geschlagen hat. Wiederholt sich die Geschichte? Ein Vier-Punkte-Check.

Tyson Fury und Derek Chisora zum Dritten - aber warum nur?

Im Boxen gibt es eigentlich für alles irgendeine Rangliste, ein Ranking, eine Top Ten. Nicht umsonst haben Bert Sugar (Schreiberlegende mit Hut und Zigarre, gestorben 2012) und Teddy Atlas (Trainerlegende) ein Buch mit dem Titel „The Ultimate Book of Boxing Lists“ herausgebracht. Gäbe es in diesem die Kategorie „die unnötigsten Box-Trilogien“, das dritte Duell zwischen Tyson Fury und Derek Chisora wäre ein heißer Anwärter auf Platz 1.

Lese-Tipp: Battle of Britain zwischen Fury und Joshua geplatzt

Dabei ist die Schwergewichts-Geschichte reich an legendären Dreiteilern: Ali gegen Frazier, Ali gegen Norton, Patterson gegen Johansson, Bowe gegen Holyfield – ganz großes Box-Kino. Auch Fury selbst hat in seiner Karriere eine Faustkampf-Serie vorzuweisen, die nach Ansicht vieler Beobachter das Prädikat „wertvoll“ verdient: die Kämpfe gegen seinen Erzrivalen Deontay Wilder 2018, 2020 und 2021.

Das dritte Ring-Duett des „Gypsy Kings“ mit Chisora wird diese Auszeichnung nach dem 3. Dezember mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erhalten. Zu eindeutig hat Fury die ersten beiden Kämpfe gegen Chisora 2011 und 2014 gewonnen. Zu stark, zu groß, zu gut ist der Weltmeister auf dem Papier auch jetzt für seinen mittlerweile 38-jährigen Herausforderer, der zudem drei seiner letzten fünf Kämpfe verloren hat.

Trotz dieser mauen Voraussetzungen haben es Promoter Frank Warren und PR-Profi Fury geschafft, den Briten das Ganze schmackhaft zu machen. 60.000 Karten sind verkauft. Und das, obwohl der Kampf mitten im Londoner Winter stattfindet. Im Fußball-Stadion von Tottenham Hotspur, einer Sportstätte ohne Dach. Nun, Gerstensaft wärmt ab einem gewissen Pegel bekanntlich von innen. Ganz nüchtern folgt eine Vier-Punkte-Analyse zu Fury vs. Chisora III.

1. Erfahrung: Kampf zweier Veteranen

Vitali Klitschko, David Haye, Oleksandr Usyk, dazu je zweimal Fury, Kubrat Pulev, Dillian Whyte und Joseph Parker: Chisora hat seit seinem Profidebüt im Jahr 2007 viele Schlachten geschlagen, die meisten davon verlor er. Zwischendurch feierte das 1,87-Meter-Paket aber auch einige Erfolge mit Knall-Effekt gegen schwächere Konkurrenz. Zuletzt schlug Chisora im Juli den Bulgaren Pulev in der O2-Arena in einem packenden Gefecht knapp nach Punkten.

Fury steht seit 2009 als Preiskämpfer im Ring, ist in 33 Kämpfen ungeschlagen. In der Kampfbilanz des 2,06-Meter-Riesen strahlen vor allem die Erfolge über den langjährigen Schwergewichts-König Wladimir Klitschko und seinen Erzrivalen Wilder. Allerdings musste Fury in seiner Karriere auch schon viele brenzlige Situationen meistern, sich mehrmals nach Niederschlägen zurückkämpfen. Kurzum: Sowohl Fury als auch Chisora haben zwischen den Seilen fast alles erlebt. In puncto Erfahrung sind also keine Vorteile für die eine oder andere Ecke auszumachen.

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2. Kampfstil: Boxender Zerstörer gegen Dampfwalze

Fury betont seit seiner Zusammenarbeit mit Kronk-Coach Sugar Hill Steward seine Verwandlung vom Boxer zum Puncher. „Früher war ich ein Top-Boxer, der im Rückwärtsgang mit der Führhand herumgeboxt hat. Jetzt bin ich ein Zerstörer seiner Majestät“, tönte der „Gypsy King“ bei der ersten PK vor dem Dezember-Fight.

Fury beherrscht allerdings nach wie vor auch die feinere Faust-Klinge. Dillian Whyte boxte er im April aus sicherer Distanz und mit schnellen Händen aus, ehe er den „Body Snatcher“ in Runde 6 mit einem Aufwärtshaken zu den Akten legte. Ein Alleinstellungsmerkmal Furys im Schwergewicht: Der Champion kann die Auslage flüssig wechseln, seine Gegner so verwirren und aus unerwarteten Winkeln treffen. Dank Furys flinker Meidbewegungen treffen viele seiner Gegner oft nur Luft.

Chisora kennt im Ring nur den Vorwärtsgang. Im Stile eines Joe Frazier marschiert „War“ unaufhörlich auf den Gegner zu. Chisora gehört der Kämpfergattung der „take two to give one“ an. Will heißen: Um die Distanz zu seinen häufig größeren Kontrahenten zu verkürzen und selbst auszuteilen, ist sich Chisora nie zu schade, die Rübe hinzuhalten. Einmal in Schlagdistanz, malträtiert er vor allem den Körper des Gegners und versucht sein Glück mit wilden Heumachern.

3. Aussauer: Vorteil Fury-Lunge

In seiner Autobiographie „Behind the Mask“ (dt. Ich – hinter der Maske) schwärmt Fury von seinem außergewöhnlichen Lungenvolumen. Trotz seiner Masse kann Fury Tempo bolzen und die Distanz gehen, ohne spürbar einzubrechen. Auch das alte Schlachtross Chisora schafft die zwölf Runden noch immer. Bei seinen letzten Auftritten pumpte Chisora zwischendurch allerdings bedenklich – auch, weil er stets viel einstecken musste. In puncto Ausdauer ist Fury im Vorteil, vor allem, wenn er es ihm gelingt, Chisora früh zu treffen und so den Wind aus den Segeln zu nehmen.

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Tyson Fury vermöbelte Derek Chisora schon zweimal, zuletzt 2014
imago/BPI, imago sportfotodienst

4. Taktik: : Chisoras One-Way-Ticket

Damit ist Furys Taktik angerissen. Die Psychospielchen des „Gypsy Kings“ laufen gegen Chisora (der laut eigener Aussage einen „schwarzen Gürtel in Verrücktheit“ besitzt) ins Leere, Fury wird sich daher auf sein eigentliches „Geschäft“ konzentrieren, das da heißt: Die körperlichen und boxerischen Vorteile konsequent ausnutzen. Furys Ring-IQ ist deutlich höher als Chisoras. Es ist anzunehmen, dass der Weltmeister seinen Herausforderer (wie zuletzt Whyte) kommen lässt und aus der Distanz mit schnellen Führhänden und Kombinationen bearbeitet.

Weiter dürfte Fury gegen den anstürmenden Chisora wohlplatzierte Konter setzen, um dann selbst in den Angriffsmodus zu schalten. Furys Ziel muss sein, die Kampfmaschine Chisora (wie schon 2014) Runde um Runde auseinanderzuschrauben, bis diese nicht mehr läuft. Chisoras „Game Plan“ ist schnell erklärt: Angreifen, angreifen, angreifen – und auf einen „Lucky Punch“ hoffen.

Fazit: Klare Kiste

Die Wettstuben auf der Insel haben Chisora nach Verkündung des Kampfes als 33:1-Außenseiter ins Rennen geschickt. So einseitig Fury vs. Chisora III auf dem Papier ist, so einseitig wird Teil III am 3. Dezember auch laufen. Chisora hat zwar noch immer die Mentalität eines Kriegers. Seine letzten Kämpfe aber – speziell die Abnutzungsschlachten gegen Parker, Whyte und Pulev – haben Spuren hinterlassen. Der boxerisch haushoch überlegene Fury wird sich seinen Herausforderer schnell zurechtlegen und schon in den mittleren Runden „soweit“ haben. Prognose: Abbruchsieg Fury zwischen Runde 5 und 8.

Dieser Text erschien in leicht abgewandelter Form ursprünglich in der November/Dezember-Ausgabe des Fachmagazins BOXSPORT