Bewegende Worte von Jean Todt an Schumis Familie
"Eine Inspiration für viele Menschen"
Große Ehre für Michael Schumacher. Der Rekord-Weltmeister erhielt am Mittwoch in Köln den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen. Emotionaler Höhepunkt: Sein Wegbegleiter und Freund Jean Todt hält die Laudatio auf Schumi. In bewegenden Worten beschreibt er, was Schumacher ausmacht. Auf und neben der Strecke. Als Kollegen, Freund und Familienmenschen mit großem Herz. Todt dankt zudem der Familie Schumacher mit rührenden Worten. Corinna sei eine der „stärksten Frauen“, die er kenne, sagt der Franzose.
Die Rede von Jean Todt im Wortlaut

„Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Hendrik Wüst, liebe Corinna, liebe Gina, lieber Rolf. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste.
Es bedeutet mir sehr viel, heute hier zu sein. Es ist fast 30 Jahre her, dass ich Michael Schumacher zum ersten Mal traf - ein junger Mann aus Deutschland, ein bisschen grün hinter den Ohren, aber schon zweimaliger Formel-1-Weltmeister. Wir trafen uns in Monaco in einem Hotel und wir sprachen darüber, ob er zu Ferrari wechseln soll. Damals war ich Teamchef von Ferrari. Mick war zurückhaltend, distanziert und fast ein bisschen schüchtern und völlig unbeeindruckt vom Mythos Ferrari. Aber er wusste genau, was er wollte. Sowohl seine Leidenschaft als auch seine starke Willenskraft war unübersehbar. Keiner von uns hätte gedacht, dass sich aus diesem Treffen eine so brillante Karriere und so eine tiefe Freundschaft entwickeln würde.
Erlauben Sie mir zu sagen, dass wir ein geniales Duo waren, ein unschlagbares Team auch wegen der anderen wichtigen Figuren dieses Erfolgs. Ross Brawn, Rory Byrne und Paolo Martinelli. Wir alle, auch Mechaniker und andere Teammitglieder ließen sich von Michaels Vorbild mitreißen. Michael liebt es, im Team zu arbeiten und das Team liebte es, für ihn zu arbeiten. Er verstand sich als ein Teamplayer. In Wirklichkeit war er eher ein Teamleader. Eine Führungsfigur mit einer natürlichen Autorität, ein leidenschaftlicher Kämpfer, ein unerbittlicher Gegner und ein nie müder Arbeiter. Sie fragen sich, ob ich von Michael oder von mir spreche. Denn es stimmt alle diese Attribute treffen genauso auf mich wie auch auf ihn zu. Wir schweißten uns zusammen zu einer Schicksalsgemeinschaft. Loyal in harten Zeiten von denen es vor allem im Anfang einige gab. Wir haben unsere Karriere miteinander verbunden, als sie kurz vor dem Scheitern standen und letztlich dadurch, den ultimativen Erfolg erreicht. Denn was viele nicht sehen, sind die Erfolge, die danach kamen. Wir haben dreimal die WM in Folge in den letzten Rennen verloren. Wir waren harter Kritik ausgesetzt. Geht der Weltmeister-Titel auch im Jahr 2000 verloren, bricht alles auseinander.
Lese-Tipp: Todt - "Ja es ist wahr, ich schaue Rennen mit Michael"
"Er hat nie vergessen, wo seine Wurzel lagen"
2000 gewann Michael seinen ersten von fünf Titeln mit Scuderia Ferrari. Mit sieben WM-Titeln ist Michael gemeinsam mit Lewis Hamilton der erfolgreichste Fahrer in den langen, ruhmreichen Jahren der F1. Er ist eine Ikone seines Sports. Und gerade an so einem Tag wie heute ist es gut daran, erinnert zu werden.
Auf der Rennstrecke hat er seine Leidenschaft ausgelebt und dabei Millionen Menschen auf der ganzen Welt Freude bereitet. Ein Mann der Siege sammelt wie andere Leute vielleicht Briefmarken. Und sein Heimatdorf Kerpen, der Fußballclub 1. FC Köln und das Bundesland NRW auf der ganzen Welt bekannt macht.
Ich kann auch gut verstehen, dass er heute diese Auszeichnung verliehen bekommt. Durch seine Siege und Erfolge stieg er aus einfachen Verhältnissen auf zu einem wahren Weltenbürger, der mit Menschen aus verschiedener Kulturen eng zusammenarbeitet. Aber er hat nie vergessen, wo seine Wurzel lagen. Luftlinie circa 30 Kilometer von hier, und er hat die Bodenhaftung nie verloren. „Einer von uns“, nannten ihn die Mechaniker zu meiner Zeit bei Ferrari, weil sie spürten, dass er sich nicht als etwas Besseres ansah. ‘Ich bin nur jemand, der zufällig gut Auto fahren kann’ hat er früher immer gesagt. Und seine Demut und Bescheidenheit standen ihm immer gut.
Lese-Tipp: Mick-Teamchef schwärmt von Legende Schumacher
Michael hat an andere gedacht
Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich über alte Zeiten rede. Ich weiß, dass Michael den Staatspreis nicht nur wegen seiner herausragenden sportlichen Karriere bekommt, sondern vor allem für seine herausragenden karitativen Ader und natürlich würde ich auch gerne ein wenig über diese Facette von meinem Freund Michael erzählen.
Schon früh hat Michael begonnen bei all seinen Erfolgen, an andere zu denken. Das fing in der eigenen Familie an. Das Preisgeld von seinem F3-Sieg in Macau, 20.000 Dollar, packte er seinem Vater Rolf auf den Esstisch. Und später gab es Millionen Spenden für die UNESCO und die Flutopfer an der Elbe und Bayern. Viele erinnern sich an die 10 Millionen Dollar Spende nach dem schlimmen Tsunami. Diese Millionenspende war ungewöhnlich für ihn, da er sie öffentlich machte. In alle den Jahren spendetet er zusätzlich mittels eines Trustes, von dem niemand wusste oder weiß wer dahintersteckt und er engagierte sich persönlich, indem er sich Zeit nahm und sich z.B. für Straßensicherheit oder andere Aktionen einsetzte.
Straßensicherheit ist eine meiner Hauptanliegen als Sonderbotschafter der UN und Michael hat mich dabei immer sehr unterstützt. Ich kann mich auch sehr gut an ein Abendessen mit Michael und anderen Freunden in Paris vor rund 20 Jahren erinnern. Dort wurde das Zentrum für Erforschung und Behandlung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen geboren. Ein Ort, an dem geforscht und zugleich geheilt wird: das ICM „Institut du cerveau et de la moelle épinière“ auf dem Gelände Pitié-Salpêtrière. Ein Zentrum das mehr als 700 Forscher und Ärzte beschäftigt und Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, Demenz und Epilepsie behandelt.
"Stolz darauf, Michael meinen Freund zu nennen"
Wir können alle sehr stolz darauf sein, diese Seite von Michael gesehen zu haben und sie mit dieser Auszeichnung zu Recht würdigen. Ich bin stolz darauf, Michael meinen Freund nennen zu können und ich bin stolz darauf eine sehr enge Freundschaft mit seiner Familie zu haben. Mit der ‘Keep Fighting Foundation’ und dem geheimen Trust führen sie Michaela qualitative, karitative Arbeit fort. Ein Teil davon öffentlich, um andere Menschen mitzunehmen auf dem guten Weg und ein Teil ganz still und leise, weil es egal ist, wer das Gute tut. Gemeinsam mit Michaels Sohn Mick und DVAG-Chef Andreas Pohl bin ich in der ‘Keep Fighting Foundation’.
Jetzt habe ich lange über meinen Freund Michael gesprochen aber ein Teil von ihm habe ich noch nicht erwähnt, der ihm wichtiger war als seine Titel, seine Siege mit Ferrari und das Rennfahren, es ist seine Familie. Michael hat eine wunderbare Familie. Corinna ist wie meine Frau Michelle, eine der stärksten Frauen, die ich kenne. Gemeinsam haben sie ihren Kindern Gina und Mick ihre Werte vermittelt, für die sie stehen: Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Loyalität, Respekt für andere, aber auch Zielstrebigkeit, Verlässlichkeit, Bodenständigkeit.
"Er fehlt uns hier"
Als enger Freund erlaube ich mir zu sagen, dass die Familie Schumacher eine Inspiration für viele Menschen da draußen ist. Aber Michael hat auch wunderbare Fans, die wir heute nicht vergessen wollen. Stellvertretend für die Fangemeinde wurde ich ausdrücklich von Corinna, Gina und Mick gebeten, ihnen vielen herzlichen Dank für die emotionale Treue über all die Jahre hinweg zusagen. Bitte leiten sie unsere Grüße an all die Menschen weiter, die hinter Michael stehen.
Michael hat sich ich über lange Jahre der Welt geöffnet, indem er sich im Cockpit einschloss. Sein Rennsport war sein Weg, die Gefühle in die Öffentlichkeit zu tragen. Seine Art zu fahren, zu kämpfen, zu trotzen und jubeln und niemals aufzugeben erzählten viel über sein reiches Innenleben. Michael war ein Kämpfer und er ist weiterhin ein Kämpfer. Natürlich würden wir uns alle wünschen, dass er seine Auszeichnung persönlich entgegennehmen könnte. Er fehlt uns hier. Er fehlt nicht nur an Tagen wie heute. Wir alle können ihn nur weiterhin mit all unserer Liebe und auf seinem Weg unterstützen.
Vielen Dank, Hendrik Wüst, dass Sie ihm diese Ehre erweisen.“