"Rassismus ist mehr als nur Beschimpfung"
Awet Tesfaiesus kämpft als erste schwarze Frau im Bundestag für ein besseres Deutschland
Die erste schwarze Frau findet Einzug in den Bundestag. Diese Nachricht hätte man eigentlich nicht erst 2022 erwartet. Doch tatsächlich ist Grünen-Poltikerin Awet Tesfaiesus die späte Premiere in Berlin. Was die Juristin mit eritreischen Wurzeln erreichen möchte und welche Emotionen Vorfälle wie der Anschlag in Hanau in ihr auslösen – im Video!
Zwischen Berlin und Hessisch-Lichtenau
Seit September vertritt Awet Tesfaiesus das Bundesland Hessen im Deutschen Bundestag. Ihre alte Wirkungsstätte, das kleine Wahlkreisbüro in Hessisch Lichtenau, ist für die 47-Jährige die Basis für ihre politischen Pläne. Und nicht nur die Wähler hier liegen ihr am Herzen: “Ich habe einfach eine Bindung hierher. Ich habe viele Jahre hier gelebt, da ein Teil meiner Familie noch heute hier ist und das immer schön ist, wenn man im Büro ist und dann zum Mittagessen zur Familie kann."
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Terrornacht von Hanau trifft die Politikerin ins Mark
Doch Awet Tesfaiesus hat nicht immer in Deutschland gelebt: Im Alter von zehn Jahren flüchtet sie mit ihrer Familie aus Eritrea nach Deutschland. Nur wenige Jahre später erlebt sie in den 90ern die rassistischen Anschläge von Mölln, Rostock-Lichtenhagen und Solingen. Diese Ereignisse bestärken sie als Jugendliche in ihren Plänen, für die Ausbildung Deutschland zu verlassen. "Weil ich einfach das Gefühl hatte: Du wirst in diesem Land nicht angenommen“, erklärt sie uns nachdenklich im RTL-Interview, merklich betroffen von der Erinnerung an diese Situation.
Doch es kam anders: „Ich habe hier studiert, eine Kanzlei aufgebaut und eine Familie gegründet.“ Und dann kam der Anschlag von Hanau, bei dem der Attentäter Tobias Rathjen neun Menschen mit Migrationshintergrund wahllos und kaltblütig tötete und damit auch Awet Tesfaiesus mitten ins Herz traf: „Hanau war sozusagen ein Backflash in die 90er und ein Gefühl von: Es hat sich seitdem GAR NICHTS verändert."
Traurige Realität: Rassismus ist überall
Den ersten Impuls, Deutschland nun doch verlassen zu wollen, verdrängt die Juristin. Awet Tesfaiesus wandelt ihre Wut und Enttäuschung in Tatendrang um – und bewirbt sich für den Bundestag. Mit großen Plänen: Die Grünen-Politikerin möchte vor allem Chancengleichheit erreichen und den Kampf gegen Alltagsrassismus gewinnen. Denn Rassismus sei mehr als Beschimpfungen und begegne ihr und anderen oftmals subtil: "Wenn ich mich um eine Wohnung bewerbe, die ich nicht bekomme, und meinen Mann schicken muss, weil wir da größere Chancen haben, eine Wohnung zu bekommen: DAS ist unser Alltag. (...) DAS macht mir Sorgen auch in Hinblick auf mein Kind und die Jugend von heute.“ (gmö)