"Ich konnte gar nichts mehr"

Anstieg um 40 Prozent! Immer mehr Studenten greifen zu Antidepressiva

Immer mehr Studenten leiden an Depressionen.
Immer mehr Studenten leiden unter Depressionen. Auch Nina Eichler gehört dazu.
RTL Nord
von Annika Redmer und Nicole Ide

Diese Zahl lässt aufhorchen!
Der Anteil der Studenten, die Antidepressiva verordnet bekommen, ist von 2019 auf 2022 um 40,5 Prozent gestiegen. Besonders Schleswig-Holstein liegt im Ländervergleich ganz vorne. Wie kommt es zu diesem dramatischen Anstieg?

Stress, Druck und Ängste: Studentin lässt sich einweisen

"Die ersten Jahre im Studium habe ich so heftig durchgezogen, so stark dem Leistungsdruck nachgegeben, dass ich mich selber eingewiesen habe in eine teilstationäre Institution“, berichtet die Lübecker Studentin Nina Eichler. Sie sei diesen Schritt gegangen, um ihren Tagesrhythmus, ihre depressive Symptomatik zusammen mit intensiven Emotionen, wie Stress, Ängste und alles was damit aufkommt, zu regulieren.

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Studentin zu schwach, um sich ein Brot zu schmieren

Neben dem gleichbleibenden Leistungsdruck an der Uni wird es für Nina Eichler immer schwerer alltägliche Sachen zu schaffen, wie frühstücken, Zähne putzen, Haare bürsten. „Wenn ich dann nach Hause kam, bin ich teilweise ins Bett gefallen, ich konnte gar nichts mehr. Ich habe nicht gekocht, ich habe schlichtweg gehungert“, erzählt die 26-Jährige im Gespräch mit RTL Nord. Dabei habe sie sogar Bauchschmerzen vor Hunger gehabt und es nicht mal geschafft sich ein Brot zu schmieren.

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Stresspegel bei Studenten stark gestiegen

Laut Techniker Krankenkasse fühlten sich 2015 noch 23 Prozent der Studierenden häufig gestresst. 2023 sind es mit 44 Prozent fast doppelt so viele.

Mögliche Faktoren: Folgen der Coronazeit, finanzielle Nöte oder die Tatsache, dass Menschen sich heutzutage einfach schneller Hilfe holen. Eine Therapie hilft auch Nina Eichler, die seit acht Jahren Molekular Life Science an der Universität in Lübeck studiert.

Studentin Nina gründet Selbsthilfegruppe

Immer mehr Studenten leiden an Depressionen.
Studentin Nina Eichler gründet 2019 eine Selbsthilfegruppe für Mitstudenten.
RTL Nord

Schon in ihrer Pubertät bemerkt Nina Eichlers die ersten Symptome, aber an der Uni verschlechtert sich ihr Zustand. 2019 gründet die junge Frau eine Selbsthilfegruppe für Mitstudenten. Zweimal im Monat kommen sie zusammen und sprechen über aktuelle Herausforderungen. Das Studium wirkt sich bei allen sehr auf die mentale Gesundheit aus. "Einerseits ist es eben Stress und neben dem Leistungsdruck auch die Anforderungen. Da versuche ich mich von abzugrenzen“, erzählt Studentin Linda (24) im Interview mit RTL Nord. Wenn sie etwas nicht schaffe, dann fühle sich das an wie hinterherhängen.

Seit 2019: Bedarf an Psychologen vervierfacht

Immer mehr Studenten leiden an Depressionen.
Die Psychologin Katharina Böcker macht die Erfahung, dass sich die Studenten selbst immer mehr Druck machen.
RTL Nord

Beim Studentenwerk an allen Uni-Standorten bekommen Studenten Hilfe. Dort bieten Psychologen ihre Beratung an. Die Anfragen haben sich seit 2019 vervierfacht! Depressive Symptome, Stress und Leistungsdruck sind die häufigsten Anliegen. „Das Allerwichtigste ist tatsächlich erstmal von dieser Idee Abstand zu nehmen: Ich mache was falsch. Das liegt an mir. Ich versage“, rät Psychologin Katharina Böcker den Studenten, die zu ihr kommen. „Zur Depression gehört ja auch das Grübeln sehr dazu.“ Nina Eichler hat in ihrer Therapie eine Struktur entwickelt, um den Tagesablauf auf die Reihe zu bekommen, wie sie sagt. Das hilft ihr sehr, ihre Depressionen zu stabilisieren.