Andere Länder, andere Sitten

Alles nur Ikea-Kitsch? Warum die Schweden plötzlich als total ungastlich gelten

Ein Familienfest in Schweden.
Oh, oh! Unter dem Hashtag #Swedengate zeigen sich die Twitter-User erzürnt gegenüber dem beliebten skandinavischen Land.
GORAN DOMEIJ

Unzählige Seen, wunderschöne rote Häuser, ein gutes Bildungssystem, „Wir Kinder aus Bullerbü“ und das stärkste Mädchen der Welt mit verrücktem Kleidungsstil – all diese schönen und positiven Dinge fallen einem ein, wenn man an Schweden denkt. Doch Twitter-User wollen aufgedeckt haben: Das Urlaubsland in Skandinavien ist gar nicht mal so gastfreundlich, wie man vielleicht denken mag. Einer der Gründe: Gäste dürfen beim Abendessen angeblich nicht mit essen – und sollen gefälligst irgendwo im Zimmer warten.

Gäste müssen warten, wenn die Familie zu Abend isst - angemessen oder bescheuert?

Zugegeben: Dem ein oder anderen dürfte dieses Szenario auch hierzulande aus der Kindheit bekannt sein. Man ist zu Besuch bei einem Kumpel oder einer Schulkameradin, die Mutter ruft zum Essen und plötzlich heißt es: „Ich habe leider nicht genug für alle gekocht, du kannst jetzt leider nicht mit essen“ und prompt sitzt man wartend im Kinderzimmer – während der Rest des Haushalts es sich gemütlich macht und eine leckere Speise einnimmt. Unangenehm!

In Schweden scheint es dieses „Problem“ ebenfalls zu geben. Alles begann mit einem harmlosen Beitrag auf der Social-Media-Plattform Reddit, wo eine Person fragte, was denn das merkwürdigste sei, was man je in einem anderen Haushalt erlebt habe, zurückzuführen auf eine andere Kultur oder Religion. Die Antwort folgte prompt: „Ich erinnere mich daran, im Haus meines schwedischen Freundes gewesen zu sein. Während wir in seinem Zimmer spielten, rief seine Mutter, dass das Abendessen fertig sei. Er sagte mir dann, ich solle so lange in seinem Zimmer warten, während sie aßen.“ Autsch. Auch auf Twitter wurde der Beitrag mittlerweile gepostet und hat seit seiner Veröffentlichung Ende Mai über 140.000 Likes und unzählige Antworten in den Kommentaren erhalten. Die Geburtsstunde von #Swedengate – quasi einem Shitstorm für Schweden.

Einige Nutzer wollten das so nicht stehen lassen und erklärten die Hintergründe: „Wenn es nicht zwischen den Eltern abgesprochen ist, kann es hier als unhöflich angesehen werden, das Kind einer anderen Person zu füttern. Es ist unhöflich, von einer anderen Familie zu erwarten, dass sie dein Kind füttert, ohne vorher zu fragen. Und es ist unhöflich, ein Kind zu füttern, ohne sich bei den Eltern zu erkundigen. Es ist eine andere Kultur. Das ist nicht falsch.“ Die Debatte ging weiter, die Gegenseite war überzeugt: „Sobald es um ein hungriges Kind geht und ein hungriges Kind im Haus ist, dann ist es falsch. Punkt.“

Lese-Tipp: Grillpartys und Gartenfeste: Muss wirklich jeder etwas mitbringen?

"Vermutlich sitzt irgendwo im Haus ein Freund, der darauf wartet, dass das Essen vorbei ist"

Ist Schweden etwa doch nicht das gast- und familienfreundliche und soziale Land, wie es in der Ikea-Werbung dargestellt wird, wenn Familien und Freunde glückselig zusammen am Essenstisch sitzen? Einige Nutzer griffen die Situation auf und posteten Memes, um sich sarkastisch lustig zu machen.

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"Du wartest allein im Zimmer deines Freundes, während er mit seiner Familie zu Abend isst"

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Erlebt in Schweden: Bei Übernachtungen bitte eigene Bettwäsche mitbringen, danke!

Menschen aus Kulturen und Ländern, in denen Gastfreundschaft großgeschrieben wird, dürften beim Scrollen durch Twitter vermutlich geschockt auf ihre Smartphone-Bildschirme geguckt haben. Eine Nutzerin, die laut eigener Aussage 18 Jahre lang in Schweden gelebt hat, berichtete von einem anderen Erlebnis, dass ihr angeblich passiert ist. Dieses Mal geht es nicht um hungrige Kinder, die vernachlässigt werden – im übertriebenen Sinne – sondern darum, dass Erwachsene stets ihre eigene Bettwäsche und Handtücher mitbringen müssen, wenn sie zum Übernachten eingeladen werden.

Scheint, als wollen die Internet-Nutzer vor Augen führen, dass es im idealisierten Schweden doch einige Dinge gibt, die zumindest anderen Ländern nicht gefallen. Aber um fair zu bleiben: Vermutlich wird auch nicht jedermann verstehen, wieso die Deutschen an Vatertag mit Bier und Bollerwagen um die Häuser ziehen oder wieso wir in einigen Teilen des Landes am 30. April einen Maibaum aufstellen.

Überall gibt es verschiedene Sitten und Bräuche - und das ist gut so!

Ob man #Swedengate jetzt zustimmt oder nicht: Wir alle sollten einander respektieren. Schließlich ist das skandinavische Land nicht das einzige mit – aus unserer Sicht – kuriosen Bräuchen.

Wussten Sie zum Beispiel, dass in Brasilien an Silvester gerne weiße Kleidung getragen wird? Das symbolisiere Unschuld, Frieden und Reinheit. In Italien hingegen wird das Küssen während einer Hochzeit groß geschrieben. Sehr groß sogar: Wenn die Gäste „Bocio!“, also „küssen“, rufen, muss sich das frisch vermählte Paar abknutschen. Sollte der Kuss aber nicht leidenschaftlich genug sein, muss das Ganze wiederholt werden – so lange, bis sich die Gäste zufriedengeben. Rummachen vor Oma und Opa und allen anderen Familienangehörigen? Wieso nicht. Und in Dänemark gibt’s an Weihnachten eine Art Schultüte: Das sogenannte Kræ‎mmerhus, eine kegelförmige, mit Süßigkeiten gefüllte Tüte, die in der Regel selbst gebastelt ist, wird an den Weihnachtsbaum gehängt. Nicht umsonst heißt es: Andere Länder, andere Sitten. (vdü)