Sehr gute Therapie für Infizierte verfügbar
Affenpocken-Ausbruch: Kommt die Pockenimpfung zurück?
Die ungewöhnlichen Fälle von Affenpocken in westlichen Ländern sorgen bei vielen Menschen für ein Déjà-vu: Brauchen wir wie bei Corona mehr Impfschutz in der Bevölkerung?
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1980 erklärte die WHO die Ausrottung der Pocken
Bis heute zeugt die Narbe am Oberarm vieler Erwachsener davon: 1967 startete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine weltweite Impfkampagne gegen Pocken, im Zuge derer Milliarden geimpft wurden. Es war der Anfang vom Ende der Krankheit. Sie hatte zuvor jahrtausendelang gewütet. Selbst bei ägyptischen Mumien fanden sich pockenähnliche Hautausschläge. Drei von zehn Infizierten starben nach Angaben der US-Seuchenschutzbehörde CDC. Bereits 1980 erklärte die WHO die Ausrottung der Pocken weltweit.
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Gegen Affenpocken gibt es aktuell keine zugelassene Impfung
Seit dem Ende von Pockenimpfungen – die Pflicht zur Erstimpfung wurde etwa in der BRD 1976 und in der DDR 1982 aufgehoben – sind allerdings immer weniger Menschen gegen das Variolavirus immun, das die Pocken hervorruft. Mit der derzeit ungewöhnlichen Häufung von Affenpockenfällen in westlichen Ländern durch einen verwandten Erreger, stellt sich die Frage nach erneuten Impfungen. Speziell gegen Affenpocken gibt es in Europa keine zugelassenen Impfstoffe. Allerdings nehmen Fachleute an, dass herkömmliche Pockenimpfstoffe einen gewissen Schutz bieten.
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Älterer Pockenimpfstoff hat viele Nebenwirkungen
Die Bundesregierung hat laut einem Bericht für den Gesundheitsausschuss des Bundestages etwa 100 Millionen Dosen Pockenimpfstoff eingelagert. Dieses Vakzin sei wegen zu erwartender Nebenwirkungen jedoch nicht zum Einsatz gegen Affenpocken geeignet, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. „Der ältere Pockenimpfstoff hat viele Nebenwirkungen, zudem enthält er vermehrungsfähige Viren, die sich im Körper von immungeschwächten Menschen ausbreiten könnten“, sagte Stefan Kaufmann, emeritierter Direktor am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie.
MVA-Impfstoff aus den 1960ern
Daneben gibt es noch einen neueren Pockenimpfstoff, der auf einer Weiterentwicklung durch den Mikrobiologen Anton Mayr in den 1960er Jahren in Bayern basiert. Dabei werde ein im Labor abgeschwächtes Impfvirus genutzt, um eine Immunantwort gegen Pocken zu erzeugen, sagte der Wiener Facharzt für Impfen und Reisemedizin Herwig Kollaritsch. „Diese Impfung wurde in den 1960ern eine Zeit lang verwendet, aber nie in großem Stil. Sie ist besser verträglich, das Virus nicht mehr vermehrungsfähig“, sagte Kollaritsch, der Mitglied des österreichischen Pendants zur Ständigen Impfkommission Stiko ist. Fachleute sprechen kurz von MVA-Impfung. MVA steht für Modifiziertes Vacciniavirus Ankara.
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Britische Gesundheitsbehörden ordern mehr als 1000 Dosen
Das seit 2013 in der EU für Erwachsene gegen Pocken zugelassene MVA-Vakzin heißt Imvanex und kommt von der deutsch-dänischen Firma Bavarian Nordic. In den Vereinigten Staaten ist es bereits gegen Affenpocken zugelassen. Die WHO wies kürzlich darauf hin, dass es nicht flächendeckend verfügbar sei. Britische Gesundheitsbehörden haben jüngst mehr als 1000 Dosen davon an Kontaktpersonen von Affenpocken-Infizierten verabreicht.
Lauterbach kündigte prophylaktische Bestellung an
Auch Deutschland sorgt für den Fall vor, dass solche sogenannten Ringimpfungen bei Kontakten von Erkrankten notwendig werden sollten: Lauterbach kündigte die prophylaktische Bestellung von bis zu 40 000 Dosen Imvanex an. Konkrete Pläne, diesen auch zu verwenden, gebe es noch nicht. „Wir könnten diesen Impfstoff, sollte es notwendig werden, unmittelbar einsetzen“, sagte Lauterbach.
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In dem neueren Impfstoff sieht Kollaritsch allenfalls ein Instrument, um Menschen zu impfen, die ein hohes Risiko haben, dem Erreger ausgesetzt zu sein, etwa Personal spezieller Isolierstationen. „Für die breite Bevölkerung wäre diese Impfung Unfug. Affenpocken sind wesentlich harmloser als die Pocken und infektionsepidemiologisch von viel geringerer Bedeutung. Wir müssen auch bedenken, dass eine sehr gute Therapie für Infizierte verfügbar ist.“ (Gisela Gross/dpa/ija)