Versorgungslücken auf dem Land bringen Familien zum Verzweifeln

"Angst, ganz viel Angst!": Junge Mutter muss 40 km zum nächsten Kinderarzt fahren

Ein krankes Kind zum Arzt zu bringen, ist ja schon an sich nicht immer einfach. Doch ist dieser Arzt auch noch 40 km weit entfernt, stellt es Eltern vor eine noch größere Herausforderung. Mütter und Väter im Schwalm-Eder-Kreis (Hessen) hatten dieses Problem: Der ansässige Kinderarzt ging 2019 in Rente, im Landkreis klaffte eine riesige Versorgungslücke. Wie diese sich auf Familie Venschröder auswirkte und ob es inzwischen Hoffnung gibt – im Video!

Medizinische Versorgungslücken - Sind auch Sie betroffen?

Das Ergebnis der Umfrage ist nicht repräsentativ.

Kinderarzt macht Schluss - ohne Nachfolger

Nachts kann ihm einfach die Luft wegbleiben: Der vierjährige Corvin leidet unter Pseudokrupp, einer Atemwegserkrankung, die vor allem Kleinkinder betrifft. Ein Arzt in der Nähe hätte seinen Eltern da viel Sicherheit gegeben. Doch seit 2019 mussten Familie Venschröder und alle weiteren im Schwalm-Eder-Kreis auf diese ärztliche Unterstützung verzichten: Mit 74 Jahren – neun ungeplante Dienstjahre hatte er mangels Nachfolge schon drangehangen – schließt Kinderarzt Hans-Georg Zöberlein endgültig seine Praxis in Melsungen. Er steht ohne Nachfolger da, und die Familien ohne ärztliche Grundversorgung. Die umliegenden Praxen waren ausgelastet, Corvins Eltern müssen jetzt 40 km zum nächsten Kinderarzt fahren.

Bis 74 war er für seine kleinen Patienten da: Dr. Zöbelein verschiebt seinen Ruhestand um 9 Jahre, da er keinen Nachfolger für seine Kinderarzt-Praxis in Melsungen findet.
Bis 74 war er für seine kleinen Patienten da: Dr. Zöberlein verschiebt seinen Ruhestand um 9 Jahre, da er keinen Nachfolger für seine Kinderarzt-Praxis in Melsungen findet.
RTL
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Versorgungslücke dauert drei Jahre an!

"Angst! Ganz viel Angst ist da, weil der Weg einfach viel zu weit und zu lang ist. Es könnte ja was passieren in der Zeit“, beschreibt Mutter Nadine ihre Gefühle in dieser Situation. Einem Kleinkind, das zu Husten neigt – und dann noch ausgerechnet in Pandemie-Zeiten – einen so langen Weg zur nächsten Versorgung zumuten zu müssen, zehrt an den Nerven, eine schlimme Zeit für die Familie. Wortwörtlich aufatmen können sie erst drei Jahre später: Für Zöberleins Praxis fanden sich nach langer Suche endlich zwei Nachfolger!

Vorbilder für ganz Deutschland: Kinderärzte Friederike Wiegand und Dr. Philipp Koch schließen die Versorgungslücke im hessischen Landkreis.
Ambitionierte Vorbilder: Kinderärzte Friederike Wiegand und Dr. Philipp Koch schließen die Versorgungslücke im hessischen Landkreis.
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Ärztemangel weiterhin bundesweit großes Problem

Das Problem, mit dem die Familien in dem hessischen Landkreis drei Jahren lang leben mussten, ist ein bundesweites: Bereits 2014 kündigte der Ärztemonitor für Deutschland einen drohenden Ärztemangel an. Tausende Hausärzte hätten demnach geplant, in den nächsten Jahren in Rente zu gehen – bis 2020 wollte jeder Vierte der damals 10.000 befragten Ärzte und Psychotherapeuten seine Praxis schließen. Nachfolger seien nicht in Sicht – so wie in Melsungen. Ein Problem mit Ansage sozusagen – die Versorgungslücken vor allem in den ländlichen Regionen waren absehbar. Die wenigen Landärzte, die es noch gibt, haben eine dementsprechend lange Liste von Patienten, die Mediziner stehen unter Stress, die Patienten leider unter der knappen Zeit, die für individuelle Behandlungen bleibt.

Video-Tipp: Keiner will aufs Land ziehen – Hausarzt verzweifelt gesucht!

Die beiden Nachfolger von Hans-Georg Zöberlein in Melsungen bestätigen die hohe Nachfrage. Über 1400 kleine Patienten behandeln Friederike Wiegand und Philipp Koch inzwischen: „Seit Februar haben wir regulären Betrieb, das heißt, dass wir regulär zu den Sprechzeiten Termine vergeben und Patienten aufnehmen. Und zwar primär natürlich alle Patienten aus Melsungen, aber auch natürlich die umliegenden Städte und Gemeinden, die keine kinderärztliche Versorgung haben“, berichtet Friederike Wiegand im RTL-Interview. Für Familien in dieser Gegend ist zumindest so gesorgt, die generelle Versorgungslücke auf dem Land klafft jedoch weiter. (tel/gmö)