Unser Stromnetz wird instabiler – warum die Gefahr wächst
Blackout in Spanien und Portugal – wie steht es um die Energieversorgung in NRW?
Ob Licht, Aufzug oder Kühlschrank – ohne Strom geht nichts. Doch unser Stromnetz in NRW gerät immer häufiger an seine Belastungsgrenze. Grund dafür ist die wachsende Zahl von Photovoltaikanlagen, die das Netz unregulierbar machen. Experten warnen vor einer steigenden Blackout-Gefahr.
Solarstrom kann Netz destabilisieren
In Nordrhein-Westfalen gibt es inzwischen mehr als 200.000 Photovoltaikanlagen auf Dächern. Dazu kommen immer mehr Balkonkraftwerke. Was gut für die Energiewende ist, bringt neue Risiken: „Wenn der Strom nicht wegkommen kann, nicht wegtransportiert werden kann, dann gibt es Instabilitäten, dann gibt es Frequenzüberschreitungen und dann droht zumindest ein regionaler Brownout”, erklärt Fritz Vahrenholt, Chemieprofessor und ehemaliger Vorstand von RWE Innogy: „Die Gefahr wächst jedes Jahr.”
Ein aktuelles Beispiel zeigt, was passieren kann: In Spanien führten Überlastungen im Stromnetz zu einem stundenlangen Stromausfall. Aufgrund eines Defekts an einer Hochspannungsleitung konnte überschüssiger Solarstrom nicht mehr ins Ausland geleitet werden. Die Folge: Die Netzfrequenz stieg so stark an, dass das gesamte Netz zusammenbrach. Millionen Menschen in Spanien und Portugal waren bis zu zehn Stunden ohne Strom. „Was uns die Techniker von Red Eléctrica mitteilen, ist, dass plötzlich 15 Gigawatt an Erzeugung aus dem System verschwunden sind. Und dass sie in nur fünf Sekunden verloren gegangen sind”, berichtete Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez.
Deutschland ist auf Energieimporte angewiesen
Auch in Deutschland ist die Lage angespannt. Durch die Abschaltung von mehr als 20 Grundlastkraftwerken seit 2011 – vor allem Kohle- und Kernkraftwerke – fehlen große Mengen sicherer Energie. Ohne Importe aus dem Ausland, etwa Atomstrom aus Frankreich oder Kohlestrom aus Polen, wäre die Versorgung nicht mehr gesichert. Die Bundesnetzagentur mit Sitz in Bonn teilt auf Anfrage mit: Die Stromversorgung in Deutschland sei stabil, ein großflächiger, langanhaltender Blackout unwahrscheinlich. Doch Experten wie Fritz Vahrenholt warnen: „Wir haben im Unterschied zu Spanien auch noch einen weiteren Vorteil: Wir haben acht Nachbarn, denen wir, wenn zu viel Sonne im System ist oder zu viel Wind, diesen Strom vor die Füße kippen können.” Allerdings werde dies zunehmend schwieriger – und teuer. Mittags, wenn die Solaranlagen auf Hochtouren laufen, muss Deutschland oft sogar dafür zahlen, damit andere Länder den überschüssigen Strom abnehmen. Gleichzeitig verzögert sich der Ausbau der Netze, während die EU bis 2050 komplett auf erneuerbare Energien setzen will.
Teurer Strom bedroht den Standort Deutschland
Insgesamt kostet die Stabilisierung des Stromnetzes in Deutschland bereits Milliarden. 2023 allein rund zwei Milliarden Euro. Dazu kommt der hohe Industriestrompreis: 20 Cent pro Kilowattstunde – mehr als doppelt so viel wie in Frankreich. „Welcher Investor will eigentlich noch nach Deutschland kommen und ein Rechenzentrum bauen, wo er damit rechnen muss, dass ihm die Leistung nicht geliefert wird oder die Frequenz nicht stabil ist?”, fragt Fritz Vahrenholt. Seine Forderung: Es müssen wieder große steuerbare Kraftwerke gebaut werden. Gleichzeitig müsse Solarstrom besser in das Netz integrierbar sein, um langfristig Versorgungssicherheit und bezahlbare Preise zu garantieren. Denn: Auf Rolltreppe, Aufzug, Kühlschrank – und Licht – wollen die Menschen auch in Zukunft nicht verzichten.