„Ich habe in die Augen geguckt und ich konnte sehen: Er wollte töten!”

Torsten will Zigaretten holen und wird zum Helden!

Oliver Gahl, Torsten Stern und Raphael Wiencierz werden von Ministerpräsident Daniel Günther geehrt.
Oliver Gahl, Torsten Stern und Raphael Wiencierz werden von Ministerpräsident Daniel Günther geehrt.
RTL Nord
von Vanessa Höhnl

Das Helden-Trio wiedervereint!
Vor fast zwei Jahren wurden sie in Breitenfelde zu Lebensrettern: Oliver Gahl aus Mölln, Torsten Stern aus Bälau und Raphael Wiencierz aus Bäk (Schleswig-Holstein). Die drei Männer kannten sich vor dem 20. Juni 2023 nicht, wurden aber durch spontanes Handeln zu Verbündeten.

Der Blick des Täters verrät: Er will töten

Eigentlich möchte Torsten Stern im Juni 2023 nur Zigaretten an einer Tankstelle holen. „Dann kam der eine Mann rein, auch schreiend und eben mit aufgeschlitztem Bauch. Ich habe gedacht, was hat der graues im Arm gehabt. Das war sein Darm, den er so gehalten hatte”, erzählt Torsten Stern im RTL-Gespräch. Doch der Schockmoment hört nicht auf, im Gegenteil. Plötzlich steht ein weiterer Mann vor Torsten Stern. An seinem Blick erinnert sich der 57-Jährige noch heute ganz genau: „Ich habe in die Augen geguckt und ich konnte sehen: Er wollte töten. Ich kann das auch nicht erklären. Das sieht man am Blick.” Der Mann rennt aus der Tankstelle und sucht sein nächstes Opfer: Wie später bekannt wird, sind das seine Ex-Frau und der gemeinsame siebenjährige Sohn.

Gemeinsam rettet das Trio zwei Menschen

Torsten Stern läuft dem Täter hinterher und trifft auf Oliver Gahl. Beide kennen sich nicht, werden aber spontan zu Verbündeten. Parallel ist Raphael Wiencierz in seinem Auto unterwegs, als ihm der Mann mit dem Messer auffällt. „Ich habe den Mann zweimal gesehen, auf dem Hinweg zur Tankstelle und dann auf der Rückweg. Er hatte ein Messer in der Hand und auf dem Rückweg fing er ansatzlos an, seine Frau zu attackieren. Und das war dann der Moment, als ich beschlossen habe, dann hinterherzufahren”, erzähl Raphael Wiencierz im RTL-Interview. Als der Täter seine Ex-Frau mit dem Messer angreift, geht das Trio ohne nachzudenken dazwischen.

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Das war keine bewusste Entscheidung. Ob Raphael Wiencierz in dem Moment Angst hat: „Hinterher? Ja, schon. Dabei nicht. Kann ich nicht anders sagen. Einfach funktionieren!” Zu dritt überwältigen sie den Täter, nehmen ihm das Messer ab und fixieren ihn. Danach nimmt die Polizei den Täter fest. Er wird später vom Landgericht Lübeck zu zehn Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Der siebenjährige Sohn wird von Seelsorgern betreut, wurde bei der Attacke aber glücklicherweise nicht verletzt.

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Jeder kann helfen, auch wenn es nur ein Anruf ist

Bis Rettungskräfte eintreffen, übernehmen die Helden die Erstversorgung der schwerverletzten Frau. Zu ihrem Glück, denn sowohl Torsten Stern als auch Oliver Gahl konnten auch aufgrund ihres Berufes helfen und drücken die Wunden ab. Torsten Stern weiß durch seine Ausbildung bei der Feuerwehr und als Sanitäter, was jetzt zu tun ist: „Wir haben die Frau dann gehalten. Und dann habe ich wirklich die ganze Zeit gesagt Augen aufhalten. Also das war für mich so in meinem Kopf eingeprägt.” Oliver Gahl war zehn Jahre bei der Bundespolizei und anschließend nochmal zehn Jahre auf einer Intensivstation. Obwohl beide routiniert sind, ist es eine absolute Ausnahmesituation. Torsten Stern betont, dass aber jeder helfen kann: „Die Leute sollen nicht weggucken. Die sollen einfach nur das Telefon benutzen. Alles egal. Nicht bei solchen Sachen weggucken. Das ist das Wichtigste! Was wir gemacht haben, war extrem, aber man kann auch mit anderen Sachen helfen.”

Seltene Medaille vergeben

Für ihren Mut und ihre Selbstlosigkeit erhalten die drei Schutzengel die Rettungsmedaille des Landes Schleswig-Holstein. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) überreicht ihnen diese Auszeichnung in Kiel. „Ich bin jetzt seit fast acht Jahren Ministerpräsident. Ich würde sagen, dass ich sie nicht mal ein Mal im Jahr bisher vergeben habe. Also es ist schon eine ganz seltene Situation”, unterstreicht Günther während der Ehrung. Die Rettungsmedaille macht das Trio extrem stolz, aber sie selber sehen sich nicht als Helden. Oliver Gahl sagt im RTL-Interview: „Wir haben die Situation gesehen und haben letztendlich, wenn man eine wehrlose Frau sieht, wo ein bewaffneter Mann hinterherläuft und ein kleines Kind da auch noch ist, da muss man keinen Mut haben, sondern ich denke mal, das ist eine Bürgerpflicht.”

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Appell vom Ministerpräsidenten

Der Ministerpräsident betont, dass fast jeden Tag ein Mann versucht, seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu töten. „Was sich am 20. Juni 2023 in Breitenfelde ereignet hat, war ein versuchter Femizid. Der versuchte Mord an einer Frau, weil sie eine Frau ist. Solche Taten finden meistens im Verborgenen, in der eigenen Wohnung, statt – dort, wo niemand helfen und eingreifen kann“, sagte er. „Wir müssen weiterhin versuchen, mit Aufklärung, Prävention und Strafverfolgung dagegenzuhalten. Menschen wie Sie sind Vorbilder für uns alle, genau hinzusehen und auf unsere Nächsten und unsere Mitmenschen aufzupassen.“