Sie hat den kürzesten Weg ins Wahllokal
Bei Dagmar geht’s zum Wählen in den Keller

Bis zu 400 Menschen kommen am Wahltag in ihr Haus!
Seit mehr als 20 Jahren lässt Dagmar Müsing aus Buchholz in der Nordheide (Niedersachsen) ihre Nachbarschaft in ihrem Keller wählen. Doch damit das geht, ist erstmal Muskelkraft gefragt.
Wahlkabine statt Sportgerät
Eine Firma räumt am Donnerstag (20. Februar) Laufband, Crosstrainer und Stepper aus dem Raum, Müsing packt bei Bügelbrett und Tisch selbst noch an. Schon die Stimmung beim Ausräumen ist herzlich. Man kennt sich, es ist nicht das erste Mal. „Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich schon im Keller war, so ungefähr seit 20 Jahren, immer wenn eine Wahl war. Am Anfang war es noch etwas Besonderes“, sagt Bauhof-Mitarbeiter Martin Becker, „inzwischen ist es eigentlich schon eine alte Freundschaft“. Die schweren Sportgeräte die Treppe hoch, die massive Wahlkabine herunter - das ist zweimal Schwerstarbeit, denn am Montag wird alles wieder herein geräumt.
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Müsing ist gerne Wahlhelferin
Wegen der Aufwandsentschädigung für Strom und Heizung stellt sie ihr Haus aber nicht zur Verfügung. „Ich habe das damals gemacht, weil ein Raum gesucht wurde und hier viele ältere Menschen leben“, erzählt Müsing zu ihrer Motivation. Inzwischen sei eine Bundestagswahl reine Routine. Man merkt ihr an, dass ihr das ganze Prozedere viel Spaß macht. Auch, wenn es mit Arbeit verbunden ist: „Es ist eigentlich gar nicht schlimm, ich muss nur vorher saubermachen, dabei saubermachen und hinterher sowieso“, erzählt die ehemalige Postbankangestellte lachend.
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.„Ich rechne so mit 300 bis 400 Menschen, die am Sonntag kommen“, sagt Müsing. Eigentlich kennt sie inzwischen fast alle, die meisten aus der Nachbarschaft. „Die Wahl ist für viele sehr wichtig, ich könnte mir vorstellen, dass die Wahlbeteiligung hoch sein wird“, sagt die erfahrene Wahlhelferin. Weil sie mit Leidenschaft dabei ist, backt sie sogar Kuchen für die Wahlhelferinnen und -helfer.
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Im Notfall kommt die Wahlkabine zum Wähler
„Vom technischen Ablauf ist es hier nicht anders als in anderen Wahllokalen, aber es ist eine besondere Situation hier unten“, bestätigt Andreas Kant, Wahlvorsteher für den Wahlbezirk. Man habe keine ebenerdige Zuwegung, müsse die Wahlurne plus Kabine nach oben bringen, wenn jemand die Treppe nicht bewältigen könne oder mit einem Rollstuhl komme. Denn barrierefrei ist das Mini-Wahllokal nicht.
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Die Stimmung den ganzen Sonntag sei persönlicher: „Wir sind hier in einem eingeschworenen Team und machen es uns gemütlich.“ Aber schneller ginge der Wahlvorgang nicht. Am Nachmittag nach dem Kaffeetrinken rechnet der Wahlvorsteher mit den meisten Wählern. „Man kennt sich“, sagt Kant. Gemeinsam wird abends per Hand ausgezählt.
Im kleinen Ortsteil Suerhop leben 600 Menschen - ein öffentliches Gebäude, was sich für die Wahl eignen würde, gibt es nicht. „Das ist hier einmalig“, bestätigt Jasmin Eisenhut von der Stadt Buchholz mit 42.000 Einwohnern. Wahllokale auf dem Land zu finden, sei nicht leicht. „Uns als Stadt ist daran gelegen, dass die Leute kurze Wege haben.“ Und den kürzesten Weg hat am Wahltag immer Dagmar Müsing. (dpa/mba)