Zwischen Krisen, Krieg und ganz normalen AlltagsproblemenWeltschmerz! Was kann ich tun, wenn mich schlechte News aus der Bahn werfen?

Eine Frau blickt nachdenklich aus dem Fenster. Sie scheint traurig zu sein.
Schlechte Laune, wenig Motivation und Hoffnung – der ein oder andere dürfte diese Laune kennen. Doch wie holt man sich wieder aus dem Tief heraus?
iStock: martin-dm
von Vera Dünnwald

Das Leben ist (mal wieder) ungerecht.
Wir sind traurig, melancholisch, gelähmt oder wütend in Bezug auf Ungerechtigkeiten, die wir um uns herum beobachten. Alles scheint irgendwie aussichtslos, die seelische Grundstimmung ist schlecht. Und das, obwohl es uns selbst doch eigentlich gut geht. Wenn sich die Welt schwer anfühlt, sprechen wir von Weltschmerz. Kommt euch bekannt vor? Wir erklären, was hilft.

Was ist eigentlich Weltschmerz?

„It is both a blessing and a curse to feel everything so very deeply” (zu deutsch: „Es ist sowohl ein Segen als auch ein Fluch, wenn man alles so intensiv fühlt”). Das wusste schon Dichter David Jones Anfang des 20. Jahrhunderts. Was einerseits durchaus positiv ist und einen einfühlsamen und empathischen Mitmenschen ausmacht, kann manchmal ganz schön anstrengend sein.

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Denn Weltschmerz fühlt sich manchmal an wie Liebeskummer. Doch es ist kein richtiger Herzschmerz. Aber man findet Dinge schlichtweg unfair, ist sauer, zerschlagen, hat vielleicht auf einen anderen Ausgang gehofft. Ein Gefühl, das vielen Menschen bekannt vorkommen dürfte. Gerade und vor allem dann, wenn die neueste Nachrichtenflut mitunter starke Veränderungen ankündigt.

Die Welt verändert sich rasend schnell, politische Entscheidungen stellen uns vor große Herausforderungen – Angst, Unsicherheit, Hoffnung, Machtlosigkeit, die Bandbreite der Emotionen ist enorm. Die Welt wirkt in solchen Momenten immer düsterer.

Manchmal begegnet uns Weltschmerz aber auch in „normalen” Alltagssituationen, zum Beispiel wenn wir traurig darüber sind, dass ein Senior alleine im Restaurant essen muss, wenn wir die Lebenssituation eines Obdachlosen bedauern oder wenn wir Essensreste entsorgen müssen, obwohl bedürftige Kinder und Erwachsene woanders auf der Welt Hunger leiden.

Selbstverständlich fühlen wir uns nicht jeden Tag niedergeschlagen. Und wir fühlen auch nicht jeden Tag alles so intensiv. Doch es gibt sie eben, diese Weltschmerz-Momente.

Trauer, Frust, Ohnmacht oder Wut: Gefühle bitte immer fühlen!

Und die sind laut der systemischen Familienberaterin Ruth Marquardt normal: „Mein Plädoyer lautet: Gefühle bitte immer fühlen! Es ist okay und wichtig, Trauer, Frust, Ohnmacht oder Wut zu fühlen. Fühlen bedeutet, wahrnehmen, was ist. Das ist gesund. Meist wollen wir direkt reagieren, wir regen uns auf, wir schimpfen oder heulen – auch das ist als Reaktion in Ordnung.”

Man solle jedoch darauf achten, dass es andere nicht verletzt und die miese Laune nicht tagelang anhält.

Denn vergesst bei all dem nicht: „Das Leben ist ein ständiger Wandel. Wir glauben, wir könnten alles kontrollieren”, so die Expertin. „Das ist die Illusion, die uns so ärgerlich macht. Beim Weltschmerz fühlen wir oft Ohnmacht.”

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Jammern, weinen und schimpfen erlaubt – aber nur für 15 Minuten!

Eine Frau liegt krank oder traurig auf der Couch und hat sich die Decke über den Kopf gezogen.
An manchen Tagen würde man sich am liebsten die Decke über den Kopf ziehen. Das ist in Ordnung! Wichtig ist nur, sich irgendwann wieder aus dem Loch zu holen.
iStock: gpointstudio

Marquardt erklärt zudem: „Wohin ich meine Aufmerksamkeit richte, das wird mehr. Wir leiden mehr, je mehr schlechte Nachrichten wir lesen. Je häufiger und länger wir mit Freunden oder Bekannten darüber sprechen, desto mehr rutschen wir in ein Jammertal”, so die Expertin. In solchen Momenten stecken wir zudem andere mit unserer negativen Sicht an.

Besser: Ein Gegengift finden.

Marquardts Tipp: Die beste Freundin anrufen. „Hey, hast du mal eben 15 Minuten, ich muss mal jammern, heulen, schimpfen oder mich auskotzen.” Aber eben nur für 15 Minuten! Die Expertin erklärt: „Wenn es länger dauert, schadet es dem eigenen Mindset.”

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Mit Weltschmerz umgehen – das sind die Tipps der Expertin

Was ihr außerdem machen könnt, um euch besser zu fühlen:

  • Richtet euren Fokus auf die Einflussbereiche in eurem Leben, in denen ihr etwas verändern könnt. „Auch wenn man es manchmal nicht glaubt: Wir können die Welt im Kleinen durch unsere eigene Haltung verändern und schöner machen. Und je mehr Menschen das tun, desto liebevoller und freundlicher wird die Welt.” Das zahle sich langfristig auf unsere Gesundheit und unser psychisches Wohlbefinden aus.

  • Versucht, euren Medien- und Nachrichtenkonsum einzuschränken! Das heißt nicht, dass ihr euch nicht mehr mit dem aktuellen Weltgeschehen auseinandersetzen sollt – aber es hilft auch hier, sich eine Deadline zu setzen und 15 Minuten gezielt zu konsumieren.

  • Übernehmt Verantwortung! Zum Beispiel wie ihr eure Kinder erzieht, was ihr ihnen erklärt, wie ihr sie in schwierigen Situationen unterstützt. Denn: „Mit Verantwortungsgefühl und einem Sinn für das Allgemeinwohl, mal angenommen, das täten alle... damit kann man viel bewirken.”

  • Stellt euch die Frage: Wie beeinflusse ich die Welt durch mein Handeln in meinem Mikrokosmos? Zum Beispiel durch Sichtbarkeit, durch konstruktive Beiträge – sowohl auf Social Media als auch im echten Leben. „Auch das hat größeren Einfluss, als man denkt.”

  • Versucht, zusammenzuhalten! Vor allem bei Ungerechtigkeiten.

Was tun, wenn ich richtige Zukunftsängste habe?

Hier empfiehlt die Familienberaterin, ähnlich wie bei den Gefühlen: wahrnehmen und spüren. Aber: „Macht euch bewusst, dass die Aussichten vielleicht mager oder schlecht sind. Meist ist jedoch die Stimme in eurem Kopf für die Schwarzmalerei verantwortlich. Denn manche Horrorszenarien sind so konkret noch gar nicht eingetreten! Seid ihr euch sicher, dass das, was die Stimme sagt, zu 100 Prozent wahr ist? Nein. Das ist niemals der Fall. Es kostet uns Kraft und Lebensenergie, wenn wir uns nur mit Katastrophen-Szenarien in unserem Kopf befassen.

Wenn die Gedankenspirale sich mal wieder abwärts bewegt, hat Marquardt folgende Tipps:

  • Setzt euch dreimal täglich ein inneres Stoppsignal, wenn euer Hirn Anstalten macht, euch davonzulaufen!

  • Nehmt euch schon morgens Zeit für euch! Gerade die erste Stunde nach dem Aufwachen sei entscheidend für den weiteren Verlauf des Tages. Achtet dabei darauf, womit ihr euer Hirn füttert!

  • Abends, ca. zwei bis drei Stunden vor dem Schlafen, keine Nachrichten oder Horrorfilme schauen! Das werde unbewusst in unser System gespielt – was uns wiederum gereizt und aggressiv macht.

Merkt euch eins: Gefühle zu haben, sie zuzulassen und zu zeigen, ist menschlich und gut. „Sie sorgen dafür, dass sich unser Körper lebendig anfühlt”, sagt Marquardt. Genau das ist es, was uns ausmacht. „Wenn wir jetzt ein paar Tage missmutig durch die Welt laufen, darf das sein. Wir sind keine Maschinen, jedes Gefühl hat seine Berechtigung.”

Und ist es nicht auch irgendwie schön, dass wir alle so viel (nach)empfinden können? Selbst der Grinch hat am Ende gemerkt, dass er ein großes Herz hat – und fühlen kann!