Glynn Simmons saß 48 Jahre zu Unrecht hinter Gittern
Millionen-Entschädigung für unschuldig Verurteilten
Eine Handvoll Dollar für fast 50 Jahre geraubte Freiheit.
Glynn Simmons erhält 7,15 Millionen US-Dollar (umgerechnet 6,5 Mio. Euro) Entschädigung für 48 Jahre, die er unschuldig hinter Gittern saß. Länger als jeder andere unschuldig Verurteilte in den USA. Erst im vergangenen Jahr wird der heute 71-Jährige freigelassen.
Simmons’ Klage gegen Oklahoma City ist noch offen
Simmons verklagt danach die Städte Edmond und Oklahoma City und Polizisten, die an den Ermittlungen gegen ihn beteiligt waren. Er ist sicher, dass sie Beweise und entlastendes Material gefälscht haben, um ihm den Mord anzuhängen. Jetzt hat er mit der Stadt Edmond einen Vergleich geschlossen. Mit der Zahlung von 7,15 Millionen Dollar sind Simmons‘ Ansprüche gegen die Stadt und einen mittlerweile verstorbenen Ermittler der Polizei Edmonton abgegolten.

Offen ist weiter das Verfahren gegen Oklahoma City und einen dortigen Polizisten. „Obwohl er diese Zeit nie wieder zurückbekommen wird, ermöglicht Herr Simmons dieser Vergleich mit Edmond, nach vorne zu blicken“, so seine Anwältin Elisabeth Wang zu dem Vergleich. Sie und ihr Mandant freuten sich darauf, „sie im März vor Gericht zur Rechenschaft zu ziehen.”
„Es fühlt sich aufregend und schön an, frei zu sein“
Das Verbrechen, das er nicht begangen hat, ereignet sich 1974. In Edmond im US-Bundesstaat Oklahoma wird Carolyn Sue Rogers beim Überfall auf einen Schnapsladen ermordet. Simmons ist zu diesem Zeitpunkt 650 Kilometer entfernt im US-Bundesstaat Louisiana, wo er in Harvey mit seiner Familie und Freunden Weihnachten und den Jahreswechsel feiert. Doch wegen der Aussage einer Frau, der bei dem Überfall in den Kopf geschossen wurde, werden der damals 22-jährige Simmons und ein weiterer Mann verurteilt. Es gibt keinen einzigen klassischen Beweis gegen Simmons.
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Es wird fast ein halbes Jahrhundert dauern, bis dieser fatale Justiz-Irrtum aufgehoben wird. Im Juli 2023 kommt Simmons frei, nachdem ein Gericht das Urteil von 1975 und die Strafe aufhebt. Zunächst auf Kaution. Im Dezember schließlich wird das Verfahren gegen ihn endgültig eingestellt, er ist offiziell rehabilitiert. „Es fühlt sich aufregend und schön an, frei zu sein“, sagt er schlicht.
„Das musst du geregelt bekommen, sonst frisst es dich auf“

Allerdings sei die Rückkehr in die Gesellschaft nach so langer Zeit nicht einfach. Er wolle dennoch jeden Moment seines verbleibenden Lebens auskosten. „Ich genieße jede Minute.“ Was sicher auch damit tun hat, dass Simmons an Leberkrebs erkrankt ist.
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Sein erstes Weihnachten als freier Mann verbringt er mit seinem Sohn, drei Enkel- und sieben Urenkelkindern. Dem britischen Sender BBC erzählt er im Januar: „Alles, was wir seither gemacht haben, war ein erstes Mal.“ Über die Jahrzehnte, die man ihm gestohlen hat, sagt er: „Das musst du geregelt bekommen, sonst frisst es dich auf.“ In der Haft habe er Angstattacken gehabt und mehrfach befürchtet, den Verstand zu verlieren. Er ist sicher: „Die Hautfarbe war auch einer der Gründe, warum ich verurteilt wurde.“
Was er an seiner wiedergewonnenen Freiheit schätze, beschreibt er in dem Interview so: „Den Wechsel der Jahreszeiten beobachten, das Laub, einfache Dinge, die man im Gefängnis nicht tun konnte. Man konnte es nicht genießen. Man konnte es nicht sehen.“ Es sei „berauschend“.