Narkose-Urteil löst Empörung aus

Emilias Eltern müssen zusehen, wie der Todesarzt einfach aus dem Gerichtssaal spaziert

von Bella Christophel und Daniel Kandora

Ihre Tochter könnte heute noch leben!
Aber Emilia ist tot - mittlerweile seit drei Jahren. Die Vierjährige stirbt, obwohl sie eigentlich nur wegen einer Karies-Behandlung zum Zahnarzt muss. Doch ihr Narkosearzt macht tödliche Fehler. Das Urteil gegen ihn lässt Emilias Familie fassungslos zurück.

Wiedersehen vor Gericht

Zwei Tage wird die Familie von der getöteten Emilia (4) niemals vergessen. Der eine Tag ist der 28. September 2021. Da stirbt das kleine Mädchen auf dem Zahnarztstuhl in Kronberg (Hessen). Der andere Tag ist der 1. November 2024. An diesem Tag wird Gerald W. schuldig gesprochen, für den Tod von Emilia verantwortlich gewesen zu sein. Und doch geht er an diesem Tag wieder nach Hause. Der bereits erlassene Haftbefehl bleibt ausgesetzt, der Mann also erstmal auf freiem Fuß. „Ein Witz”, findet Emilias Familie.

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Wut ist deutlich spürbar

Wenige Stunden zuvor wartet die Familie zusammen mit Angehörigen anderer geschädigter Kinder im Gerichtssaal auf den Einzug der Richter. Viele weinen schon, bevor es überhaupt losgeht. Alle wirken sehr ergriffen und angefasst. Es ist spürbar, wie wütend sie nach wie vor auf den Angeklagten sind - und wie traurig sie diese Tragödie immer noch macht.

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Dann, um kurz vor zehn Uhr, fällt das Urteil. Gerald W. wird zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt. Unter anderem wegen Totschlags, versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung. Staatsanwalt Dominik Mies zu RTL: „Der Angeklagte hat sich aus einem Propofolbehältnis bedient, hat also aus einem Behältnis mehrere Spritzen aufgezogen, was gegen jegliche Hygienevorschriften verstößt.” Die Staatsanwaltschaft hatte gefordert, den 67-Jährigen sogar wegen Mordes zu verurteilen.

Der angeklagte Narkosearzt (re.) kurz vor der Urteilsverkündung.
Der Angeklagte muss nach dem Urteil zunächst nicht in Haft, da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.
RTL
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Wollte er seinen Pfusch verdecken?

Gerald W., so die Richter in der Begründung, hätte gewusst, dass bei seiner Narkosebehandlung eine Sepsis, also eine Blutvergiftung, eintreten kann. Er habe sich nicht an Basiswissen gehalten. Er hätte das kleine Mädchen ins Krankenhaus überweisen müssen - doch er tat es nicht. Staatsanwalt Dominik Mies sagt im RTL-Interview, „dass der Angeklagte wusste, dass er vorher schon diese Hygienemängel verursacht hat. Er wollte nicht, dass das herauskommt. Und dementsprechend hat er nicht versucht, die Kinder in ein Krankenhaus zu bringen oder den Notarzt zu verständigen.”

Nicht nur Emilia wurde von W. behandelt

Und trotzdem darf Gerald W. nach dem Urteil - zumindest vorerst - wieder nach Hause. Das finden nicht nur Emilias Angehörige empörend. Viele Tränen fließen im Gerichtssaal.
Vielleicht gibt es bald noch einen Tag im Leben von Emilias und vielen anderen Familien, den sie nicht vergessen werden. Denn die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie in Revision geht. Dann könnte es sein, dass Gerald W. doch noch wegen Mordes verurteilt wird und lebenslang ins Gefängnis muss.