Ein Kommentar

Keine Noten bis zur 8. Klasse - was für ein Quatsch!

Zwei Schüler sitzen bei einer Mathematik-Olympiade in einem Klassenzimmer.
In Hamburg können es sich Schulen bis zur 8. Klasse aussuchen - Noten oder Berichte.
Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild
von Dimitri Blinski

Setzen - sechs!
Ein Klassiker – der in Hamburg an vielen Schulen so nicht mehr möglich ist. Stattdessen soll die Lehrkraft in blumigen Worten erklären, dass das vergessene Referat – nun ja, keine Glanzleistung ist. Denn alle Schulen in der Hansestadt dürfen bis zur 8. Klasse auf Noten verzichten, das hat Schulsenatorin Ksenija Bekersi (SPD) am Dienstag (9. Juli) bekanntgegeben. Ich finde das falsch.

Noten sorgen auch für Ehrgeiz

Keine Noten für Schüler in den Klassen 5,6,7,8 – das halte ich für einen Fehler. Ja – Schulnoten können für Stress und Verzweiflung sorgen – aber auch für Ehrgeiz und am Ende Stolz. Ich habe etwas geleistet, also verdiene ich auch eine Bewertung. Der Erfolg oder Misserfolg lässt sich als Zahl nun mal deutlich klarer ausdrücken. Übrigens, eine ausführliche Beurteilung entspricht ebenfalls Noten, sie werden nur verschriftlicht. Am Ende hat die Lehrkraft also eine Note im Kopf und versucht sie in vorgefertigten Satzbausteinen niederzuschreiben.

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In einer Schule ohne Noten sind Schüler noch mehr gefordert

Und das Argument, bei einem Bericht statt einer Ziffernnote, wüssten die Kinder, woran sie noch arbeiten müssten? Nach jeder Klassenarbeit, nach jedem Referat, nach jeder abgegebenen Hausarbeit bekommen Schülerinnen und Schüler genau aufgezeigt, was gut war und woran sie noch arbeiten müssen. Inhaltliches Feedback gibt es im Austausch mit den Lehrkräften – Feedback kann immer eingefordert werden. Wer jetzt sagt, Schüler wären häufig nicht so weit, sich eigenständig Feedback einzuholen, dem möchte ich entgegnen: In einer Schule ohne Noten sind Schüler noch viel mehr gefordert und zur Selbständigkeit verdammt. Auch Eltern müssen sich hier noch mehr einbringen, um überhaupt zu verstehen, was die Beurteilung bedeutet. Ist das Kind nun gut oder doch eher befriedigend in Mathe – Nachhilfe, ja oder nein?

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In Baden-Württemberg werden Kinder mit neun oder zehn knallhart nach Leistung sortiert

In Baden-Württemberg, dort wo ich zur Schule gegangen bin, bekommt man bereits in der 4. Klasse eine Empfehlung für eine weiterführende Schule. Kinder mit neun oder zehn Jahren werden knallhart nach Leistung sortiert – denn nichts anderes zählt für die begehrte Gymnasialempfehlung. Die ich übrigens nicht bekommen habe. Wir dürfen auch nicht vergessen: Noten sind in Deutschland nicht nur 1 bis 6. In den Anfangsjahren wird viel mit Plus und Minus gearbeitet, später reicht die Skala von 0 bis 15 Zensurenpunkte. Es gibt also viele Abstufungen, die Tendenzen aufzeigen.

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An der Uni zählt einzig der Notendurchschnitt

„Wir bereiten unsere Kinder auf das Leben in einer Leistungsgesellschaft vor, und auch die Eltern haben ein Recht darauf, kurz und verständlich über den Leistungsstand ihrer Kinder informiert zu werden“, sagt der ehemalige Hamburger Bildungssenator, Ties Rab (SPD) im Interview mit dem Spiegel. Nicht selten hört man von Waldorfschülern, wie schwer sie es später hatten. Dort wird erst ab Klasse 11 mit Noten gearbeitet. Ja – das Leben ist nicht nur schwarz oder weiß – und doch zählt bei der Bewerbung an einer Uni oder Hochschule ausschließlich der Notendurchschnitt. Auch Betriebe nehmen Zeugnisse gerne als Orientierungshilfe – später überzeugt man mit Erfahrung. Aber die muss man sich erst erarbeiten.