„Es ist ein Armutszeugnis”Hamburg lässt 30 Straftäter wegen Überfüllung frei

Alle Jahre wieder ist der Knast zu voll ...
Die Gefängnisse in Hamburg kommen an ihre Grenzen - und das nicht nur personell. Nein, die Haftanstalten platzen förmlich aus ihren Nähten. Immer mehr Häftlinge kommen dazu und verhältnismäßig wenige gehen. Nun gibt es eine Lösung, die viel Kritik hervorruft.
Kommen etwa noch mehr Häftlinge frei?
Bereits vor einem Jahr war die Situation in den Hamburger Gefängnissen mehr als kritisch. Seither hat sich die Situation nicht verbessert. Im Gegenteil: Sie hat sich verschlimmert. Am schwierigsten ist die Lage in der Untersuchungshaft. 526 Plätze sind hier laut der Hamburger Morgenpost belegt, dabei hat das Gefängnis eigentlich nur 462 verfügbare Plätze. Auch in Hamburgs größtem Gefängnis, der JVA Billwerder, liegt die Zahl der Häftlinge über der eigentlichen Kapazität. Um die Kapazitäten der Strafanstalten zu schonen, sollen nun zunächst 30 Häftlinge frei kommen. In den nächsten sechs Monaten könnten noch weitere folgen.
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Betroffen von dieser ungewöhnlichen Entscheidung sind Straftäter, die zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, diese aber nicht bezahlten und deshalb eine sogenannte „Ersatzfreiheitsstrafe” absitzen müssen. Darunter fallen unter anderem Schwarzfahrer, Ladendiebe sowie auch Schläger.
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Das gibt es doch sonst nur an Weihnachten
Dass Verurteilte vorzeitig nach Hause dürfen, gibt es für gewöhnlich nur an Weihnachten. Wie die Bild berichtet, soll es ein Rundschreiben der Staatsanwaltschaft an die Polizeikommissariate in Hamburg geben. Dieses fordere die Beamten dazu auf, Männer, gegen die wegen unbezahlter Geldstrafen ein Haftbefehl vorliege, nicht mehr festzunehmen. Dies bestätigt auch die Hamburger Justizbehörde: „Es werden vorerst keine neuen Ersatzfreiheitsstrafler mehr aufgenommen.“ Jedoch sei zu betonen, dass die Strafen weiterhin gelten und zu einem späteren Zeitpunkt vollstreckt werden.
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Die Hamburger Polizei sieht diese Vorgehensweise überaus kritisch. Im Gespräch mit der Bild erklärt der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG) Thomas Jungfer: „Es ist ein Armutszeugnis für Justizsenatorin Anna Gallina und ihre Behörde, dass sie nicht für genügend Haftplätze sorgen kann. Jetzt müssen wir Personen, die zur Festnahme ausgeschrieben wurden, wieder laufen lassen. Armseliger geht‘s kaum noch.“
Hamburg bleibt kein Einzelfall
Doch obwohl die Situation in Hamburg äußerst erschreckend ist, bleibt sie kein Einzelfall. Bereits vor wenigen Monaten wurden 1700 Häftlinge in Großbritannien wegen überfüllter Zellen vorzeitig entlassen. Auch die Berliner Gefängnispsychiatrie muss im Jahr 2024 zwei Straftäter entlassen, weil für sie kein Platz ist.
Von der Justizbehörde heißt es: „Wie in anderen Bundesländern ist auch in Hamburg die Belegungssituation in den Justizvollzugsanstalten stark angespannt.“ Eine Verlegung der Häftlinge komme daher nicht infrage. Das Aufschieben beziehungsweise Unterbrechen der Strafvollstreckung sei hingegen eine gute Methode, die sich bereits zu Corona-Zeiten bewährt habe, heißt es aus der Justiz. (rkm)