Stadt schlägt radikalen neuen Weg ein

Fußgänger dürfen ab sofort auch über Rot gehen

Ein Schild mit einem Grünpfeil für Radfahrer ist an der Ampelanlage an der Albertbrücke montiert.
Rote Ampel einfach ignorieren? Was hier für Fahrradfahrer erlaubt ist, gilt bald überall in New York. (Symbolbild)
Robert Michael/dpa

Wer hat darüber nicht schon einmal nachgedacht?
Die Ampel zeigt Rot, kein Auto kommt – jetzt einfach losgehen? Diese Situation kennt wohl jeder. Dennoch: Erlaubt ist es in Deutschland nicht. In New York ist das ab sofort anders. Ein neues Gesetz erlaubt es Fußgängern, abseits von Zebrastreifen eine Straße zu überqueren oder bei Rot über die Ampel zu gehen.

Jeder geht in New York über Rot

Das vom Stadtrat im vergangenen Monat verabschiedete Gesetz trat über das Wochenende offiziell in Kraft, nachdem der New Yorker Bürgermeister Eric Adams in der 30-tägigen Frist kein Veto gegen das Gesetz eingelegt oder es unterzeichnet hatte.

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Der Hintergrund des Gesetzes sind ethnische Ungleichheiten. Mehr als 90 Prozent der im vergangenen Jahr erteilten Bußgelder für das unerlaubte Überqueren von Straßen seien an Schwarze und Latinos gegangen, sagte die demokratische Stadträtin Mercedes Narcisse. „Seien wir ehrlich, jeder New Yorker geht bei Rot über die Straße. Die Menschen versuchen einfach, dorthin zu gelangen, wo sie hinmüssen“, erklärte sie am Dienstag. Gesetze, die alltägliches Verhalten bestrafen, sollten ihr zufolge nicht existieren – besonders dann nicht, wenn sie sich ungerecht auf Schwarze auswirken. Durch das Gesetz habe die Polizei auch mehr Zeit, sich auf andere Dinge zu fokussieren. Niemand hat jemals gesagt: ‚Ich bin so froh, dass wir diesen Straßenkreuzer geschnappt haben‘.“ Narcisse hatte den Gesetzesvorschlag in den Stadtrat eingebracht.

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Polizei nutzt Rotlichtverstöße für Kontrollen

Die Legal Aid Society bezeichnete das Gesetz als längst überfällig. Die gemeinnützige Organisation, die New Yorkern, die sich keinen Anwalt leisten können, eine kostenlose Rechtsvertretung bietet, sagte, die Polizei nutze den Verstoß seit Jahrzehnten als Vorwand, um Einwohner – insbesondere Schwarze – aufzuhalten, zu befragen und zu filzen.

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Das neue Gesetz erlaubt es Fußgängern, die Fahrbahn an jeder Stelle zu überqueren, auch außerhalb eines Zebrastreifens. Es erlaubt auch das Überqueren entgegen der Verkehrszeichen und besagt ausdrücklich, dass dies nicht mehr gegen die städtische Verwaltungsordnung verstößt. Wer dies tut, habe laut dem Gesetz jedoch keine Vorfahrt und müsse diese dem übrigen Verkehr gewähren.

Fußgänger müssen bei Unfällen haften

Die Sprecherin von Adams, Liz Garcia, wollte die Entscheidung des Bürgermeisters, das Gesetz in Kraft treten zu lassen, zunächst nicht kommentieren. Sie betonte allerdings, dass der Gesetzentwurf deutlich mache, dass das Überqueren der Straße bei Rot ein höchst riskantes Verhalten sei. Menschen müssten nach wie vor für Unfälle haften, die dadurch verursacht würden.

Andere amerikanische Städte und US-Bundesstaaten, wie Denver, Kansas City, Missouri, Kalifornien, Nevada oder Virginia entkriminalisierten das unerlaubte Überqueren von Straßen bereits in vergangenen Jahren. (reuters/eon)