Er kommt mit 12 Brüchen auf die Welt
Valentin hat Knochen wie aus Glas: "Er ist ein Baby wie jedes andere"
von Anna-Sophie Schütz
19 Knochenbrüche – so viele hat der kleine Valentin aus Hamburg im Alter von gerade einmal vier Monaten schon hinter sich. 12 davon erlitt er bei der Geburt, sechs Armbrüche und ein Beinbruch folgten in den vergangenen Monaten. Der Grund dafür heißt Osteogenesis Imperfecta, es handelt sich dabei um die sogenannten Glasknochenkrankheit. Für die Familie von Valentin ist das aber noch lange kein Grund, den Kopf hängen zu lassen – sie wird aktiv.
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Die Diagnose kam per Zufall
Eines steht für Valentins Mütter Julia und Agnieszka felsenfest: Ihr Sohn ist ein absolutes Wunschkind – und: er wollte unbedingt auf diese Welt kommen. Kaum hatte das Paar vor gut einem Jahr überraschend schnell und unkompliziert einen geeigneten Samenspender gefunden, war Julia auch schon mit Valentin schwanger. Dass mit ihrem Baby etwas nicht stimmen könnte, erfuhr die 36-Jährige durch einen Zufall. „Wir hatten vorher keine Fruchtwasseruntersuchung machen lassen, denn uns war klar: Es würde für uns keinen Unterschied machen“, erzählt Julia im Gespräch mit RTL. Als sie und ihre Partnerin sich aber für einen geplanten Kaiserschnitt im Krankenhaus anmeldeten, fiel den Ärzten bei einer Untersuchung auf, dass die Oberarme und Oberschenkel des ungeborenen Kindes kürzer waren als gewöhnlich. Das Fruchtwasser wurde daraufhin doch untersucht und das Warten für die werdenden Eltern begann.
"Es waren die schrecklichsten fünf Wochen unseres Lebens"
Fünf lange Wochen mussten Julia und Agnieszka auf das Ergebnis der Fruchtwasseruntersuchung warten. Die Ärzte versuchten sie auf mögliche Diagnosen vorzubereiten: Sie erklärten ihnen, dass ihr Baby kleinwüchsig, nicht lebensfähig oder von der sogenannten Glasknochenkrankheit betroffen sein könnte. "Es waren die schrecklichsten fünf Wochen unseres Lebens", erinnert sich Agnieszka. In der 35. Schwangerschaftswoche kam dann der Anruf und damit die Gewissheit: Valentin leidet wie befürchtet an der Glasknochenkrankheit und ist zudem kleinwüchsig. Ein Schock für die werdenden Mütter: „In dem Moment haben wir uns sehr allein gelassen gefühlt“, sagt Agnieszka.
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Hoffnung dank Stammzellentherapie in Schweden
Anstatt sich von der Diagnose unterkriegen zu lassen, wurden das Paar aktiv. „Wir haben nicht gesagt ‚Oh Gott, jetzt ist die Welt zu Ende.’ Stattdessen haben wir lösungsorientiert gedacht und uns überlegt ‚Was können wir jetzt machen‘?“, erklärt Agnieszka.
Also recherchierten die werdenden Eltern im Internet und den sozialen Medien, nahmen Kontakt zu Selbsthilfegruppen auf und stießen auf einen Arzt in Köln, der sie nach Schweden vermittelte. Dort bekam der ungeborene Valentin die Möglichkeit, an einer Studie teilzunehmen, bei der von der Glasknochenkrankheit betroffene Babys eine Stammzellentherapie erhalten. Diese soll die Knochen der kleinen Patienten stärken, damit sie nicht so häufig brechen und das Wachstum der Kinder unterstützen.
Eine Woche bekamen Julia und Agnieszka Zeit, um sich zu entscheiden. Kurz darauf ging es hochschwanger mit dem Flugzeug nach Schweden und Valentin wurde als erstes Baby auf der Welt noch vor seiner Geburt mit einer ersten Dosis behandelt. „Wir sind so dankbar, die Ärzte waren so eine große Hilfe für uns“, berichten die Eltern.
Geburt mit zwölf Knochenbrüchen
Am 8. Dezember 2021 kam Valentin Jan Peter dann per Kaiserschnitt und mit zwölf Knochenbrüchen auf die Welt – sein dritter Name, Peter, ist eine Hommage an einen der behandelnden schwedischen Ärzte.
Fünf Tage verbrachte Mama Julia mit ihrem Baby auf der Neugeborenen-Intensivstation, dann ging es mit 20 km/h im Krankenwagen in ein Kinderkrankenhaus, um Valentin durch das Rütteln der Fahrt nicht weiter zu verletzen.
Auch wenn er so zerbrechlich ist, für seine Mütter ist Valentin einfach nur ihr Sohn: „Ich glaube, die Angst vorher war viel größer als zu dem Zeitpunkt, als Valentin dann da war“, erinnert sich Julia. „Man verliert in dem Moment die Scheu, in dem man sein eigenes Baby einfach hat und sich um ihn kümmert und ihn wäscht und wickelt. Da wächst man ganz schnell in die Aufgabe hinein.“
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Für seine Mütter ist Valentin einfach nur ihr Baby
Auch Mutter Agnieszka stellte rasch für sich fest: „Man kann den Umgang mit ihm schnell lernen. Man lernt Valentin kennen und weiß dann, was er abkann und was nicht.“ Ihn in einer Trage umherzutragen sei zum Beispiel kein Problem. Kleidung dürfe ihm hingegen nicht über den Kopf gezogen werden, beim Baden müssten zwei Personen beteiligt sein und beim Wickeln nicht an seinen Armen oder Beinen gezogen werden. Doch Hilfe kam und kommt auch von außen: Andere Eltern, die ebenfalls ein Kind mit Glasknochenkrankheit haben, hätten dem Paar kleine Erklärvideos geschickt, in denen sie zeigen, wie sie ihre Babys wickeln.
Unterm Strich sind Julia und Agnieszka sich einig: „Er ist ein Baby wie jedes andere und hat auch genau die gleichen Bedürfnisse.“ Nur müsse man eben vorsichtiger mit ihm umgehen.
Jeder Bruch verursacht schlimme Schmerzen
Doch auch wenn die beiden Eltern die Herausforderungen, die Valentins Erkrankung mit sich bringen, gut meistern, gibt es auch schwere Momente: „Schrecklich ist das, er spannt seinen Arm an und schon ist ein Knochen gebrochen“, erzählt Agnieszka. Valentin leide bei jedem seiner Brüche unter starken Schmerzen. Ein Schmerz, den auch die Eltern spüren, wann immer ihr Kind schreit. Lange konnten sie ihren Sohn nur mit leichten Schmerzmitteln behandeln, die kaum halfen – mittlerweile haben sie die Schmerztherapie anpassen können. Eine Erleichterung für die ganze Familie – und vor allem für Valentin. „Wenn er keine Schmerzen hat, ist er ein so fröhliches und entspanntes Baby“, freut sich Julia. „Er ist einfach nur fantastisch, besser geht es nicht“, ergänzt Agnieszka.
Spendenaufruf soll Familie unterstützen
In ihren Alltag mit noch zwei jugendlichen Geschwistern habe sich der kleine Valentin wunderbar eingefügt. Einmal die Woche geht es für ihn und Mama Julia zur Physio- und Musiktherapie. Alle drei Monate steht ein Krankenhausbesuch auf dem Plan, im Sommer und im Herbst geht es für die Fortführung der Stammzellentherapie wieder nach Schweden.
Vor allem ist Valentin aber in alle schönen Aktivitäten seiner Familie integriert „Das ist total wichtig, er ist nicht ausgegrenzt, sondern überall dabei“, sagt Julia. Damit das weiterhin so bleiben kann, haben sie und ihre Partnerin einen Spendenaufruf gestartet und sammeln Geld für ein neues Auto, das auch den Bedürfnissen ihres Sohnes gerecht wird. Groß sollte es sein und eine Rampe haben, da Valentin mit großer Wahrscheinlichkeit zumindest zeitweise auf einen Rollstuhl angewiesen sein wird.
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