Ukraine-Konflikt

Zu Weihnachten Krieg im Osten? Was Putin wirklich will

Putin und Selenskyj
Russlands Staatspräsident Wladimir Putin (l) und Wolodymyr Selenskyj, Staatspräsident der Ukraine.
deutsche presse agentur

Von Thomas Berding

Beim ersten EU-Gipfel des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz schlug der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj Alarm: An der Ostgrenze seines Landes lasse Kremlchef Wladimir Putin mehr als 100.000 Soldaten und schweres Gerät aufmarschieren. Es drohe Krieg. Krieg zu Weihnachten, oder ist das alles nur Bluff Putins?

Putins Psychotricks

Der russische Präsident ist ein Meister der psychologischen Kriegsführung. Renitente und abtrünnige Nachbarstaaten werden wirtschaftlich, militärisch und vor allem mithilfe von Desinformationskampagnen unter Druck gesetzt. Seit Wochen lässt Putin Bilder verbreiten von Zügen, beladen mit schweren Panzern, Artillerie, Raketenwerfern und Truppen, die Richtung Ukraine fahren.

Russische Truppen bedrohen die Ukraine

Leider sind das keine Fake-News: Mehr als 100.000 russische Soldaten sollen bereits an der Grenze zur Ukraine auf ihren Einsatzbefehl warten, zuletzt zogen schier endlose Kolonnen von militärischen Tankfahrzeugen in das Gebiet.

Noch ist das alles vermutlich nicht genug, um einen Angriff auf das Nachbarland zu wagen. Aber bei entsprechender Vorbereitung wäre die ukrainische Armee der russischen klar unterlegen, obwohl erst kürzlich Kampfdrohnen aus der Türkei und ein Panzerabwehrsystem aus den USA geliefert bekommen haben.

Wladimir Putin müsste bei einem Angriff mit erheblichen Verlusten seiner Armee rechnen und mit hohen finanziellen Kosten: Die EU und die USA haben weitreichende Finanz- und Wirtschaftssanktionen für diesen Fall angekündigt. Russland könnte vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten werden, was verheerend für die russische Wirtschaft wäre.

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NATO-Generalsekretär: Kein Zeichen der Entspannung

Nach Angaben der NATO setzt Russland seine Truppenbewegungen in Richtung der Ukraine unverändert fort. „Man sehe keine Anzeichen dafür, dass der militärische Aufbau aufhöre oder sich verlangsame“, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Rande eines Treffens mit Selenskyj in Brüssel. „Das Gegenteil ist der Fall, es geht weiter.“ Stoltenberg nannte das russische Vorgehen ungerechtfertigt, provozierend und destabilisierend.

Was will der russische Präsident?

Aber warum pokert der russische Präsident so hoch, warum riskiert er einen Krieg und eine weitere internationale Ächtung? Antwort: Der Kremlchef hätte gern die alte Sowjetunion zurück.

Russland als Zentralmacht des Ostens umgeben von folgsamen Satellitenstaaten, die gemeinsam ein Bollwerk gegen den vermeintlich arroganten Westen bilden. Aber realistisch ist dieses Ziel natürlich nicht. Putin wäre schon zufrieden, wenn sich das westliche Bündnis nicht weiter nach Osten ausdehnt und eine Aufnahme der Ukraine und Georgiens formell ausschließen.

NATO-Staaten wollen sich nicht erpressen lassen

Wird Putin sich damit durchsetzen? Das gilt unter Experten sehr unwahrscheinlich, weil die NATO ihm damit ein Vetorecht über deren Zukunft zubilligen würde. Die große Mehrheit der Bündnisländer wollen sich vom Kremlchef nicht erpressen lassen.Die Frau, die ihm das in den letzten 16 Jahren immer wieder aufs Neue versuchte klar zu machen, ist allerdings nicht mehr im politischen Geschäft: Ex-Kanzlerin Angela Merkel.