Nach umstrittenem Video von Xavier Naidoo

Warum Rassismus nichts mit Meinungsfreiheit zu tun hat

Immer mehr Menschen werden weltweit vertrieben und fliehen vor Gewalt, staatlicher Verfolgung, Kriegen oder Diskriminierung.
Niemand flieht freiwillig. Immer mehr Menschen werden weltweit vertrieben und fliehen vor Gewalt, staatlicher Verfolgung, Kriegen oder Diskriminierung.
ViennaFrame;H.M., iStockphoto

Sänger Xavier Naidoo singt in mehreren Videos über vermeintliche Missstände in Deutschland und hat dafür reichlich Kritik geerntet. Naidoo wies die Vorwürfe des Rassismus in einem Statement entschieden zurück. Rassenhass und Fremdenfeindlichkeit seien ihm völlig fremd, „auch wenn er sich zuweilen emotional künstlerisch“ äußere. Seine Texte seien absolut falsch interpretiert worden. Doch ab wann ist eine Aussage rassistisch? Wo sind die Grenzen? Wann geht es dabei nicht mehr um Meinungsfreiheit?

Wichtiger Unterschied zwischen Meinung und Rassismus

Artikel 5 des Grundgesetzes besagt: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern.“ Die Menschen in Deutschland dürfen sich frei äußern. Doch nicht jede Meinung ist nicht gleich eine Meinung. Sobald sie Hassgefühle, feindselige Stimmungen und Emotionen gegenüber jemanden oder einer Gruppe von anderer Hautfarbe, einer anderen Religion, einer anderen Herkunft als Deutschland beinhaltet oder vermeintliche Minderheiten niedermacht, sprechen wir von Rassismus.

Rassisten sehen alle Menschen, die ihren eigenen Merkmalen ähnlich sind, als höherwertiger als alle anderen, die eben nicht dieselbe Hautfarbe, Körpergröße, Sprache oder Kultur haben.

Hass und Hetze gegen Geflüchtete

In dem fraglichen Videoausschnitt singt Xavier Naidoo unter anderem: „Ich hab‘ fast alle Menschen lieb aber was, wenn fast jeden Tag ein Mord geschieht, bei dem der Gast dem Gastgeber ein Leben stiehlt, dann muss ich harte Worte wählen. Denn keiner darf meine Leute quälen.“ Offensichtlich bezieht er diese Zeilen auf die Flüchtlinge, die nach Deutschland gekommen sind. Laut der "Polizeilichen Kriminalstatistik 2018" wurden 2018 mehr Menschen durch deutsche Tatverdächtige getötet als durch nichtddeutsche.

Mit seinen Aussagen schürt der Sänger Hass gegen Geflüchtete. „Das kann dazu führen, dass Menschen sich bestätigt fühlen per ‚Eigenjustiz‘ hier mal ‚sauber zu machen‘, wie geschehen in Hanau, Chemnitz oder versucht in Halle“, meint Journalist Malcolm Ụzọma Ohanwe aus München, der sich seit zehn Jahren mit der Schnittstelle Gesellschaftspolitik, Identität und Rassismus in Popkultur und Musik beschäftigt. „Und es öffnet dann wiederum die Frage der Konsequenz: Was soll aus einer Weltanschauung resultieren, die Flüchtlinge mit Mördern gleichsetzt? Alle pauschal eliminieren? Dann wird es ziemlich gruselig, wenn man solchen Meinungen ernsthaft Raum gibt für Debatte.“

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Vor allem Künstler haben eine große Verantwortung

Viele Fans, die die Aussagen von Xavier Naidoo unterstützen, berufen sich auf die freie Meinungsäußerung. "Jeder hat seine eigene Interpretation. Ich finde man sollte dem Künstler diese künstlerische Freiheit lassen", schreibt ein User unter Xavier Naidoos Statement. Doch was viele vergessen: Künstler haben eine große Verantwortung - und damit auch einen gewissen Einfluss auf viele Menschen. Aussagen wie von Xavier Naidoo können radikale Denkweisen gegenüber Flüchtlingen auslösen oder verstärken. „Für das rechte Spektrum ist das nur Wind in deren Mühlen“, trifft ein Facebook-User den Kern der Sache.

Rassistische Äußerungen können zu einer großen Gefahr werden. Mit jedem Aussprechen eines rassistischen Vorurteils löst man verinnerlichte Gefühle bei manchen Menschen aus. Das kann für viele Betroffene zu einem großen Problem werden. „Leute können wegen solcher rassistischen Vorbehalte und Äußerungen, die eine solche Stimmung anfeuern, oft ihre Miete nicht bezahlen, geschweige denn eine Wohnung finden. Und es belastet die Betroffenen psychisch und kann zu Selbstwertproblemen und anderen Komplexen führen“, erzählt Malcolm.

„Meinungsfreiheit hört dort auf, wo das Strafrecht beginnt“

Durch einen neuen Gesetzesentwurf vom 19. Februar 2020 sollen Rechtsextremismus und Hasskriminalität härter bestraft werden. Soziale Netzwerke müssen dem Bundeskriminalamt Hasspostings, die sie selbst für strafbar halten und deshalb gelöscht haben, melden. „Diese Meldepflicht an das BKA umfasst schwere Fälle von Hasskriminalität wie Volksverhetzungen, Mord- und Vergewaltigungsdrohungen, Hinweise auf terroristische Vereinigungen oder das Verbreiten von NS-Propaganda“, sagt Dr. Ariane Keitel, Sprecherin des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. „Damit schaffen wir einen effektiven Weg, damit Hass-Straftaten konsequent vor Gericht gebracht werden können.“

Justizministerin Christine Lambrecht hält den Rechtsradikalismus für die größte Gefahr des Landes: „Eines muss klar sein: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, und die Meinungsfreiheit hört dort auf, wo das Strafrecht beginnt.“

Konsequenz nach rassistischem Clip

Xavier Naidoo schuldet RTL immer noch viele Antworten. Außerdem sind weitere Videos aufgetaucht, die in eine ähnliche Richtung gehen. Das hat RTL bewogen, ihn dauerhaft aus der Jury von „Deutschland sucht den Superstar“ zu nehmen. RTL lehnt jede Form von Rassismus und Extremismus entschieden ab.