Wenn der Arzt Fehler macht: Ihre Rechte als Patient

Leider passiert es immer wieder, dass Patienten nach einer ärztlichen Behandlung über unerwartete Beschwerden klagen. Dabei muss nicht unbedingt ein krasser Operationsfehler passieren, auch schon bei kleineren Auffälligkeiten kann es zum Streit zwischen Ärzten und Patienten kommen. Allerdings muss nicht unbedingt ein Behandlungsfehler vorliegen, wenn der Erfolg ausbleibt.

Eine OP-Schwester greift am Dienstag (16.03.2010) im Operationssaal der Thoraxchirurgie der Klinik für Thoraxchirurgie der Niels-Stensen-Kliniken Krankenhaus St. Raphael Ostercappeln (Landkreis Osnabrück) nach OP-Besteck. Von bundesweit fünf Einrichtungen gehört die Ostercappelner Klinik als erste Fachabteilung in Niedersachsen zu einem zertifizierten Kompetenzzentrum für Thoraxchirurgie. Foto: Friso Gentsch dpa/lni  +++(c) dpa - Bildfunk+++
Fehler sind menschlich. Aber wenn Ärzte Fehler machen, kann das fatale Folgen haben.

Ganz wichtig ist: Jede ärztliche Behandlung erfolgt individuell. Genau wie die Krankheitsbilder der Patienten individuell sind. Es gibt keine Standardbehandlungen für bestimmte Krankheitsfälle. Vielmehr betrachtet ein Arzt jeden Patient als eigenständiges Individuum, als einen Menschen mit einer eigenen Krankheitsgeschichte, mit unterschiedlichen Beschwerdebildern, Empfindlichkeiten und Bedürfnissen.

Bei medizinischen Behandlungen gibt es in diesem Sinne also kein klassisch allgemeingültiges Recht eines Patienten. Bei Streitfällen und Konflikten muss deshalb immer die spezielle, individuelle Situation des Patienten im Vordergrund stehen. Wenn Ihr Nachbar nach einer missglückten Operation am Fuß Schmerzensgeld erhält, bedeutet das noch lange nicht, dass auch Sie nach einer aus Ihrer Sicht ungenügend verlaufenen Fuß-OP unter gleichen Bedingungen ebenfalls Geld erhalten.

Auf Folgendes sollten Patienten achten:

• Der Arzt muss Ihnen stets das Risiko einer Behandlung vermitteln. Dazu ist er verpflichtet. Dies gilt insbesondere für Operationen. Ohne Zustimmung darf er grundsätzlich keinen Eingriff vornehmen. Der Arzt muss wahrheitsgemäß, vollständig und verständlich antworten. Die letzte Entscheidung liegt eindeutig bei Ihnen.

• Die Kommunikation zwischen Ihnen und Ihrem Arzt sollte freundlich und sorgfältig sein. Sie müssen sich sicher aufgehoben fühlen. Bei einer möglichen Operation sollte sich der bzw. die Mediziner auch um Betäubung und Therapie kümmern.

• Dazu gehört auch, die "passenden" Arzneien zu verordnen und wegen der Einnahme nicht nur auf den Beipackzettel zu verweisen. Der Arzt hat den Patienten entsprechend seines Vorwissens aufzuklären.

• Sie als Patient haben das Recht, Ihre Behandlungsunterlagen einzusehen; sogar Fotokopien dürfen (wenn auch gegen Kostenerstattung) verlangt werden.

Behandlungsfehler - Was tun?

Von Behandlungsfehlern spricht man im allgemeinen, wenn Patienten aufgrund ärztlicher Sorgfaltpflichtverletzungen Schäden erleiden. Wenn Sie von solch einem Fall ausgehen, also dass Sie Opfer eines Behandlungsfehler wurden, können Sie folgendes tun:

• Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, erläutern Sie das Beschwerdebild und erklären Sie, warum Sie sich falsch behandelt fühlen.

• Führt das Gespräch Ihrer Ansicht nach zu keinem Ergebnis, können Sie die Ärztekammer einschalten. Dort gibt es die Möglichkeit ein für Sie kostenfreies Schlichtungsverfahren einzuleiten. In den meisten Fällen kommt es dabei zur Einigung.

• Eine weitere Möglichkeit bietet sich gesetzlich Krankenversicherten. Diese können nämlich auch ihre Kasse um Rat fragen - auch wenn die Krankenkassen nicht selbst tätig werden dürfen. Dennoch wird man Ihnen dort im Normalfall weiter helfen.

• Sollte sich der Konflikt dann immer noch nicht lösen lassen, müssen Sie den Streitfall mit dem betreffenden Mediziner oder der Klinik wohl vor Gericht austragen. Dies sollten Sie aber nur mit Hilfe eines versierten Anwaltes tun. Denn wie bereits zu Anfang erwähnt, gleicht in der Medizin kein Fall dem anderen. Das Streitgebiet ist äußerst kompliziert.

Zu beachten gilt: Hat der Arzt oder die Ärztin schuldhaft gehandelt, so stehen dem geschädigten Patienten grundsätzlich Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zu. So müssen zum Beispiel Schäden infolge von Behandlungsfehlern in der ärztlichen/ zahnärztlichen Praxis und im Krankenhaus, aber auch Pflegefehler in Pflegeeinrichtungen entschädigt werden. Betroffene können zudem Ansprüche gegen die Arzneimittel- oder Medizinprodukte-Hersteller stellen, falls Schäden durch fehlerhafte Arzneimittel oder Medizinprodukte verursacht wurden.

Doch auch dies muss immer von Fall zu Fall entschieden werden - und die Beweise muss dabei der betroffene Patient erbringen. Einen ärztlichen Behandlungsfehler nachzuweisen, ist aber - wie erwähnt - ein juristisch kompliziertes Gebiet. Neben einem guten Anwalt ist auch ein medizinisches Sachverständigengutachten von Nöten.

Ärztepfusch: Beispielfälle und ihre Folgen

Patienten sollen bald mehr Rechte gegenüber Ärzten, Kliniken und Krankenkassen erhalten.
Patienten sollen bald mehr Rechte gegenüber Ärzten, Kliniken und Krankenkassen erhalten.
Fotolia Deutschland

Wie kompliziert das Gebiet der ärztlichen Behandlungsfehler ist, zeigen auch zahlreiche Gerichtsverfahren, in denen sich im Kern über Ursachen von medizinischen Fehlentscheidungen und deren Folgen gestritten wurde. Nicht selten sind hohe Schadenersatz- und Schmerzensgeldforderungen das Ergebnis. Im folgenden eine Auswahl*:

Beispielfall 1: Hautverätzungen Erleidet ein Patient (in diesem Fall war es ein zehnjähriger Junge nach einem Sportunfall mit Bruch des Oberschenkels) bei einer Not-Operation Verätzungen durch Desinfektionsmittel im Bereich des Gesäßes, so liegt ein Behandlungsfehler vor. Denn das Entstehen derartiger Verätzungswunden ist in Fachkreisen allgemein anerkannt, so dass entsprechende Maßnahmen zur Abwehr ergriffen werden müssen. Von einem "schicksalhaften Geschehen" im Sinne einer nie ganz auszuschließenden Komplikation während einer Operation kann nicht ausgegangen werden. Wegen der notwendigen viermonatigen Nachbehandlung (regelmäßige Wundbehandlung mit täglichen Verbandwechseln) und der erlittenen Schmerzen wurde ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro zugesprochen. (Landgericht Freiburg, 6 O 489/04)

Beispielfall 2: Schlechter Zahnersatz Hat ein Zahnarzt einen Zahnersatz so ungenügend eingesetzt, dass er komplett ersetzt werden muss, so braucht dem Zahnarzt nicht die Möglichkeit eingeräumt zu werden, den Schaden durch eine "Nachbesserung" zu beheben. Der Patient kann sofort einen anderen Zahnarzt aufsuchen und dessen Rechnung vom vorher tätigen Kollegen bezahlen lassen. (Amtsgericht Sondershausen, 1 C 374/06)

Beispielfall 3: Blutdruckmessung

Ein Arzt für Allgemeinmedizin ist nicht verpflichtet, unabhängig von den vom Patienten genannten Beschwerden und dessen persönlicher Konstitution zu Beginn und im Verlauf der Behandlung stets vorsorglich eine Blutdruckmessung vorzunehmen, um den Gefahren einer Hypertonie vorzubeugen. Das gilt auch, wenn bei dem Patienten Risikofaktoren bekannt sind (wie Übergewicht, Nikotinsucht, Erbanlagen), dieser aber den Arzt wegen anderer Beschwerden aufgesucht hat (hier unter anderem wegen Rückenschmerzen). Vorrangige Aufgabe des Arztes ist die Aufklärung der Ursachen von Beschwerden, wegen derer der Patient ihn konsultiert. Erleidet der Patient wenige Wochen nach dem Besuch beim Arzt einen Schlaganfall, so steht ihm wegen "unterlassener Blutdruckmessung", die wohl sinnvoll und leicht durchführbar, jedoch medizinisch nicht notwendig war, kein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen eines Behandlungsfehlers zu. (Oberlandesgericht München, 1 U 4028/06)

*Für evt. spätere Veränderungen des Sachverhaltes oder neue Urteile in bestimmten Fällen wird keine Verantwortung übernommen.