Epidemiologe: „Handelt sich bereits um eine Epidemie“

Weitere Ausbreitung verhindern: Schweden stuft Affenpocken als „gemeingefährliche Krankheit“ ein

HANDOUT - 20.05.2022, München: Eine Frau arbeitet im Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München (Bestmögliche Bildqualität). Das Institut hat auch erstmals in Deutschland bei einem Patienten das Affenpockenvirus zweifelsfrei nachgewiesen. (zu dpa «Erstmals Affenpocken-Infektion in Deutschland nachgewiesen») Foto: Martin Bühler/Bundeswehr/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++
AM Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München wurde am Freitag wurde erstmals eine Infektion in Deutschland nachgewiesen.
martin bühler vco, dpa, Martin Bühler

Die Affenpocken breiten sich in Europa und international weiterhin aus. In welchem Ausmaß, ist weiterhin offen. Möglicherweise ist der Virus schon eine Zeit lang unbemerkt in Umlauf. Experten stufen die Verbreitung bereits als Epidemie ein. Infektiologen betonen aber, dass die Affenpocken nicht so ansteckend seien wie zum Beispiel das Corona-Virus Sars-Cov-2. Trotzdem stuft Schweden sie jetzt als „gemeingefährliche Krankheit“ ein.

Schweden will weitere Ausbreitung verhindern

Nach dem ersten bestätigten Fall einer Affenpocken-Infektion in Schweden hat die Regierung des Landes die seltene Viruserkrankung als für die Allgemeinheit gefährlich eingestuft. „Die Einstufung ermöglicht es, Maßnahmen zum Infektionsschutz zu ergreifen, um die weitere Ausbreitung zu verhindern“, erklärte Sozialministerin Lena Hallengren. „Wichtig ist auch, dass die Informationen Risikogruppen erreichen und dass die Gesundheitsdienste darauf vorbereitet sind, Verdachtsfälle zu behandeln und zu verfolgen.“ In Schweden war am Donnerstag der erste Fall von Affenpocken im Großraum Stockholm registriert worden. Am Freitag wurde erstmals eine Infektion in Deutschland nachgewiesen.

In Schweden sei die Bezeichnung "gemeingefährlich" damit verbunden, dass dann mehr Maßnahmen eingeleitet werden können, erklärt Epidemiologe Timo Ulrichs bei RTL. "Also bessere Überwachungsmaßnahmen und dann bei Gelegenheit auch Gegenmaßnahmen wie zum Beispiel Impfen in Form von Ring-Impfungen", so Ulrichs weiter. "In Deutschland wäre das ähnlich, wir würden das über das Infektionsschutzgesetz regeln." Der Experte geht wegen der wenigen Fälle aber davon aus, dass wir das "auch so in den Griff bekommen".

Virus schon seit einer Weile unbemerkt im Umlauf

Derzeit werden in immer mehr Ländern Fälle der eigentlich selten auftretenden Affenpocken nachgewiesen. Am Freitag meldete auch Frankreich einen ersten Fall, zudem wurde das Virus in den USA, Kanada, und in Australien und damit weiteren Weltregionen entdeckt. In welchem Umfang sich der aus Afrika stammende Erreger bereits international verbreitet hat, ist offen. Er gehe bei der Vielzahl von Fällen davon aus, dass das Virus schon seit einer Weile unbemerkt im Umlauf war, sagte der Mediziner Norbert Brockmeyer, Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft. STI steht für sexuell übertragbare Infektionen.

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Übertragungswege, Inkubationszeit und Symptome bei Affenpocken
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dpa-infografik, picture alliance, dpa
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Charité-Infektiologe: „Rechne mit einer weiteren deutlichen Zunahme“

Der Charité-Infektiologe Leif Sander sieht mit den inzwischen deutlich über 100 Fällen weltweit, in denen der Verdacht auf Affenpocken vorliege oder bereits bestätigt sei, eine ungewöhnlich dynamische Situation. „Bei der langen Inkubationszeit rechne ich mit einer weiteren deutlichen Zunahme der Fälle“, schrieb er bei Twitter. Zu beachten sei dabei, dass Affenpocken nicht so ansteckend seien, dass mit einer breitflächigen Ausbreitung wie bei Corona zu rechnen sei. „Es ist sehr ernst zu nehmen, aber wir sind vorbereitet.“

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Medikamente und Impfstoffe vorhanden

Mit der zu beobachtenden Häufung handle es sich bereits um eine Epidemie – es sei jedoch "sehr unwahrscheinlich, dass diese Epidemie lange dauern wird", sagte Fabian Leendertz, Gründungsdirektor des Helmholtz Instituts für One Health (HIOH) in Greifswald und Leiter der Projektgruppe Epidemiologie hochpathogener Erreger am Robert Koch-Institut (RKI). Die Fälle seien über Kontaktverfolgung gut einzugrenzen und es gebe Medikamente sowie wirksame Impfstoffe, die eingesetzt werden könnten. (dpa/ija)