HNO-Arzt Mark Jakob verrät, wie Sie Ohrgeräusche in den Griff bekommenVolkskrankheit Tinnitus: Wenn der Feind nicht aus dem Kopf will

Wer anhaltend oder wiederholt unter einem Tinnitus leidet, sollte vor allem eines: Ruhe bewahren und eine HNO-Praxis aufsuchen. Außerdem lohnt es sich, seinen Lebensstil zu hinterfragen. Denn Stress, Lärm und eine ungesunde Lebensweise können dazu beitragen, Gehörstörungen zu verstärken.
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Pfeifen, Zischen oder Summen im Ohr? Das kann unterschiedliche Gründe haben
Millionen von Erwachsenen aller Altersklassen leiden in Deutschland unter Ohrgeräuschen, die nur sie selbst wahrnehmen, für die es also keine äußere Schallquelle gibt. Ich bin, obwohl im Laufe der Jahre zahlreiche Betroffene ihren Weg in meine HNO-Praxis gefunden haben, immer wieder überrascht, wie unterschiedlich diese Geräusche beschrieben werden. Vom sanften Meeresrauschen bis zum abstürzenden Flugzeug ist mir schon Manches an Vergleichen begegnet. Ein junger Mann, der seinen Tinnitus auf ein sehr lautes Konzert wenige Tage zuvor zurückführte, sagte mir beispielsweise, er komme sich vor, als säße er in einem Büro mit vielen surrenden Apparaten, in dem sich alle paar Minuten ein fiependes Fax-Gerät einschalte.
Es versteht sich, dass diese Symptome, wenn sie andauern, das Leben stark beeinträchtigen können. Was weniger klar ist, sind die jeweiligen Ursachen für das Pfeifen, Zischen oder Summen im Ohr. Denn in den wenigsten Fällen lässt sich der Auslöser so klar benennen wie bei meinem musikbegeisterten Patienten. Stress, Durchblutungsstörungen, Ernährungsfehler, Medikamente, Schäden am Innenohr und körperliche Belastungen kommen, auch in Kombination, als Ursache oder verstärkendes Element infrage. Wenn ein Tinnitus zum ersten Mal auftaucht oder sich merklich verändert, ist es also ratsam, ihn als Stoppsignal zu deuten, innezuhalten und seine Gewohnheiten zu hinterfragen.
Akuter Tinnitus? Dann sollten Sie folgende Tipps befolgen
Beachten Sie bitte in einer akuten Tinnitus-Situation folgende Ratschläge:
Suchen Sie eine HNO-Praxis auf, falls die Geräusche über Tage anhalten oder sich verändern
Gönnen Sie sich Ruhepausen
Begegnen Sie Unangenehmem mit Gelassenheit
Meiden Sie Lärm und laute Musik, aber ebenso absolute Stille
Entspannungstechniken helfen dabei, sich mit den störenden Geräuschen abzufinden
Achten Sie auf einen gesunden, abwechslungsreichen Lebensstil
Ein chronischer Tinnitus: Wie wird er behandelt?
Für die Therapie von Patientinnen und Patienten mit chronischem Tinnitus stehen verschiedene Ansätze zur Verfügung. Eher selten geht es darum, die Geräusche selbst zu beseitigen. Bevorzugt arbeiten wir mit den Betroffenen daran, dass sie lernen, mit der Beeinträchtigung zu leben. Die Methoden reichen in diesem Zusammenhang von Verhaltenstherapien bis hin zu einer Behandlung mit Medikamenten. Man muss es allerdings in aller Klarheit sagen: Eine Tablette gegen den Tinnitus gibt es nicht. Trotzdem können Betroffene in Abstimmung mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin einiges erreichen und einer Verschlechterung der Symptome entgegenwirken.
Ohrinfarkt: Bei einem Hörsturz sollten Sie besser zum Arzt
Das gilt in ähnlicher Form auch für den Hörsturz, einer zweiten verhältnismäßig weit verbreiteten Störung des Gehörs. Sie kann zwar ebenfalls mit Ohrgeräuschen – typischerweise einem Pfeifton oder Brummton – einhergehen, ist vom Tinnitus aber deutlich abzugrenzen. Bei dem plötzlich auftretenden, auch als „Ohrinfarkt“ bekannten Phänomen kommt es auf einer Seite zu einem teilweisen oder kompletten Verlust des Gehörs. Nicht selten wird der akute Hörsturz zudem von Schwindel oder einem Druckgefühl im Ohr begleitet.
Obwohl er oft ganz von selbst abklingt, sollten Schwere und Ursachen ärztlich abgeklärt werden, denn eine zeitige Behandlung erhöht die Chancen auf eine vollständige Genesung. Durch eine sogenannte Otoskopie, eine Ohrspiegelung, können andere Faktoren, wie etwa ein verstopfter Gehörgang oder ein beschädigtes Trommelfell, ausgeschlossen und eventuelle Entzündungen entdeckt werden. Liegt dem Gehörverlust tatsächlich ein Hörsturz zugrunde, sind Medikamente auf Cortisonbasis das Mittel der Wahl, um die Symptome zu lindern.
Ob Tinnitus oder Hörsturz: Die oberste Devise lautet "Ruhe bewahren!"
Ich bemerke immer wieder bei manchen meiner Patientinnen und Patienten eine gewisse Scheu vor Cortisonpräparaten. Es handelt sich um ein körpereigenes Hormon mit vielen wirksamen und nebenwirkungsarmen Anwendungsmöglichkeiten. Wunder kann allerdings auch Cortison nicht bewirken. Auch bei einem Hörsturz rate ich daher dazu, die Therapie mit Entspannungsübungen und gegebenenfalls einer Anpassung der Lebensgewohnheiten zu kombinieren. Gerade Stress spielt eine große Rolle. Das ist vermutlich auch einer der Gründe, warum vor allem Männer und Frauen ab 45 von einem Hörsturz betroffen sind. Klugerweise deuten viele Betroffene ihn als Signal ihres Körpers, von nun an etwas kürzer zu treten und auf Erholungsphasen zu achten.
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass sowohl der Tinnitus als auch der Hörsturz Zeichen sind, die man nicht einfach übergehen kann und sollte. Ein Grund zur Panik sind sie aber ebenso wenig. Ganz im Gegenteil: Die oberste Devise lautet in beiden Fällen: Ruhe bewahren!
Prof. Dr. med. Mark Jakob ist Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde sowie Spezialist für Allergologie, Schlafmedizin und plastische Operationen. Im Bereich der plastischen Gesichtschirurgie liegen seine Schwerpunkte auf ästhetischen Nasenkorrekturen und funktionellen Nasen-OPs, etwa an Nasenscheidewand und Nasennebenhöhlen. Für RTL schreibt er in seinen regelmäßigen Kolumnen über die Gesundheitsthemen, die ihm in seinem Praxisalltag begegnen.