Selbstkritik und Optimismus vor Imola-GP
Vettel: "Zu früh, um die Saison abzuschreiben"

Ein glatte Sechs! Das ist die Schulnote, die sich Sebastian Vettel selbst für seinen verspäteten Formel-1-Saisonstart beim vergangenen Grand Prix in Australien gibt. Die Antwort am RTL-Mikrofon im Fahrerlager von Imola kam wie aus der Pistole geschossen. „Viel schlechter kann es nicht sein“, ergänzte Vettel, der die ersten beiden Saison-Rennen wegen einer Coronainfektion auslassen musste.
Vettel übt Selbstkritik
„Wir hatten technische Defekte, die uns lahmgelegt haben“, analysierte Vettel und sparte auch nicht mit Selbstkritik: „Von meiner Seite hatte ich zwei Fehler, die einmal das Training verhindert haben und im Rennen dazu geführt haben, dass das Rennen vorzeitig beendet war.“ Punkte wären zwar wohl nicht möglich gewesen in Melbourne. „Aber ich hätte mehr Erfahrung mit dem Auto sammeln können.“
Zumal die Unterschiede zu den Vorjahresboliden gewaltig sind: Sie seien „träger, etwas langsamer, etwas schwerfälliger zu fahren“, so Vettel: „Die Generation davor war agiler, aggressiver. Daran müssen wir uns gewöhnen.“ Auch die Reifen seien anders, die neue Größe – 18 Zoll statt 12 – verändern auch das Verhalten. „Deswegen ist Fahrzeit wichtig“, betonte Vettel vor dem Europa-Auftakt der Formel 1 auf dem Autodromo Enzo e Dino Ferrari in Imola.
Lese-Tipp: Diese vier Rennen zeigt RTL live im Free-TV.
"Es wird einiges kommen"
Es sei noch zu "zu früh, um die Saison abzuschreiben", so Vettel – auch wenn der neue Aston Martin momentan noch nicht schnell genug sei. Das fehlende Leistungsvermögen des AMR22 macht auch ein Blick auf die WM-Wertung deutlich: Der Rennstall des 53-maligen Grand-Prix-Siegers ist nach drei Saisonrennen als einziger noch ohne Punkt. Es wird immer offensichtlicher, dass sich das Team beim Konzept des neuen Boliden verzockt hat.
Vettel gibt sich dennoch optimistisch. Er setzt auf das Potenzial seines Rennstalls, der massiv in die Zukunft investiert. Er wisse, "dass da einiges kommen wird", sagte Vettel in der offiziellen Pressekonferenz von Aston Martin und verwies auf anstehende Entwicklungsschritte - aber das Team habe "einen Berg" vor sich.
Vettel setzt auf Regen
Vettels Vertrag läuft am Saisonende aus. Für ihn persönlich werde eine Verlängerung davon abhängen, ob es gelingt, den Rückstand auf die Spitze kontinuierlich zu verringern. "Es bleibt das Ziel, um Podien und Siege zu kämpfen", erklärte Vettel. Fürs erste bleibt er selbst für WM-Punkte angewiesen auf glückliche Umstände oder widrige Bedingungen, bei denen sich fehlendes technisches Potenzial durch fahrerische Klasse ausgleichen lässt – wie an diesem Wochenende in Imola.
„Der Regen hier kann uns nur helfen“, meinte Vettel am RTL-Mikrofon. „Natürlich sind es andere Bedingungen, aber es ist trotzdem wichtig für uns, überhaupt zu fahren, und unser Auto zu verstehen.“ Im 1. Freien Training lief es schon vergleichsweise gut für Vettel: Er konnte nicht nur viele Runden abspulen, sondern schaffte als Achter sogar den Sprung in die Top 10.
EX-Teamchef Minardi: Vettel soll in Rente gehen
Im September 2019 feierte Vettel seinen bis jetzt letzten Sieg, in Singapur war das. Statt großer Erfolgsgeschichte wurde aus der Ferrari-Beziehung ein sportliches Missverständnis. Vettels Abschied stand weit vor dem Saisonende 2020 fest. Ferrari holte Carlos Sainz. An diesem Donnerstag gab die Scuderia die Verlängerung der Zusammenarbeit mit dem 27 Jahre alten Spanier bekannt. Bis 2024 wird der aktuelle WM-Dritte zunächst zusammen mit dem aktuellen WM-Führenden Charles Leclerc für Ferrari fahren.
Und Vettel? Dem riet jüngst der ehemalige Teamgründer Giancarlo Minardi: Er solle in Rente gehen. „Er hat viel Geld, er hat Titel geholt, aber er wird nicht mehr gewinnen“, sagte der aktuelle Präsident des Autodromo Enzo e Dino Ferrari der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“. (wwi/dpa)