Falsch interpretierte Studie

Verändert mRNA das Erbgut? Experten widerlegen umstrittenes Studienergebnis

Fake News
Viele Studienergebnisse werden von Laien falsch interpretiert
HORZ, iStockphoto

von Patricia Dreesbach und Stefanie Bläser

Können die mRNA-Impfstoffe doch unser Erbgut verändern? Eine Studie aus Schweden sorgt gerade für Furore: Die Ergebnisse sollen eine Genveränderung durch eine Corona-Impfung belegen. Virologe Prof. Dr. Hendrik Streeck und Medizinexperte Dr. Christoph Specht halten die Interpretation für Unsinn. Die Studie werde von Laien falsch interpretiert.

Studie aus Schweden wird falsch interpretiert: Erbgut werde nicht verändert

Impfskeptiker befürchten schon lange, dass Impfungen mit Biontech und Moderne zu Erbgutveränderungen führten. Eine neue Studie (2022) von der Universität Lund aus Schweden wird von einigen als Beleg dafür interpretiert. Aber kann das stimmen? Im RTL-Interview ordnen Prof. Dr. Hendrik Streeck und Dr. Christoph Specht die Studie ein.

Die Forscher um Yang De Marinis aus Schweden haben im Labor den Corona-Impfstoff in menschliche Leberzellen injiziert. Dort sieht Prof. Dr. Hendrik Streeck schon den ersten Schwachpunkt: „Bei der Studie handelt es sich um ein sehr artifizielles Experiment.“ Die Ergebnisse zeigten, dass der Impfstoff in die Leberzellen eindringe. Dies sei laut Dr. Specht nicht verwunderlich: „Wenn man die Impfung in den Arm gespritzt bekommt, dann geht das auch in die Armmuskelzellen. Und das soll es auch. Dort soll es dazu anregen, das Spike-Protein zu produzieren.“ Die erste Erkenntnis, dass mRNA auch in Leberzellen gehen könne, sei somit laut dem Experten nichts Besonderes. Doch die Forscher fanden noch mehr heraus.

Umwandlung in DNA wird oft als Genveränderung interpretiert

„Es werden auf Laborzelllinien hohe Dosen von RNA gegeben und es kann gezeigt werden, dass danach auch etwas DNA nachweisbar ist“, so Virologe Streeck. Laut Arzt Dr. Specht sei diese Umwandlung in DNA die notwendige Voraussetzung, damit etwas in das Genom – das Erbgut eines Lebewesens – eindringen könne. Dennoch erfolge dieses Eindringen in der Studie nicht: „Es ist nicht gezeigt worden, dass der mRNA-Impfstoff in den Zellkern – das Genom- einbaut wird.“

Dr. Specht führt dies weiter aus: „Leute glauben gerne, wenn es in DNA umgeschrieben werden kann, ist es automatisch im Genom. Das ist damit nicht gesagt.“ Falls es jedoch passiere, dass das Genom verändert werde - wovon keiner der beiden Experten ausgeht - sei dies aber noch kein Grund zur Besorgnis: „Gesetz dem Fall, dass so etwas in seltenen Fällen passieren würde (was ich ausschließe), dann räumt unser Immunsystem solche Zellen sehr schnell weg“, so Professor Streeck.

Die Studie weise an dieser Stelle eine weitere Schwachstelle auf. Wie die Umschreibung von mRNA in DNA in dieser Studie zustande komme, sei laut Dr. Specht bisher noch nicht klar: „Dieses Umschreiben in DNA wird viel Kritik entzünden, denn dafür braucht es eine bestimmte Art von Enzymen – Polymerasen – , die diese Umwandlung überhaupt vornehmen können. Diese Enzyme sind in menschlichen Zellen nicht vorhanden.“ In der Studie sei es nicht ersichtlich, wo diese Enzymausstattung herkomme.

Nachzulesen ist die Studie bei „MDPI“ unter dem Titel „Intracellular Reverse Transcription of Pfizer BioNTech COVID-19 mRNA Vaccine BNT162b2 In Vitro in Human Liver Cell Line“.

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