Urteil: Dreieinhalb Jahre Haft für Hoeneß
Der Richter hat gesprochen: Uli Hoeneß wird für seine millionenschwere Steuerhinterziehung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Das Landgericht München sprach den Präsidenten des FC Bayern München in einem der spektakulärsten Steuerverfahren in Deutschland in sieben Fällen schuldig. Seine Verteidiger kündigten Revision an. Der 62-Jährige wurde nach dem Urteil nicht abgeführt. Der Haftbefehl aus dem Frühjahr 2013 bleibt weiter gegen eine Millionen-Kaution ausgesetzt.

"Ein Freispruch war zu keinem Zeitpunkt zu erwarten", erläuterte Richter Rupert Heindl bei seiner Urteilsbegründung. "Es ist keine missglückte Selbstanzeige, sondern eine unzureichende Selbstanzeige." Hoeneß blickte beim Urteilsspruch zu Boden und zeigte nur wenig Regung. Das Gericht habe beim Strafmaß "natürlich ganz erheblich zu Ihren Gunsten das Geständnis gewertet", sagte Heindl an ihn gewandt. "Sie hatten viele Jahre Zeit, Ihre Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Sie haben es nicht getan, sondern, wie Sie selbst eingeräumt haben, auf Zeit gespielt." Am Ende sei er "getrieben worden von Angst vor Entdeckung".
Das Gericht blieb deutlich unter der Forderung von Staatsanwalt Achim von Engel, der wegen eines besonders schweren Falles von Steuerhinterziehung für eine Haft von fünf Jahren und sechs Monaten plädiert hatte. Die Verteidigung hielt höchstens eine Bewährungsstrafe für angemessen, sollte das Gericht die Selbstanzeige als unwirksam erachten.
Hoeneß hat dem Fiskus mit seinem Schweizer Geheimkonto mindestens 28,5 Millionen Euro an Steuern vorenthalten. Die neue, nochmals um mehr als eine Million Euro höhere Summe nannte Heindl. Er begründete den Anstieg mit dem Solidaritätszuschlag. Inklusive Zinsen wird Hoeneß aber wohl noch viel mehr Geld an die Staatskasse zahlen müssen.
Der 62-Jährige verließ nach der Urteilsbegründung wortlos den Gerichtssaal. Sein Anwalt blickte derweil schon auf die nächste Instanz, den Bundesgerichtshof in Karlsruhe. "Die Verteidigung wird das Urteil anfechten mit dem Mittel der Revision. Entscheidend ist, wie mit einer solch nicht idealen Selbstanzeige umzugehen ist", sagte der Frankfurter Staranwalt Hanns Feigen.
RTL-Reporter Lang: Hoeneß wirkte wie versteinert
Hoeneß' Hoffnung, den Saal 134 im Münchner Justizpalast doch noch als endgültig freier Mann verlassen zu können, zerschlug sich um 14.07, als Heindl das Urteil verkündete. Hoeneß' Mundwinkel zuckten, seine Ehefrau Susi litt im Zuschauerbereich mit und wirkte nach dem Richterspruch erstarrt, berichtet RTL-Reporter Christof Lang über Details aus dem Gerichtssaal. "Die Hände waren auf den Tisch gepresst und er blickte zu Boden."
Hoeneß hatte sich in seinem Schlusswort lediglich dem rund 50-minütigen Schlussplädoyer seines Anwaltes angeschlossen. "Ich habe dem Vortrag von meinem Verteidiger nichts hinzuzufügen. Er hat alles gesagt, was ich nicht besser hätte formulieren können", erklärte er. Die Staatsanwaltschaft sieht in dem Ausgang des Verfahrens eine "Signalwirkung" dadurch gegeben, dass der Sachverhalt unabhängig vom Ansehen der Person beurteilt wurde.
Das Urteil erschüttert auch den FC Bayern. Hoeneß ist seit Jahrzehnten das Gesicht des Vereins. Als Spieler, Manager, Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender der AG prägte und prägt der Patriarch vom Tegernsee den erfolgreichsten deutschen Fußball-Club. Kann er seine Ämter als Präsident und Aufsichtsrat auch nun noch behalten? Der Aufsichtsrat des Vereins kam nach dem Urteil zu Beratungen zusammen, äußern will sich der Klub aber vorerst nicht. Vor dem Münchner Justizpalast protestieren mehrere Dutzend Bayern-Fans gegen das Urteil. Eintracht-Frankfurt-Boss Heribert Bruchhagen sagte: "Mir tut es unendlich leid für Uli. Ich bin sehr erschrocken über die Vorstellung, dass Uli für seinen Fehler so heftig büßen muss. Ich bin sehr traurig."
Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wies auf die menschliche Dimension der Verurteilung hin: "Ich bin zuallerst menschlich betroffen, weil eine Freiheitsstrafe natürlich für jeden Menschen, und damit auch für Uli Hoeneß, ein gravierender Eingriff ist." Der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner äußerte sich dagegen zufrieden. "Das Urteil aus München wirkt gerecht, weil es um erhebliche Kriminalität gegen das Gemeinwesen geht und die Tat nicht strittig ist", erklärte er auf Twitter.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast twitterte: "Haftstrafe ohne Bewährung war unausweichlich. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Das Gericht hat seine Aufgabe im Rechtsstaat erfüllt." Eine Sprecherin des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums sagte, von Frühjahr 2010 bis Ende Februar 2014 seien allein in dem Bundesland Mehreinnahmen für den Fiskus durch Selbstanzeigen von rund einer Milliarde Euro eingegangen.
Nach Ansicht des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Michael Meister, wird sich das Urteil positiv auf die Steuermoral in Deutschland auswirken. "Es zeigt sich, dass es sich nicht lohnt, Steuern zu hinterziehen", sagte der CDU-Politiker der 'Rheinischen Post'.
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, warnte vor Häme und Schadenfreude. "Eines Menschen Straftaten zu ahnden, darf nicht dazu führen, den Menschen selbst zu verdammen - Uli Hoeneß genauso wenig wie jeden anderen Straftäter", schrieb er in seinem Blog.