Team Wallraff in der Psychiatrie
RTL-Reporter undercover aufgeflogen
Menschenverachtende Zustände hinter geschlossenen Türen
Überfordertes Personal, Patienten, die zur Strafe auf dem Flur schlafen müssen und Medikamente, die ohne Einwilligung verabreicht werden - die Reporter von „Team Wallraff - Reporter undercover" sind bei ihren Recherchen in deutschen Psychiatrien auf menschenverachtende Zustände gestoßen. Nie zuvor wurde die Redaktion im Vorfeld einer Sendung mit so vielen Abmahnungen und anderen juristischen Androhungen überzogen, um die Ausstrahlung der Reportage zu verhindern - auch weil einer der Undercover-Reporter aufgeflogen ist.
Ein Raum schlimmer als in einem Gefängnis
Seit Jahren nehmen psychische Erkrankungen zu. Sie sind mittlerweile die zweithäufigste Ursache für Krankschreibungen. In Deutschland sind 17,8 Millionen Erwachsene betroffen, also mehr als jeder vierte. Mehr als 800.000 lassen sich jährlich stationär in einer psychiatrischen Klinik behandeln. Grund genug, Betroffenen bestmöglich zu helfen.
Bei ihren Recherchen sind die Reporter von Team Wallraff allerdings auf untragbare Zustände gestoßen. In einer Einrichtung für Jugendlichen und Erwachsene mit psychischen Problemen in der Eifel sollen Bewohner in einen Deeskalationsraum eingesperrt werden - ohne Fenster, ohne Toilette und ohne Notknopf. Ob es ihnen gut geht, kontrollieren die Betreuer nur durch ein Guckloch. Normale Gefängniszellen sind in Deutschland in der Regel besser ausgestattet.
Zweimal haben RTL-Reporter von Team Wallraff in der Einrichtung „Case Project" in Wanderath in Rheinland-Pfalz verdeckt ermittelt. Beide Male erzählten Bewohner, dass sie in den sogenannten „Time-out-Raum" gesperrt wurden. Ein junger Erwachsener war hier sogar mehrere Tage - laut der Einrichtungsleitung suchte er „Ruhe" und habe „diesen Raum zu diesem Zweck auf eigenen Wunsch über mehrere Tage immer wieder genutzt.“ Auch können Bewohner den Raum angeblich zu jeder Zeit verlassen.
Im Video: Reporter erzählt vom Moment des Auffliegens
Ob das der Realität entspricht, bleibt ungeklärt. Denn RTL-Reporter Phillip ist an Tag 4 seines Einsatzes in der Jugendhilfeeinrichtung aufgeflogen, wie er im Video erzählt. Er vermutet, dass Mitarbeiter der Einrichtung seine Sachen durchsucht haben. Kurz darauf waren zwei Polizisten und zwei Anwälte da, sein Hotelzimmer wurde durchsucht - alles, damit nichts an die Öffentlichkeit kommt. Es stellt sich die Frage, was die Einrichtung für Jugendliche und Erwachsene mit psychischen Problemen zu verbergen hat.
Durch einen Zufall konnte Reporter Phillip einen Teil des Materials sichern, bevor es beschlagnahmt wurde. Die mit den Vorwürfen konfrontierte Aufsichtsbehörde erklärt:
„Die von Ihnen behaupteten Vorwürfe wären weder mit den Grundsätzen des Sozialgesetzbuches (…) noch denen des Landesgesetzes über Wohnformen und Teilhabe (…) vereinbar und widersprächen auch den an Einrichtungen für Minderjährige sowie an Wohn- und Betreuungseinrichtungen für Menschen mit einer psychischen Erkrankung zu stellenden gesetzlichen Anforderungen.“
Die Aufsichtsbehörde hat inzwischen die Einrichtung um Stellungnahme zu den Rechercheergebnissen gebeten.