„Super-Recogniser“ können sich Gesichter besonders gut merkenGenauer als ein Computer: Das können Superhirne wie Vanessa Stein

von Alexander Polte und Jan Dafeld

Vanessa Stein genügt ein Blick, um eine Person, die sie vor Jahren mal kurz gesehen hat, inmitten einer Menschenmasse ausfindig zu machen – selbst mit Maske oder Sonnenbrille! Geht nicht? Geht doch! Denn Vanessa ist ein so genannter Super-Recogniser. Jemand, der sich Gesichter deutlich besser merken kann als der Durchschnitt. In Frankfurt macht sich die Polizei diese Fähigkeit seit knapp zwei Jahren zu Nutze – mit Erfolg! Die Super-Recogniser konnten bereits zahlreiche Fälle aufklären.

Vanessa Stein arbeitet als Super-Recogniser bei der Polizei Frankfurt

„Personen waren immer überrascht, wenn ich sie Jahre später – teilweise mit Namen – angesprochen habe. Manche fanden das etwas komisch, für mich war das aber ganz normal“, erzählt Vanessa Stein. „Ich kann mich noch an alle meine Schulkameraden erinnern. Auch aus der Grundschule und den Klassen über und unter mir.“

Vanessa kann sich Gesichter deutlich besser einprägen als ihre Mitmenschen. Seit über einem Jahr setzt die Polizistin diese Fähigkeiten nun auch bei ihrer Arbeit ein: Seitdem arbeitet sie als Super Recogniser im Polizeipräsidium Frankfurt.

Welche Aufgaben Vanessa in ihrem besonderen Job übernimmt und wie ihr Arbeitsalltag aussieht, erfahren Sie oben im Video.

London: Polizei setzt 2011 erstmals Super-Recogniser ein

Vanessa Stein arbeitet als Super-Recogniser für die Polizei.
Vanessa Stein arbeitet als Super-Recogniser für die Polizei.
RTL

Erstmals eingesetzt wurden Super-Recogniser vor mehr als zehn Jahren von der Londoner Polizei. Mithilfe der Superhirne wertete Scotland Yard nach den so genannten London Riots im Jahr 2011 mehr als 200.000 Stunden Videomaterial aus. Viele Straftäter konnten ausgemacht werden. Die Arbeit der Super-Recogniser war ein voller Erfolg!

Kein Wunder also, dass die Idee aus London schnell Nachahmer fand: Auch die bayrische und die baden-württembergische Polizei setzten ein paar Jahre später auf Super-Recogniser. 2020 zog mit Hessen das nächste Bundesland nach. Gemeinsam mit der Universität Greenwich suchte die Frankfurter Polizei nach den Superhirnen – und wurde schnell fündig.

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Polizei: Super-Recogniser sind noch genauer als Computer

„Es gibt wenige bis keine Grenzen. Sie können Personen wiedererkennen, selbst wenn diese sich sehr verändert haben“, erklärt Karina Lerch, die in Frankfurt das Projekt leitet. Ihr zufolge sind die Super Recogniser sogar deutlich genauer als ein Computer. „Bei diesen muss das Bild eine bestimmte Qualität haben, das Gesicht in der Regel komplett zu sehen sein. Einem Super-Recogniser reicht die Augen- und die Stirnpartie.“

Mithilfe der Super-Recogniser klärte die hessische Polizei bereits zahlreiche Fälle auf. So erkannten die Spezialisten beispielsweise einen Mann, der am Frankfurter Hauptbahnhof versucht hatte, eine andere Person zu erstechen. Auch bei den Protesten im Dannenröder Forst kamen die Super-Recogniser zum Einsatz. Rund ein Drittel der erkannten Täter gingen damals auf ihr Konto, teilte die Polizei mit.

Vanessa Stein: „Wir besitzen eine angeborene Gabe“

Bei diesem Test beantwortete unser Reporter 9 von 14 Fragen richtig.
Bei diesem Test beantwortete unser Reporter 9 von 14 Fragen richtig.
RTL

Über die Fähigkeiten eines Super-Recognisers verfügen rund ein bis zwei Prozent der Bevölkerung, Vanessa Stein gehört zu diesem ausgewählten Kreis. Beim Test der Universität Greenwich beantwortet sie alle 14 Fragen völlig problemlos richtig. Zum Vergleich: Unser Reporter schafft beim Selbstversuch nur neun richtige Antworten.

„Wir haben diesen Job, weil wir eine angeborene Gabe besitzen. Es gibt kein Training dafür“, erklärt Vanessa, die ihre Fähigkeiten auch nach Feierabend nicht verliert. „Ich war mal am Wochenende unterwegs und habe aus dem Augenwinkel etwas gesehen, das mir bekannt vorkam: Das war ein Kellner, der wegen Körperverletzung gesucht wurde“, berichtet die Polizistin.

Selbst im Privatleben greifen Bekannte mittlerweile auf Vanessas besondere Gabe zurück: „Es ist tatsächlich so, dass mir Freundinnen ab und zu Bilder von Dating-Apps zeigen und mich fragen, ob ich den Mann oder die Frau darauf schon mal gesehen habe“, berichtet sie lachend. „Und dann kann ich manchmal sagen: ‚Ja, mit dem hatte ich vor drei Jahren mal ein Match.‘“ So haben also auch Vanessas Freundinnen noch etwas von ihrem Superhirn.