Spannungen auf der Krim: Kiew traut Moskau nicht
Kiew und Moskau bleiben weiter auf einem gefährlichen Konfrontationskurs um die Halbinsel Krim. Das ukrainische Parlament forderte den Nachbarn Russland in einem scharfen Appell auf, alle Handlungen zu unterlassen, die die territoriale Einheit des Landes gefährdeten. In der Nacht waren etwa 50 bewaffnete und uniformierte Männer in Geländewagen ohne Kennzeichen sowie mit russischen Fahnen auf dem Krim-Flughafen Simferopol aufmarschiert.

Wegen der explosiven Lage beantragte die Ukraine eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates. Konkrete Beschlüsse sind nicht zu erwarten. Beobachter erwarten höchstens, dass das Gremium alle Seiten zur Zurückhaltung aufruft.
Der gestürzte und geflohene ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch erklärte, er halte sich weiter für den rechtmäßigen Staatschef. Russlands Präsident Wladimir Putin rief angesichts zunehmender Spannungen dazu auf, eine weitere Eskalation der Situation im Nachbarland zu vermeiden. Bei Telefonaten mit westlichen Staatenlenkern wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem britischen Premier David Cameron und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy habe der russische Präsident betont, dies besitze "absolute Priorität", wie aus dem Kreml verlautete.
Merkel habe ihre Sorge wegen einer möglichen Destabilisierung des Landes, wie Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin mitteilte. Mit Blick auf die Krim warb sie um Zurückhaltung. Zudem sollten Angebote, die internationale Organisationen zur Lösung von Streitfragen und zur Intensivierung des Dialogs unterbreitet hätten, genutzt werden. Zuvor hatte Merkel dem neuen ukrainischen Regierungschef Arseni Jazenjuk Unterstützung bei der wirtschaftlichen und politischen Stabilisierung des Landes zugesagt.
Russische Abgeordnete heizten die Diskussion über eine Abspaltung der Krim von der Ukraine mit einem Gesetzentwurf weiter an. Künftig soll bereits ein Referendum und nicht wie bisher ein völkerrechtlicher Vertrag genügen, damit sich ein fremdes Land oder Landesteil Russland anschließen kann, heißt es in dem Entwurf, der in der Duma in Moskau vorgestellt wurde.
Österreich, Schweiz und Liechtenstein sperren Konten
Die mehrheitlich von Russen bewohnte Autonome Republik Krim hat für den 25. Mai ein Referendum über ihre Zukunft angesetzt. An diesem Tag wird in der Ukraine auch ein neuer Präsident gewählt. Ex-Boxprofi Vitali Klitschko tritt dabei auch gegen die frühere Regierungschefin Julia Timoschenko an. Diese habe ihm selbst vor zwei Tagen mitgeteilt, dass sie kandidieren wolle, sagte Klitschko.
Der Zwischenfall auf dem Flughafen Simferopol dauerte nicht lange, die bewaffneten Männer zogen sich nach kurzer Zeit wieder zurück. Nach dem Vorfall entließ Übergangspräsident Alexander Turtschinow Generalstabschef Juri Iljin. Am Mittag sagte der Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Andrej Parubij, die ukrainische Regierung habe volle Kontrolle über die Flughäfen auf der Krim.
Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow warf Russland militärische Einmischung vor. Moskau verletze "alle internationale Verträge und Normen". Awakow behauptete, mehr als 100 russische Soldaten seien auf dem Flughafen aufgetaucht. Zudem würden Angehörige der auf der Krim stationierten russischen Schwarzmeerflotte den Airport der Stadt Sewastopol blockieren. Ein Sprecher der Schwarzmeerflotte wies die Vorwürfe energisch zurück.
Knapp eine Woche nach seiner Entmachtung trat Janukowitsch erstmals in seinem Exil in Russland an die Öffentlichkeit. Bei einer Pressekonferenz bekräftigte er seine Ansicht, er sei rechtmäßiger Präsident des Landes und wolle weiter um sein Land kämpfen. Was auf der Krim geschehe, sei eine "natürliche Reaktion" auf die Machtergreifung durch "Banditen" in Kiew, sagte Janukowitsch. Die Krim solle mit einer erweiterten Autonomie im Bestand der Ukraine bleiben, mahnte er.
In der Schweiz, Österreich und Liechtenstein wurden Konten von Janukowitsch, der behauptete keine Konten im Ausland zu besitzen, und Mitgliedern seiner früheren Regierung gesperrt. Die Regierung in Bern verfügte die Sperrung der Konten und stellte per Verordnung jegliche Handlung unter Strafe, die eine "Verwaltung oder Nutzung" dieser vermutlich durch Korruption angehäuften Gelder ermöglicht. Viele der 20 Betroffenen auf der vom Schweizer Bundesrat veröffentlichten Liste sind ehemalige Minister der gestürzten Regierung. In Österreich sind Konten von 18 Ukrainern betroffen, in Liechtenstein wurden Konten von 20 Politikern gesperrt.