Empörung über Richterin am Obersten Gerichtshof in Indien

Skandalurteil: Kinder durch Kleidung anfassen ist keine sexuelle Belästigung

Ganediwala
Richterin Pushpa Ganediwala sprach das unfassbare Urteil.

Dieses Urteil hat eine Frau gesprochen! Laut Pushpa Ganediwala ist es in Indien keine schwerwiegende Straftat, ein Kind unsittlich zu begrapschen, wenn dies durch die Kleidung hindurch passiert. Mit diesem empörenden Urteil sprach die Richterin am Obersten Gerichtshof von Bombay einen Mann frei, der eine Zwölfjährige sexuell belästigt hat. Es ist ein übler Rückschlag für alle, die sich für die Gleichberechtigung von Frauen in Indien und gegen die auf dem Subkontinent weit verbreitete sexuelle Gewalt.

Er versuchte auch, das Kind auszuziehen

AAD-65368 : Bombay High Court ; Bombay Mumbai ; Maharashtra ; India
Hier residiert der Oberste Gerichtshof indiens.

In Ganediwalas Richterspruch vom 19. Januar wurde das Urteil damit begründet, dass ein 39-jähriger Mann dem Kind bei seinem Übergriff nicht auf der nackten Haut berührt hat. Es habe keinen Hautkontakt gegeben, hieß es.

Der Vorfall ereignete sich 2016. Der Mann hatte dem Mädchen nicht nur an die Brust gefasst, sondern auch noch versucht, es auszuziehen. Das geht aus den Gerichtsakten hervor. Der Angeklagte wurde zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil legte er Berufung ein. Und er war erfolgreich!

Tat war der Richterin nicht schwerwiegend genug

Indians hold placards protesting against the alleged gang rape and killing of a Dalit woman in Uttar Pradesh state, in Gauhati, India, Saturday, Oct. 10, 2020. Protestors have been demanding the dismissal of the government of a northern Indian state where the 19-year-old woman from the country's lowest caste was allegedly gang raped and later died in a hospital. Dalits, formerly known as "untouchables" and at the bottom of India's Hindu caste hierarchy, are victims of thousands of attacks each year. (AP Photo/Anupam Nath)
Oft gehen die Menschen in indien auf die Straße, um Gewalt gegen Frauen anzuprangern.
AN, AP, Anupam Nath

Richterin Ganediwala urteilte im Berufungsverfahren, dass seine Tat nicht der Definition eines „sexuellen Übergriffes“ entspräche. Ein sexueller Übergriff ist nach indischem Recht mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren zu bestrafen. Diese Strafe kann auf fünf Jahre verlängert werden.

Ganediwala schrieb jetzt: „Angesichts der strengen Art der Bestrafung, die für die Straftat vorgesehen ist, sind nach Ansicht dieses Gerichts strengere Beweise und schwerwiegende Vorwürfe erforderlich.“ Allerdings ist in Indiens Gesetz zum Schutz von Kindern vor sexuellen Straftaten nicht ausdrücklich festgelegt, dass Hautkontakt erforderlich ist, um ein Verbrechen als sexuellen Übergriff einzuordnen.

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Heftige Kritik: Urteil "beschämend, empörend, schockierend und ohne richterliche Vorsicht"

Eine Strafe müsse „in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verbrechens“ stehen. Deswegen kassierte sie das Urteil gegen den Grapscher und verurteilte ihn wegen Missbrauchs zu einem Jahr Gefängnis.

Der indische Generalstaatsanwalt protestierte gegen das Urteil, das einen gefährlichen Präzedenzfall“ darstelle. Der Oberste Gerichtshof verfügte daraufhin einen Aufschub. Der Generalstaatsanwalt hat nun zwei Wochen Zeit, um eine ordnungsgemäße Petition gegen das Urteil einzureichen.

In der Öffentlichkeit herrscht große Empörung über das Urteil von Ganediwala. Die Anwältin Karuna Nundy twitterte: „Solche Urteile tragen zur Straflosigkeit bei Verbrechen gegen Mädchen bei.“ Sexualforscherin Ranjana Kumari nannte das Urteil „beschämend, empörend, schockierend und ohne richterliche Vorsicht.“

Immer wieder schockierende Fälle sexueller Gewalt in Indien

epa03518667 Indian protesters lit candles, during a silent protest march held by sex workers, transgender and gays, against the gang rape of a student in New Delhi a week back, in Mumbai, India, 27 December 2012. The 23 year old woman who was gang-raped by 6 men on a moving bus on the night of 16 December 2012 has been flown to a Singapore hospital for further treatment of her severe internal injuries. EPA/DIVYAKANT SOLANKI  +++(c) dpa - Bildfunk+++
Nach dem Tod einer Studentin durch eine Gruppenvergewaltigung im Dezember 2012 rissen die Proteste (hier in Bombay) wochenlang nicht ab.

Sexuelle Gewalt ist in Indien ein großes Problem. Offiziellen Angaben zufolge wird alle 15 Minuten eine Frau vergewaltigt. Experten gehen allerdings davon aus, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt und die Anzahl der Vergewaltigungen weit höher liegen dürfte.

Immer wieder sorgen schockierende Fälle für Aufsehen.

Lesen Sie zu diesem Thema auch: Eine Suche nach Antworten: Warum werden in Indien so viele Frauen vergewaltigt?

Auswärtiges Amt warnt

Das Auswärtige Amt schreibt auf seiner Webseite: „Ausländer, insbesondere allein oder in kleinen Gruppen reisende Frauen, sind vereinzelt von gewaltsamen, auch sexuellen Übergriffen betroffen, auch in Touristenzentren. Dazu werden teilweise Drogen oder K.o.-Tropfen über Getränke verabreicht.“

In der Warnung heißt es weiter: „Lassen Sie sich stets von Vorsicht leiten und praktizieren Sie immer situationsangemessenes und kulturbewusstes Verhalten. Dies trifft insbesondere auf allein reisende Frauen vor dem Hintergrund der Berichte über sexuelle Übergriffe zu.“