"Zeig anderen, was geht!"
Sie sollte keine Kinder bekommen: 3-fach Mama mit Diabetes und PCO-Syndrom wird zum Insta-Star

Es ist ein Tag wie jeder andere, als sich das Leben von Kathi Schanz für immer verändert. Denn an diesem Tag in 2011 wird sie mit Diabetes Typ 1 diagnostiziert – und diese Diagnose zerstört beinahe ihr Leben.
Die Ärzte schickten Kathi immer wieder fort
Die heute 31-Jährige hat gerade ihr Abitur gemacht und startet mit dem Studium zur Grundschullehrerin, als sie sich plötzlich matt fühlt. Ausgelaugt. Fix und fertig. „Ich trank bis zu zehn Litern am Tag und wurde immer schwächer, bis ich mich kaum noch aufrecht halten konnte“, erzählt sie RTL. Doch alle Ärzte, die Kathi in der Zeit aufsucht, schicken sie unverrichteter Dinge wieder weg. Sie sei jung und gesund, kein Grund zur Sorge. „Dabei hätte man nur den Blutzuckerspiegel messen müssen“, so Kathi. Denn zu diesem Zeitpunkt hat sie bereits Diabetes Typ 1.
Laut der „Deutschen Diabetes Hilfe“ haben momentan knapp 8,5 Millionen Deutsche Diabetes – vier Prozent davon Diabetes Typ 1. Während der Typ 2 Diabetes vielen als „Alterdiabetes“ bekannt sei und vor allem durch Bewegungsmangel und Übergewicht hervorgerufen werde, werde Diabetes Typ 1 durch ein Versagen der Bauchspeicheldrüse ausgelöst, schreibt das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Die Zellen in der Bauchspeicheldrüse verlernen Insulin zu produzieren. Das Ergebnis: eine unheilbare Krankheit und die Abhängigkeit auf eine Insulinzufuhr von außen für den Rest des Lebens.
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"Ich hatte nichts, wofür ich lebte"
Doch die Diagnose ist nicht das Ende von Kathis Geschichte. Es ist vielmehr der Beginn. Vor Ort sagen ihr die Ärzte, Kathi solle keine Kinder bekommen und keinen Sport mehr treiben. Für die Leistungssportlerin und angehende Lehrerin ein Albtraum. Nach ihrer Diagnose zieht Kathi sich deshalb zunehmend zurück. „Ich war für zwei Jahre zu nichts zu gebrauchen“, erzählt sie. „Ich habe zwar irgendwie gelebt, hatte aber nichts, wofür ich lebte.“
Für Professor Andreas Fritsche, Vizepräsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), ein Unding. „Es wundert mich, dass in der heutigen Zeit ein Arzt zu einer Frau mit Typ 1 Diabetes sagt, sie solle keine Kinder bekommen“, sagt er im RTL-Gespräch. „Das ist aus der Mottenkiste der Medizin!“ Eine Schwangerschaft sei keine Krankheit, heutzutage könne man das auch mit Diabetes Typ 1 gut hinbekommen. Man müsse die Frauen diabetologisch eben gut betreuen und den Blutzucker gut einstellen.
Und auch Sport sei kein Problem. „Menschen mit Diabetes Typ 1 können in der Regel jeden Sport treiben, den sie sich vorstellen können“, stellt er klar. Bewegung tut auch bei Typ 1 Diabetes gut. Je nachdem welchen Sport man treibe, müsse man hier und da Vorkehrungen treffen, um beispielsweise Unterzuckerungen zu vermeiden.
Dann die Überraschung: Kathi wird schwanger
Was Kathi damals aber noch nicht weiß: Der Diabetes ist nicht die einzige Erkrankung, die ihr eine Schwangerschaft erschweren. Es ist auch das so genannte Polycystische Ovarialsyndrom (PCO-Syndrom), eine Hormonstörung, bei der die Eizellen nicht richtig reifen. „Es hieß, dass ich erstmal eine jahrelange Hormontherapie durchlaufen müsste, um schwanger werden zu können“, sagt Kathi. Sie will es dennoch versuchen und erlebt eine Überraschung: Denn nur zwei Monate später ist sie schwanger!
Wenn eine Frau Diabetes Typ 1 hat und Kinder bekommen will, sollte sie die Schwangerschaft am besten planen, rät Fritsche. „Der Blutzucker sollte gut eingestellt sein.“ Wenn der Zucker in der Frühschwangerschaft viel zu hoch sei, erhöhe sich das Risiko für Missbildungen wie Neuralrohrdefekte beim Kind. Ab der 20. Schwangerschaftswoche gelte es dann, das übermäßige Wachstum des Kindes zu vermeiden. „Dann besitzt auch das Baby eine Bauchspeicheldrüse und versucht das Insulin für die Mutter mit zu produzieren, wenn sie zu hohe Blutzuckerwerte hat“, erklärt er. Da Insulin ein Hormon sei, das zum Wachstum anrege, wachse das Kind daraufhin vermehrt und komme zu groß auf die Welt.

Kathi macht sich zu ihrer eigenen Expertin
Trotzdem stellt Fritsche klar: „Rauchen und Alkohol während der Schwangerschaft sind viel schlimmer fürs Kind als Diabetes Typ 1.“ Selbst wenn einzelne Werte über dem gebotenen Zuckerwert von 140 mg/dl liegen. „Da wird den Frauen viel zu viel Druck gemacht“, sagt er. Er würde einer Frau mit Diabetes aber nicht zu einer Hausgeburt raten, da das Baby mit zu niedrigen Blutzuckerwerten auf die Welt kommen kann und behandelt werden muss – „aber ansonsten gelten eben die üblichen Regeln in der Betreuung während der Schwangerschaft“, so Fritsche. „Ich will nichts verharmlosen, aber die Frauen in die Problemecke zu stellen, ist übertrieben.“
Vor 10 Jahren jedoch sieht das Bild noch ganz anders aus. Kathis Problem damals: Niemand kann ihr bei der Schwangerschaft wirklich helfen. Die Ärzte nicht, aber auch nicht das Internet. Und nicht nur das – die Stigmatisierung selbst bei den Ärzten sei extrem, so Kathi. „Egal welches Problem ich hatte, egal zu wem ich gegangen bin, es wurde alles auf meinen Diabetes geschoben“, sagt sie. Also wird sie selbst aktiv, wälzt Bücher, recherchiert und wird mit der Zeit zu ihrer eigenen Expertin. „Ich habe die Kamera in die Hand genommen und losgedreht, um alles zu erzählen“, sagt sie. Damit entsteht ihr erster Social-Media-Account: Diabeteswelt. „Du kannst damit Leuten helfen, erst zehn, dann zwanzig und dann immer mehr!“
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"Bitte, bitte schämt euch nicht!"
Und dass die Nachfrage wohl groß ist, zeigen Kathis Abo-Zahlen. Auf YouTube sind es mittlerweile über 3.000 Abonnenten, auf Insta sogar über 5.000. Nicht nur der Diabetes ist dort Thema, sondern auch ihr PCO-Syndrom und Lipödem. „Egal um welche chronische Erkrankung wir hier sprechen, ich kann den Leuten nur raten: Macht euch selbst zum Experten“, so Kathi. Das tue nämlich niemand für dich. „Wir müssen uns 24/7 damit auseinandersetzen, niemand sonst.“
Sie zeigt sich mit ihren bunten Kompressionsstrümpfen und der Insulinpumpe am Bauch und motiviert ihre Follower: „Bitte, bitte schämt euch nicht!“ Das alles sehe beizeiten echt komisch aus, aber das mache nichts. „Zeig anderen Menschen was alles geht – trotz deiner Erkrankung.“ So wie sie selbst. Schließlich hat Kathi heute drei gesunde Mädchen, ist deutsche Meisterin im Tischtennis und selbstständig. „Ich habe dieses ‘Du kannst dies und das nicht’ umgewandelt in ‘Ich kann’“, sagt sie. „Vielleicht kann ich das genau, weil ich krank bin.“ Und genau das will Kathi auch weiterhin ihren Followern mitgeben und sie motivieren ihr Leben zu leben, wie sie es wollen - egal welche Krankheiten sie auch haben mögen.