Wozu Fachhändler und Experten ratenSchulranzen-Trends 2022: Experten-Tipps und Kaufberatung für Tornister und Schulrucksäcke

„Das ist ja schon fast wie beim Brautkleid-Kauf!“ sagt eine Kundin verwundert zu Martin Voegels, als eine Mutter die Schulranzen-Probe ihres Kindes mit dem Mobiltelefon für die sozialen Netzwerke festhält. „Durch die Instagramisierung unserer Welt ist der Ranzenkauf tatsächlich zu einem Event geworden, die Ranzen werden auch im Kindergarten schon stolz vorgezeigt“, erzählt der Geschäftsführer von Lederwaren Voegels in Köln und rät deshalb dringend zur Terminvereinbarung. Schließlich soll das Beratungspersonal auch genug Zeit haben. „Viele kommen gleich mit der ganzen Familie und haben sich vorher schon im Internet informiert.“ Aber anprobieren muss man einen Ranzen vor dem Kauf auf jeden Fall, damit er auch gut sitzt. Wir haben mit Expertinnen und Experten gesprochen, worauf man dabei achten muss und was die aktuellen Trends sind.
Aufgrund der Pandemie haben vielen den Schulranzenkauf vorgezogen
Fast 800.000 Vorschulkinder der Jahrgänge 2015 und 2016 werden im August und September 2022 eingeschult. Ob sie den begehrten Platz für ihr Kind an der Wunschschule erhalten haben, wissen die Eltern der kommenden Erstklässler meist noch nicht. Aber um den Schulrucksack oder -ranzen kümmern sie sich jetzt schon. „Dieses Jahr hat der Ansturm auf die Schulranzen deutlich früher begonnen“, berichtet Marion Taube. Sie ist Fachverkäuferin bei Ortloff in Köln und kommt dieses Jahr schon seit Januar kaum nach mit den Ranzenberatungen – trotz 2G-Regel. Früher fand das Hauptgeschäft um Ostern herum statt. Die Gründe? Am Anfang vielleicht Angst vor einem möglichen Lockdown und jetzt vor Lieferengpässen, vermutet Martin Voegels.
Im Trend: Gut beleuchtete Schulranzen mit Kletties oder Magneten individualisieren
Die Trends hingegen sind weitgehend unverändert. „Angesagt sind individualisierbare Ranzen, die mit Kletties oder Magneten angepasst werden können“, resümiert Ranzenhändler Martin Voegels. „Wenn im ersten Schuljahr noch Feen gefragt sind, können im zweiten Schuljahr stattdessen Tiere draufgepappt werden.“
Die Modelle selbst sind eher schlicht gehalten, die Kinder legen sich nur bei der Grundfarbe fest, die oft ein Muster bestimmt. „Rosa, blau, aber auch mal komplett knallgelb und sogar dieses Jahr auch mal wieder was komplett Einfarbiges“, fasst Marion Taube die aktuellen Trends zusammen. „Aber nicht zu schrill“, ergänzt Martin Voegels. Oft wählen Eltern und Kinder noch nach Geschlechterklischees – Bonbonfarben für die Mädchen, Blau oder gedeckte Töne für die Jungs. Aber es suchen sich mittlerweile auch schon mal Jungs lila Ranzen aus.
Dank der Badges mit Klett- oder Magnethalterung kann man trotzdem einen Fußball oder einen Dino als Deckel-Deko wählen. „Weltraum ist bei Jungs aktuell ein Thema, Elon Musk und seine Rakete oder die Marssonde sind häufig in den Nachrichten. Bei den Mädchen sind Fische, Delphine oder Pferde hoch im Kurs“, weiß Martin Voegels. Und Ballerinas oder Prinzessinnen.
„Gut mit Reflektoren und Leuchtelementen ausgestattet sollen die Ranzen aktuell sein“, beobachtet Marion Taube. „Die Sichtbarkeit ihres Kindes im Straßenverkehr oder im Dunkeln ist den Eltern sehr wichtig.“
„Nachhaltige Materialien sind aktuell gefragt“, erläutert Martin Voegels. „Recycelter Kunststoff ist sowieso mittlerweile Standard, aber nun gibt es auch Rucksäcke und Ranzen aus Meeresplastik – gesammelt zum Beispiel in der Nordsee.“
Ranzen statt Rucksack: Bei der Form dominieren die stabileren Klassiker
„Der Trend geht definitiv wieder mehr zu den Ranzen“, sagt Marion Taube. Das kann daran liegen, dass die Form der Ranzen robuster ist als die im letzten Jahrzehnt sehr beliebten Schulrucksäcke – und einfacher im Handling: Die Ranzen kann man mit einer Hand schließen, ohne ein Band zusammenziehen zu müssen. „Ranzen finde ich besser“, bekräftigt Orthopäde Dr. Peter Weih aus Mülheim/Ruhr aus medizinischer Sicht. Er lobt die stabilere Bauart vieler Ranzenmodelle, die er für orthopädisch vorteilhafter hält.
Das bestätigt auch Martin Voegels: „Ich habe mit meinen Kindern die Erfahrung gemacht, dass ein fester Ranzen den Vorteil einer klareren Innenstruktur hat.“ Auch in seinem Geschäft werden wieder eher festere Modelle gekauft. Beliebt sind bei Eltern und Kindern:
Kostenpunkt für diese Marken: Meist 200 Euro und mehr. Dafür ist alles dabei: ein komplett befülltes Mäppchen, zusätzlich ein Schlamperetui sowie Sporttasche oder -beutel. Da brauchen die Kids maximal noch Brotdose, Trinkflasche, Ranzen-Regenschutz und vielleicht einen Brustbeutel fürs Ausflugsgeld.
Sparpotenzial bieten Vorjahresmodelle, die viele Händler noch im Geschäft haben und rabattieren. Oft ist es die gleiche Bauart, nur die Optik ist eine andere.

Die Top-Tipps fürs Ranzen-Shoppen
Für die Experten im Verkauf ist es der größte Eltern-Fehler überhaupt, dem Kind einen Ranzen aufzuzwingen. „Das Kind sollte den Ranzen aussuchen“, findet Martin Voegels. So hat er es bei seinen eigenen drei Kindern auch gehandhabt. „Die Kinder laufen schließlich im Idealfall vier Jahre mit dem Ranzen herum.“
Manche Eltern kommen mit klaren Vorstellungen in die Geschäfte, sind manchmal sogar fixiert auf eine Marke, etwa weil sie in den 1980ern selbst einen Scout hatten. Oft haben sie aber auch einfach schon recherchiert im Internet oder sich im Freundeskreis und in sozialen Netzwerken umgetan. „Die meisten sind aber trotzdem ergbnisoffen“, findet Martin Voegels. Schließlich passe manchmal ein anderes Modell besser zum Kind.
Hier unsere drei Top-Tipps für Eltern:
Auf ein Produkt eines der führenden und nachgefragten Herstellers setzen
Die Sichtbarkeit im Verkehr im Auge haben und notfalls mit Leuchtkletties nachrüsten
Auf die Ergonomie und Passform achten
Ergonomie beim Schulranzen oder -rucksack: So muss er sitzen
Martin Voegels empfiehlt, auf die Polsterung zu schauen: „Je näher am Rücken, desto besser. Bei vielen Herstellern wird der Ranzen mit einem Brust- und einem Hüftgurt fixiert, ähnlich wie bei Treckingrucksack.“ So sitzt er im Idealfall schön mittig auf dem Rücken und die Trägerriemen können nicht von den Schultern rutschen.
Orthopäde Dr. Peter Weih erklärt: „Die Oberkante des Schulranzens soll waagerecht verlaufen, etwa auf Schulterhöhe, und die Riemenbreite sollte ungefähr der Schulterbreite entsprechen, also ungefähr vier Zentimeter. Bei Trägergurte sollten beim Straffziehen auf die gleiche Länge eingestellt werden.“
Es kursieren im Netz Formeln mit dem Maximalgewicht für den bepackten Schulranzen - 10 bis 12 % des Körpergewichts. Voegels hält davon wenig: Er würde eher einen etwas schwereren Ranzen wählen, der aber dafür gut sitzt und durch eine flexible Höhenverstellbarkeit „mitwächst“, als nur das Gewicht des Ranzens zu betrachten. Schwerer heißt konkret 1.100 bis 1.200 Gramm Leergewicht.
Damit Eltern und Vorschulkind sich vorstellen können, wie sich ein beladener Ranzen im Schulalltag anfühlt, packen er und seine Mitarbeiter im Geschäft auch schon mal Gewichte rein. Das findet der Orthopäde goldrichtig: „Wir müssen Größe, Körperstatus und Trainingszustand des Kindes berücksichtigen.“
„Die Eltern sind dieses Jahr besonders interessiert an ultraleichten Ranzen“, beobachtet Marion Taube. 780 bis 850 Gramm wiegen die. Früher haben hier oft nur Eltern sehr zarter Kinder, bei denen jedes Gramm auf dem Rücken zählt, zugegriffen.
Wichtig ist, dass die Kinder den Ranzen auch bepackt allein auf- und wieder absetzen können.
Was kann passieren, wenn der Schulranzen oder Schulucksack nicht gut sitzt?
„Im schlimmsten Fall geht das Kind ins Hohlkreuz, wenn der Ranzen überladen ist oder es beugt sich nach vorn“, sagt Martin Voegels. Orthopäde Dr. Peter Weih zufolge ist das auch der Fall, wenn der Riemen des Rucksacks oder Ranzens zu lang ist – „ist er zu kurz, entwickelt sich ein Rundrücken.“ Die meisten Schulen haben zudem mittlerweile Fächer unter den Tischen oder Schließfächer, sodass die Kinder nicht immer alles auf dem Rücken mit sich herumtragen müssen. Viele Schüler erledigen ihre Hausaufgaben im Ganztag und lassen die Arbeitsmaterialien dann in der Schule.
Orthopäde Dr. Weih sieht in seiner Praxis mehr Schäden durch zu langes Sitzen vor Computer oder Mobiltelefon als durch schlecht sitzende oder zu schwere Schulranzen. Bei einem durchschnittlichen Schulweg von 15 Minuten kann der Schulranzen nicht so entscheidend Einfluss auf den kindlichen Bewegungsapparat nehmen wie etwa das mehrstündige Sitzen auf Stühlen in der falschen Größe im Klassenraum.
Der Mediziner rät vor allem von Ranzentrolleys ab, also von Roll-Gestellen, mit denen Kindern neuerdings auch schon mal Schulranzen hinter sich herziehen: „Da halte ich gar nichts von: Ob im Bus oder am Bordstein - die Kinder müssen die Trolleys an Kanten hochziehen oder sogar hochtragen – keine natürliche Körperhaltung. Da werden einseitig Muskelketten aktiviert. Die Belastung ist viel ungünstiger, als wenn sie den Ranzen auf dem Rücken tragen.“
Sind Ranzen-Checks der Warentester eine gute Kaufhilfe?
Die Schulranzen-Checks von Ökotest und Stiftung Warentest halten beide Händler als alleinige Entscheidungshilfe für ungeeignet. „Ökotest legt sehr viel Wert auf die Schadstofffreiheit. Wenn der Ranzen aber leuchten soll wie die Westen der Müllmänner, ist es nicht möglich, eine solche Farbe ökologisch herzustellen, da muss man abwägen“, gibt Martin Voegels zu bedenken und fügt hinzu: „Stiftung Warentest legt großen Wert darauf, dass der Ranzen gut sichtbar ist. Macht aber nicht so viel Sinn, wenn das Kind direkt neben der Schule wohnt.“
Lese-Tipp: Der letzte Schulranzen-Check von Ökotest 2020
Orthopäde Dr. Peter Weih rät, darauf zu achten, ob der Ranzen das GS-Zeichen als Sicherheitsprüfsiegel trägt – und die DIN 51824 erfüllt. Er würde beim Kauf darauf achten, dass beim Imprägnieren keine gesundheitsschädlichen PFC-Stoffe verwendet werden und wie die Umweltbilanz des Ranzens aussieht: „Man sollte schon darauf achten, dass er klimaneutral gefertigt wurde – und unter fairen Arbeitsbedingungen. Oder man übernimmt den Ranzen eines älteren Geschwisterkinds.“
Bei vielen Ranzenmodellen lassen sich Neon-Leuchtpads oder Neon-Aufkleber zukaufen. So können Eltern die Leuchtkraft zusätzlich erhöhen. Aber natürlich können Tests oder Berichte Eltern Impulse liefern, worauf Eltern achten können beim Ranzenkauf oder wonach sie fragen sollten. Schließlich will die Entscheidung gut überlegt sein. Denn die künftigen Erstklässler sollen ihren ersten Ranzen ja möglichst tragen, bis sie auf der weiterführenden Schule auf einen lässigen Rucksack wechseln. Da ist übrigens gerade Satch das dominierende Modell, mit weitem Abstand gefolgt von Cookazoo. Bei den Pre-Teens sind Ranzen weiter out und Rucksäcke das Ding.
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