Darum verlassen Arbeitnehmer ein Unternehmen
Reif für den Jobwechsel? Wann eine Kündigung sinnvoll ist - und wann nicht
Landen in letzter Zeit verstärkt Abschiedsmails von Kollegen in Ihrem Postfach? Das könnte daran liegen, dass gerade so viele Menschen wie nie Interesse an einem neuen Arbeitgeber haben. Doch wer leichtfertig kündigt, läuft Gefahr, die Entscheidung zu bereuen. Wir zeigen, welche Gründe tatsächlich für einen neuen Job sprechen und welche Probleme sich auch anders lösen lassen könnten.
Fast jeder Zweite offen für einen Wechsel
Die Zahlen sprechen für sich: Eine Umfrage der Beratungsgesellschaft EY im Dezember 2021 ergab, dass 48 Prozent der Teilnehmer sich vorstellen könnten, bei einem anderen Unternehmen anzuheuern oder sogar aktiv nach einem neuen Job sucht. Das sind mehr als je zuvor, vor vier Jahren lag der Anteil bei gerade einmal 18 Prozent.
Kein Wunder, denn die Chancen sind gut. Wie schwierig es ist, vakante Positionen zu besetzen, zeigen die Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Die Einrichtung bildet mit dem sogenannten Arbeitskräfteknappheits-Index ab, inwiefern Arbeitsagenturen Schwierigkeiten haben, offene Stellen zu besetzen, weil zu wenig geeignete Kandidaten vorhanden sind. Lag der Wert im Januar 2021 noch bei 3,1, betrug er Anfang des Jahres bereits 4,5 von zehn Punkten. „Die aktuelle Jobsituation ist ideal für all diejenigen, die in Erwägung ziehen, einmal etwas ganz anderes zu machen. Sei es, einen neuen Job auszuprobieren oder in eine andere Branche zu wechseln“, sagt StepStone-Arbeitsmarktexperte Dr. Tobias Zimmermann.
Wenn es dann aber konkreter wird, plagen viele Menschen Zweifel, ob sie tatsächlich kündigen sollten. Schließlich möchte niemand nach einer Woche im neuen Job die Entscheidung bereuen. Sie sind also gut beraten, wenn Sie Ihrer Unzufriedenheit zunächst auf den Grund gehen – schließlich haben die meisten Arbeitnehmer die Stelle einmal angenommen, weil sie darin Chancen gesehen haben. Antworten auf die Frage nach einem Motiv für eine Kündigung gibt die Befragung von EY – hier sind die drei meistgenannten Gründe.
Platz 1: Bessere Bezahlung
Das liebe Geld... 58 Prozent der Befragten der EY-Studie gaben an, dass ein besseres Gehalt für sie ein Grund für eine Kündigung wäre. Können Sie Erfolge im Job nachweisen und Ihr Arbeitgeber will trotzdem nicht mehr zahlen, kann ein Jobwechsel beste Chancen bieten, die Einkünfte zu verbessern. Denn Knappheit auf dem Arbeitsmarkt dürfte bedeuten, dass die „Probleme bei der Personalbeschaffung wieder zunehmen und der Druck hin zu höheren Löhnen in den gefragten Berufen steigen dürfte“, so IAB-Arbeitsmarktforscher Alexander Kubis.
Vergessen Sie aber nicht, dass Geld nicht alles ist, denn die Zufriedenheit ergibt sich aus vielen Faktoren, zu denen auch Karriereperspektiven und die Identifikation mit dem Unternehmen zählen. Falls gerade keine Gehaltserhöhung drin ist, kann auch eine vom Arbeitgeber bezahlte Weiterbildung* sinnvoll sein – denn immerhin investieren Sie hier in sich selbst und haben dadurch unter Umständen bessere Aufstiegschancen.
Empfehlungen unserer Partner
Platz 2: Interessanterer Arbeitsinhalt
Ebenfalls sehr weit oben in der Liste der meistgenannten Gründe für einen Wechsel landen die Arbeitsinhalte, die mit 34 Prozent immerhin jeder dritte Befragte angibt. Wer das Gefühl hat, dass seine Stärken auf der Strecke bleiben und die Tätigkeit nicht als sinnvoll ansieht, der wird schnell unzufrieden.
Bevor Sie jedoch kündigen, überlegen Sie, ob Sie Ihre Fähigkeiten im Unternehmen nicht an anderer Stelle einsetzen können. Wenn Sie nur mit ihrer aktuellen Abteilung unzufrieden sind, sich aber grundsätzlich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren können, bietet eine interne Bewerbung vielleicht eine Chance. Ist dies nicht möglich und haben Sie das Gefühl, nichts mehr erreichen und lernen zu können, sollten Sie sich anderweitig umsehen.
Platz 3: Bessere Möglichkeiten zur Weiterentwicklung
27 Prozent der Befragten gaben an, dass Sie für bessere Möglichkeiten zur Weiterbildung den Job wechseln würden. Bevor Sie diesen Schritt gehen, sollten Sie allerdings in sich gehen und überlegen, wo Ihre Karriere Sie hinführen soll und welche Weiterbildungen Sie dafür benötigen. Haben Sie konkrete Vorstellungen, können Sie diese Ihrem Arbeitgeber mitteilen.
Gegebenenfalls kann auch ein berufsbegleitendes Fernstudium eine Option sein, das der Arbeitgeber finanziert. In fast allen Bundesländern haben Sie zudem Anspruch auf Bildungsurlaub – eine Weiterbildung muss in diesem Fall sogar nicht unmittelbar mit dem aktuellen Beruf zu tun haben. Falls Sie sich neu orientieren möchten: Besonders gefragt sind im Moment Berater für den öffentlichen Sektor.
Welche Gründe sprechen für eine Kündigung?
Nicht alle Probleme lassen sich lösen. Über eine Kündigung sollten Sie etwa dann nachdenken, wenn Sie merken, dass Ihre Gesundheit leidet, weil der Job Sie krank macht. Dies kann an vielen Gründen liegen: Sie sind überlastet, die Kollegen oder Ihr Chef mobben, schließlich können Sie auch im Feierabend nicht mehr abschalten.
Wichtig allerdings: Schöpfen Sie Ihre Möglichkeiten aus, bevor Sie hinschmeißen. Können Sie Ihre Arbeit nicht mehr bewältigen, sprechen Sie mit Ihrem Chef darüber. Mobben die Kollegen Sie, informieren Sie den Betriebsrat (falls vorhanden). Vor Streitereien mit Kollegen sind Sie auch im neuen Job nicht sicher. Am effektivsten ist es, wenn Sie wissen, wie Sie mit Spannungen professionell umgehen und Ihrem Gegenüber den Wind aus den Segeln nehmen können.
Auch fehlende Karriereperspektiven können ein triftiger Grund für eine Kündigung sein. Wenn Sie merken, dass Ihr Unternehmen den Anschluss verliert, weil auf der Führungsebene eine schlechte Entscheidung nach der anderen getroffen wird, ist auch Ihr Job irgendwann in Gefahr. Besser, Sie suchen das Weite.
Handeln sollten Sie auch, wenn Ihr Chef zu hohe Anforderungen an Sie stellt. Sie bekommen zusätzlich Aufgaben übertragen, die vorher ein anderer Kollege erledigt hat? Dann sollten Sie dafür auch an anderer Stelle entlastet werden. Fällt Ihrem Vorgesetzten dagegen nichts Besseres ein, als Ihnen ein Zeitmanagement-Seminar nahezulegen, wenn Sie ihn darauf ansprechen, hat er offenbar Erwartungen, die Sie nicht erfüllen können. Dies ist nicht nur zermürbend, sondern kann auch dazu führen, dass Sie am Ende an sich selbst zweifeln. Bevor es so weit kommt, sollten Sie einen anderen Weg einschlagen. (mst)
*Wir arbeiten in diesem Beitrag mit Affiliate-Links. Wenn Sie über diese Links ein Produkt kaufen, erhalten wir vom Anbieter eine Provision. Für Sie entstehen dabei keine Mehrkosten. Wo und wann Sie ein Produkt kaufen, bleibt natürlich Ihnen überlassen.