Vortrag halten, Menschen ansprechen, Herausforderungen
Raus aus der Komfortzone! Diese simple Frage hilft dabei, endlich mutiger zu werden
von Lauren Ramoser
Ich höre das Blut in meinen Adern rauschen, meine Hände zittern, mir ist kalt und ich frage mich immer wieder: Warum tue ich mir das an? Minuten vor meinem Auftritt vor 200 Gästen bei einem Travel Slam stelle ich meine freiwillige Entscheidung mitzumachen, stark in Frage. Doch dann geht es auch schon los! Die systemische Beraterin Ruth Marquardt erklärt, warum wir an solchen Herausforderungen wachsen können.
Wie erkenne ich meine Komfortzone?
Als Journalistin habe ich keine Schwierigkeiten, Menschen anzusprechen. Mir macht es auch nichts aus, bei Unbekannten anzurufen und auch vor Fernsehkameras zu stehen, sorgt bei mir nicht mehr für Aufregung. Schließlich ist das mein Job, das habe ich viele Jahre lang gelernt und dabei geht es ja auch selten um mich selbst, sondern um ein bestimmtes Thema. Das ist meine Komfortzone. „Die Komfortzone ist, wenn die feste Abläufe habe, wenn ich weiß, was passiert. Ich fühle mich als würde ich die Situation beherrschen“, erklärt mir die systemische Beraterin Ruth Marquardt.
Doch was passiert, wenn ich diese Komfortzone verlasse?
Vor einigen Monaten entscheide ich mich, bei einem Travel Slam mitzumachen. 15 Minuten lang erzähle ich von einer meiner Reisen und kann selbst entscheiden, worum genau es geht und wie lustig und unterhaltsam mein Vortrag werden soll. Das klingt für mich nach einer ganz kleinen Herausforderung und vor allem sehr viel Spaß – doch dabei bleibt es nicht.
Eine Woche vor dem Auftritt verändert sich meine Vorfreude zu Anspannung. Ich habe meine Bilder-Präsentation vorbereitet, mir die Geschichten überlegt, die ich erzählen will. Doch mit jedem Tag, mit dem der Slam näher rückt, werde ich nervöser. Vier Tage vor der Veranstaltung wird die Angst so groß, dass ich ernsthaft überlege, abzusagen. Ich könnte doch einfach wieder im Publikum sitzen, wie beim letzten Mal, den anderen zuhören, lachen und entspannt eine gute Zeit haben.
So beängstigend diese Aufregung erscheint, sie ist ganz normal, so Ruth Marquardt. „Sie ist ein klares Zeichen, dass ich meine Komfortzone verlasse.“ Und genau das ist mein Plan, denn ich will üben, frei vor Menschen zu sprechen.
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Raus aus der Komfortzone - denn das macht schlauer
Dabei ist es für unser Gehirn wichtig, regelmäßig Neues zu lernen. Wer sich allerdings immer aus Angst gegen neue Dinge entscheidet, verwehrt sich selbst die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. „Dann wird mit der Zeit der Korridor aus Dingen, die wir uns selbst zutrauen, immer kleiner“, erklärt die Expertin für Mental Health.
Hinzu kommt, dass sich unser Selbstbild mit jeder gemeisterten Herausforderung verändert. „Du machst jetzt die Erfahrung, dass du etwas kannst, von dem du vorher nicht gedacht hast, dass du es so gut könntest. Im Gehirn verschalten sich sehr viele Synapsen neu“, erklärt Ruth Marquardt.
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Doch wie überwinde ich mich?
Die wichtigste Frage für die nervösen Momente lautet: Was ist das Schlimmste, das passieren kann?
Wenn also nicht wirklich eine Gefahr lauert, lohnt sich das Risiko tatsächlich. In meinem Fall war es eher unwahrscheinlich, dass mich das Publikum ausbuht oder den Raum verlässt, weil mein Vortrag so furchtbar ist. Selbst wenn ich Teile der Geschichte vergessen würde, könnte ich improvisieren.
In der Sekunde als mein gefürchteter Auftritt beginnt, bin ich voll konzentriert, auf mein Gehirn kann ich mich also verlassen. Das ausgeschüttete Adrenalin versetzt uns in Alarmbereitschaft und die 15 Minuten verfliegen. Danach überwiegt die Freude – und die Erleichterung, dass alles gut geklappt hat. Und bei diesem Auftritt werde ich sogar besonders belohnt: Bei der finalen Abstimmung durch das Publikum habe ich gewonnen!
„Diese Erfolgserlebnisse schütten Glücksbotenstoffe aus und die können sogar süchtig machen“, sagt Ruth Marquardt. „Das sieht man an den Adrenalin-Junkies, die immer wieder zum Beispiel mit dem Mountain Bike die Berge hinunterrasen.“
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Doch was, wenn ich mich nicht traue?
Herausforderungen gibt es viele und sie sind sehr individuell. Manche haben Angst, vor vielen Menschen zu sprechen, so wie ich. Andere fürchten sich vor der Reaktion des Schwarms, wenn sie die eigenen Gefühle offenbaren. Wieder andere träumen vom Fallschirmsprung, aber trauen sich doch nicht.
Wenn die angepeilte Herausforderung eine Nummer zu groß erscheint, hilft es, sich langsam heranzutasten. Wer Angst davor hat, fremde Leute anzusprechen, kann erstmal nach dem Weg fragen oder im Restaurant anrufen und einen Tisch reservieren. Vor dem Fallschirmsprung kann man erstmal vom drei, fünf oder sogar zehn Meter Brett im Schwimmbad springen, denn schon das kann eine kleine Herausforderung sein.
Und selbst wer am Ende kneift, muss nicht enttäuscht sein: „Das muss nicht unbedingt Nachteile haben, schließlich kann ich mich in jedem Moment meines Lebens entscheiden, ob ich ein Wagnis eingehe“, erklärt die Expertin für Mental Health.