Überraschende Antworten der VerkehrsexpertenGefahr hinterm Steuer? Wann Senioren den Führerschein abgeben sollten

ARCHIV - ILLUSTRATION - Eine 84-jährige Frau sitzt am 30.04.2013 in Weingarten (Landkreis Ravensburg) am Steuer ihres Kleinwagens. Foto: Felix Kästle/dpa (Zu lsw: «Mediziner: Ärzte sollen Fahrtüchtigkeit von Senioren beurteilen» vom 08.06.2013) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Senioren gelten häufig als unsichere Verkehrsteilnehmer, aber ist das wirklich so?
von Lauren Ramoser

Autofahren im Alter: ein Diskussions-Dauerbrenner.
Das EU-Parlament erteilte dem Vorschlag, die Gültigkeit des Führerscheins ab 70 Jahren auf fünf Jahre zu beschränken, zuletzt eine klare Absage. Auch verpflichtende Gesundheitschecks für Seniorinnen und Senioren wird es nicht geben. Wie groß ist das Unfallrisiko durch ältere Menschen am Steuer wirklich, und wann sollten sie ihren Führerschein abgeben?

Vergleichsweise wenig Unfälle mit Senioren - also doch keine Gefahr hinterm Steuer?

Ein Blick auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes von 2020 zu Senioren im Straßenverkehr offenbart eine Überraschung: „68.853 ältere Menschen waren im Jahr 2020 an Unfällen mit Personenschaden beteiligt, das waren 14,6 % aller Unfallbeteiligten mit Altersangaben. Senioren haben damit im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil eine unterproportionale Unfallbeteiligung.“

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Sind Senioren also gar keine besondere Gefahr hinterm Steuer?

Mit Einschränkung doch! Denn die Auswertung der Statistik räumt ein: „Sofern über 64-jährige Pkw-Fahrer in einen Unfall verwickelt waren, trugen sie sehr häufig (68,7 %) die Hauptschuld. Bei den mindestens 75-Jährigen wurde sogar drei von vier unfallbeteiligten Pkw-Fahrern die Hauptschuld am Unfall zugewiesen (76,0 %).“ Das bestätigt auch der Deutsche Verkehrswacht e.V. auf Anfrage von RTL.

  • Heißt konkret: Senioren fahren zwar generell weniger Auto, da sie beispielsweise nicht mehr täglich zur Arbeit pendeln müssen, tragen bei Unfällen aber dennoch oftmals die Hauptschuld.

Auch ein Blick auf die Unfallursachen zeigt klare Unterschiede: Fahrern über 65 Jahren wurde deutlich häufiger vorgeworfen, die Vorfahrt missachtet zu haben, Fehler beim „Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren“ gemacht zu haben. Fahren unter Alkoholeinfluss oder Fahren unter Alkoholeinfluss werden Senioren hingegen nur selten vorgeworfen, jüngeren Fahrern aber schon.

Der ADAC erklärt in einem Statement: „Ältere Fahrer zeichnen sich in der Regel durch einen an die Situation angepassten Fahrstil sowie vorausschauendes Fahren aus, meiden riskante Fahrmanöver und halten genügend Sicherheitsabstand.“ Damit ließen sich „altersbedingte Leistungseinbußen häufig gut kompensieren“, so die Verkehrsexperten.

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Im Video: DAS rät der ADAC älteren Verkehrsteilnehmern

Wann sollten Senioren also den Führerschein abgeben?

Es ist ein schleichender Prozess, das Umdrehen fällt schwerer, die Augen werden schlechter, das bestätigt auch der ADAC auf RTL-Nachfrage. „Warnzeichen sind sicherlich vorrangig Sehprobleme, aber auch sich häufende kleine oder Beinahe-Unfälle.“ Die Verkehrsexperten empfehlen: „Bei Umstellung von Medikationen oder auch der Einnahme mehrerer Arzneimittel sollte jeder mit seinem Hausarzt auch über das Autofahren sprechen.“

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Autoclubs wie der ADAC bieten auch Fahrsicherheits-Checks mit Senioren an. Beim Deutsche Verkehrswacht e.V. gibt es ähnliche Präventionsveranstaltungen. Sprecher Heiner Sothmann appelliert: „Die Einsicht ist immer besser als der ‚Eingriff’.“

Wann also ist der richtige Moment, den Führerschein abzugeben? Familien und die betroffenen Senioren selbst sollten sich ehrlich diese Fragen beantworten:

  • Fahren Menschen aus meinem Umfeld ungern mit mir?

  • Hupen mich andere Autofahrer häufig wegen meines Fahrverhaltens an?

  • Habe ich in jüngerer Vergangenheit Unfälle verursacht?

  • Fällt es mir schwer, den Kopf zu drehen?

  • Werde ich oftmals angehupt?

  • Verliere ich leicht die Orientierung oder werde nervös im Straßenverkehr?

Wenn Senioren eine oder mehrere dieser Fragen mit Ja beantworten können, ist es Zeit, über das Abgeben des Führerscheins nachzudenken.