Selbsternannter "Prophet" von Goch vor GerichtLieß dieser Riesen-Teddy eine Missbrauchs-Sekte auffliegen?

Stellte Emmas Liebhaber diesen Teddy am Seeufer auf, um ihr Mut zu machen?
Dieser Teddy sollte der vermutlich eingesperrten Emma Mut machen und brachte Ermittler auf die Spur der Sekte
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Von außen betrachtet gleicht dieser Wohnort der perfekten Idylle: Das Kloster Graefenthal am Rande von Goch in Nordrhein-Westfalen liegt mitten zwischen Feldern, Wäldern und drei Seen. Dort lebt Emma (25) zusammen mit ihren Eltern und ihrem Bruder – und „einer Gruppe von engen Freunden“ wie auf dem Internetauftritt des Klosters zu lesen ist. Doch was sich hinter den altehrwürdigen Mauern abgespielt hat, wird ab dem 21. Juni im Rahmen eines Prozesses vor dem Landgericht Kleve verhandelt. Denn die junge Frau soll dort gefangen gehalten und missbraucht worden sein.

Tatvorwurf: sexueller Missbrauch, Körperverletzung und Freiheitsberaubung

Es ist noch sehr früh an diesem Mittwoch im Oktober 2020, als die Polizei Kleve mit Unterstützung einer Hundertschaft die 25-Jährige aus den Räumlichkeiten des Klosters befreit. Um 3:30 Uhr beginnt der Einsatz, bei dem insgesamt 54 Menschen, darunter 10 Kinder, in den Wohnräumen und auf dem Außengelände des Klosters Graefenthal angetroffen werden. Hier leben sie zusammen - angeblich als Freunde, die dort ein Café und eine Eventagentur, die von Abifeiern bis Hochzeiten alles ausrichtet, betreiben. Nichts war auffällig, nichts deutet auf schwere Verbrechen in den Klosterräumlichkeiten hin. „Die waren immer nett“, erzählt eine Frau RTL-Reporter Valerio Magno bei seinen Recherchen vor Ort.

Doch offenbar war nicht alles so harmlos, wie es von außen scheint. Denn jetzt wird der Polizeieinsatz und was dahinter stecken könnte vor dem Landgericht Kleve aufgerollt. Die Staatsanwaltschaft Kleve hat Anklage gegen den Leiter der Gruppe erhoben: Robert B. Ihm werden sexueller Missbrauch, Körperverletzung und Freiheitsberaubung vorgeworfen. Das angebliche Opfer Emma ist Nebenklägerin in dem Verfahren. „Nichts davon ist wahr“, sagt Camiel Engelen, der Geschäftsführer der Event-Firma gegenüber der „Rheinischen Post“, „wir halten niemanden gegen seinen Willen fest.“

ARCHIV - 21.10.2020, Nordrhein-Westfalen, Goch: Polizeirazzia im Oktober 2020 bei einer Glaubensgemeinschaft in Goch am Niederrhein. Auf dem Areal einer Eventagentur rückte die Polizei nach Hinweisen auf Freiheitsberaubung mit größerem Aufgebot an. Nun kommt der Fall vor Gericht.              (zu dpa "Kindesmissbrauch in Sekte? «Prophet» steht vor Gericht" - Bestmögliche Qualität) Foto: Guido Schulmann/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Im Oktober 2020 durchsucht die Polizei im Morgengrauen das Kloster Graefenthal und befreit die 25-Jährige.
ve cul tba, dpa, Guido Schulmann

Sekte wurde in den Niederlanden gegründet

Seit 2012 ist das Kloster Graefenthal der Wohnort für die Glaubensgemeinschaft „Orden der Transformanten“, die ursprünglich 2003 in den Niederlanden gegründet wurde. Dem Gründer Robert B. werden nun diese schweren Vorwürfe gemacht. Die Gruppierung könne man durchaus als sektenähnlich bezeichnen, so Sabine Riede von der Beratungsstelle "Sekten-Info NRW". Laut Internetauftritt des Ordens der Tranformanten gibt es mehrere Geistliche innerhalb der Gruppe. Zentral im Glauben der Sekte sei vor allem auch die Angst vor der Hölle gewesen. B. habe sich selbst als Prophet bezeichnet. "Er gab vor, seine Anweisungen seien die 'Wahrheit fürs Leben' – wenn man sich daran nicht hielte, komme man in die Hölle", so die Sekten-Expertin.

Innerhalb des "Orden der Transformanten" soll der selbsternannte Prophet sexuelle Beziehungen zu mehreren weiblichen Mitgliedern der Sekte gepflegt haben. Diese sollten im Glaubensgefüge der Sekte der "spirituellen Weiterentwicklung" dienen, erklärt Sekten-Expertin Riede. Eine der Frauen, mit denen der Beschuldigte eine Beziehung führt, ist die 25-jährige Emma. „Sie trägt einen gravierten Ring und hat seinen Namen auf ihr Handgelenk tätowiert“, sagt Geschäftsführer Camiel Engelen der „Rheinischen Post“.

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Emma verliebt sich außerhalb der Glaubensgemeinschaft - und das ist nicht erlaubt

News Bilder des Tages Auf dem Areal eines ehemaligen Klosters  KLOSTER-GRAEFENTHAL  am Niederrhein in Goch,Stadt in Nordrhein-Westfalen  NRW  befreite die Polizei eine 25-Jährige aus einer mutmaßlichen Sekte,sie wurde angeblich gegen ihren Willen festgehalten,fotografiert am 21.10.2020 in Goch.  *** On the site of a former monastery KLOSTER GRAEFENTHAL on the Lower Rhine in Goch, a town in North Rhine-Westphalia NRW, the police freed a 25 year old girl from a suspected sect, she was allegedly held against her will, photographed on 21 10 2020 in Goch
Seit 2012 lebt Emma mit ihrer Familie in der Glaubensgemeinschaft "Orden der Transformanten" auf dem Gelände des Klosters Graefenthal.
www.imago-images.de, imago images/Udo Gottschalk, PRESSEFOTOGRAFIE UDO GOTTSCHALK via www.imago-images.de

Doch Emma scheint außerhalb der Klostermauern Freunde gefunden zu haben, sich vielleicht sogar verliebt zu haben. Die junge Frau lebt seit ihrem zehnten Lebensjahr in der Glaubensgemeinschaft, ihre Eltern sind überzeugte Mitglieder. Sie ist für die Organisation verschiedener Veranstaltungen zuständig und trifft dabei auf Leute, die nicht Mitglied im Orden der Transformanten sind. Der niederländischen Tageszeitung „Algemeen Dagblad“ berichtet Engelen, dass die 25-Jährige eine Beziehung zu einem Mann außerhalb der Glaubensgemeinschaft begonnen habe. Laut den Regeln des Ordens ist das aber nicht möglich. Engelen erzählt weiter, dass Emma Robert B. gestanden habe, große Fehler begangen zu haben. Daraufhin, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, soll der Angeklagte sie etwa zwei Monate lang in ihrem Zimmer eingesperrt haben.

Der Liebhaber von Emma habe dann am Ufer des Sees, den Emma von ihrem Zimmer aus sehen kann, einen riesigen Teddybären aufgestellt. Der niederländischen Zeitung zeigt der Geschäftsführer ein unscharfes Foto des Plüschtiers. Hat der Liebhaber den Bären dort aufgestellt, um Emma Mut zu machen, die Sekte zu verlassen? War ihr das aus eigener Kraft nicht möglich, so dass sie ihren Freund um Hilfe bat? Denn laut Engelen soll der Liebhaber, der auch aus Goch stamme, die Polizei informiert und so den Einsatz zur Befreiung seiner Geliebten ausgelöst haben. Kurz zuvor soll er mit Emma durch ihr Zimmerfenster gesprochen haben - durch das sie jederzeit hätte gehen können, wie Engelen betont.

Wurde die 25-Jährige etwa zwei Monate lang gegen ihren Willen im Kloster festgehalten?
Wurde die 25-Jährige zwei Monate lang gegen ihren Willen im Kloster festgehalten?
RTL WEST

Ist Emma heute mit ihrem Freund zusammen?

Der selbsternannte „Prophet“ sitzt seit dem Polizeieinsatz im vergangen Oktober in Untersuchungshaft. Mit Blick auf den Prozess sagt Camiel Engelen der „Rheinischen Post“: „Emma muss sich entscheiden, ob sie durch eine Aussage ihren Mann kaputt machen oder dem Konkurrenten Probleme bereiten will.“ Laut Staatsanwaltschaft hat B. Emma über 14 Jahre lang in 132 Fällen sexuell missbraucht, ihre Familie sei dabei nicht eingeschritten. Emma ist bislang nicht wieder zum Orden der Transformanten zurückgekehrt. Wo und wie sie heute lebt, ob sie inzwischen mit ihrem Liebhaber zusammen ist, ist nicht bekannt.

Robert B. streitet die Vorwürfe ab. Über seine Anwälte teilt er mit: „Die haltlosen Vorwürfe basieren ausschließlich auf einer einzigen Zeugenaussage. Diese ist nicht nur unglaubwürdig, sondern auch widersprüchlich. Schon vor einigen Jahren war die Zeugin von niederländischen Ermittlungsbehörden zu diesen Vorwürfen angehört worden. Damals hatte sie – was der Wahrheit entspricht – alle Vorwürfe glaubhaft zurückgewiesen.“

(Rheinische Post/Algemeen Dagblad/dpa/lha)