Corona trieb sie in den AbgrundObdachlos! Angst und Scham waren Elifs (38) ständige Begleiter

Elif musste auf der Straße leben- sie schämt sich bis heute
Elif (38) musste monatelang auf der Straße leben
RTLNord, RTL, RTLNord
von Suzan Üner

Was es heißt auf der Straße zu leben bekam Elif* aus Hamburg schmerzhaft zu spüren: über fünf Monate lang wusste sie nicht wohin, musste sich jeden Tag und jede Nacht aufs Neue einen sicheren Platz in der Metropole suchen. Die Angst vor tätlichen Übergriffen in der Nacht und die Scham vor der eigenen Situation waren dabei ihre ständigen Begleiter. Im Containerdorf für obdachlose Frauen hat die 38-Jährige nun ein Dach über dem Kopf gefunden.
*Name von der Redaktion geändert

Elif: "Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas passieren würde"

Peter Kneffel
In Hamburg leben schätzungsweise 1000 obdachlose Frauen. (Symbolbild) Foto: Peter Kneffel/dpa
deutsche presse agentur

Elifs Leben war eigentlich unbeschwert: „Wir sind viel gereist, hatten keine finanziellen Probleme“, erzählt die 38-Jährige im Interview mit RTL Nord. Auch als es vor zwei Jahren zur Trennung von ihrem Mann kommt, ist sie zuversichtlich, versucht auf eigenen Beinen zu stehen: sie zieht in eine WG und arbeitet als Verkäuferin. Doch im Sommer 2021 verliert sie wegen Corona den Job und steht plötzlich vor dem Nichts: „Ich habe keine Plan gehabt. Für mich war da eine große Panik: Was soll ich machen? Wo soll ich schlafen?“, beschreibt sie ihre Situation. „Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas passieren könnte.“

Im Wald zu schlafen schien sicherer als in der Stadt

Dieser Wald war vier Wochen lang ihr Zuhause
In diesem Wald übernachtete Elif über vier Wochen.
RTLNord, RTL, RTLNord

Elif übernachtet an verschiedenen Orten in der Stadt, in ständiger Angst vor Übergriffen: „Ich habe nie durchgeschlafen, weil ich immer Angst hatte. (...) Einmal, ich schlief vor einer Kirche, weckten mich zum Beispiel zwei Männer, die waren total betrunken und ich bekam Panik - was wollen die von mir?“, es fällt ihr noch immer schwer, über diese Erfahrungen zu sprechen. Im Wald sei es sicherer erzählt ihr eine andere obdachlose Frau und nimmt sie mit zu ihrem Zelt ins Hamburger Randgebiet.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Hilfe im Containerdorf für obdachlose Frauen

Elif im Containerdorf für obdachlose Frauen
Elif lebt jetzt im Containerdorf für obdachlose Frauen.
RTLNord, RTL, RTLNord

Vier Wochen übernachtet Elif im Wald: „Es war extrem kalt auf dem Boden, denn der war immer nass, weil es viel geregnet hat. Der Boden wurde einfach nie trocken.“ Für die Grundversorgung, sich zu waschen oder um einfach mal das Handy aufzuladen, muss die 38-Jährige täglich in die Stadt fahren. Hier erfährt sie von dem Containerdorf für obdachlose Frauen, einem Projekt der Caritas. Die Plätze sind begehrt, doch nach Monaten der Obdachlosigkeit findet Elif hier endlich ein Dach über dem Kopf.

Ein Paradies auf fünf Quadratmetern

„Wir wollen den Frauen hier einfach ein Stück Normalität zurückgeben“, erzählt Betreuerin Marie Rohde im Interview mit RTL Nord. Sie ist eine von 21 Studentinnen im Fach soziale Arbeit an der Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften, die das Projekt der Caritas unterstützen. Finanziert über Spenden und das Winternotprogramm der Stadt Hamburg bietet das Containerdorf Platz für zehn Frauen, die selbst entscheiden, wie lange sie hier wohnen wollen. Es gibt regelmäßige Mahlzeiten und immer eine Ansprechpartnerin für Probleme. Dabei sollen die Frauen nicht unter Druck gesetzt werden, erklärt uns Andrea Hniopek, Leiterin dieses Caritas Projektes. „Ankommen, zur Ruhe kommen, Kraft schöpfen und mal nachdenken, was will ich überhaupt? (...) Das ist häufig schon ein ganz großer Schritt für Frauen, die lange auf der Straße gelebt haben.“ Elif ist dankbar für ihren Platz im Containerdorf, von denen es in Hamburg bei geschätzt 1000 obdachlosen Frauen viel zu wenige gibt. Ihr neues Zuhause ist zwar nur fünf Quadratmeter groß, doch: „Für mich ist es wie im Paradies“ sagt sie.